Tibetan Nomads – Environment, Pastoral Economy and Material Culture

Autor/en: Schuyler Jones
Verlag: Thames & Hudson
Erschienen: London 1996
Seiten: 464
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: 32.– englische Pfund
Kommentar: Michael Buddeberg, September 1997

Besprechung:
Umfangreicher Katalog der überaus reichen Tibet-Sammlung des National-Museums von Dänemark. Das Buch ist aber weit mehr als bloß ein Katalog. Es gibt eine komprimierte Einführung in eine Form des Hirtennomadentums, die im tibetischen Hochland, im Chantang, seit Jahrhunderten existiert und die sich unter weitgehender Bewahrung ihrer Ursprünglichkeit bis heute erhalten hat. Das Buch fasst die Beobachtungen und Forschungsergebnisse von Entdeckern, Reisenden und Anthropologen der letzten hundert Jahre zusammen und zeigt eine bisher nicht gesehene Fülle an Anschauungsmaterial. Seit mehr als hundert Jahren wird über Tibet berichtet. Doch die Autoren waren in ihrer Mehrheit Bergsteiger und Militärs, Abenteurer und Entdecker, denen es vor allem darum ging, weiße Flecken auf der Landkarte Asiens zu tilgen, Abenteuer zu bestehen und Berge zu besteigen und die vielleicht gerade noch über geschichtliche und kulturelle Ereignisse und Zusammenhänge berichteten. Eine Ausnahme war W.W.Rockhill, der schon im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts herausragende und sorgfältige Berichte über das Land, seine Menschen und ihre Kultur veröffentlichte und der auch den ersten Teppich aus Tibet mitbrachte (heute im Museum of National History der Smithsonian Institution in Washington). Dann richtete sich das Interesse zunächst auf die Sakralkunst Tibets, auf Thankas und Bronzen. Gebrauchgegenstände des täglichen Lebens, wie sie Nomaden, Händler und Bauern benutzen, blieben unbeachtet und ungesammelt. Die dritte dänische Zentralasien-Expedition von 1947 bis 1955 unter Henning Haslund-Christensen und, nach seinem Tod, unter SKH Prinz Peter von Griechenland und Dänemark, führte ethnographische, botanische, zoologische, geographische, anthropologische und linguistische Forschungen in Afghanistan, Kaschmir, Ladakh, Sikkim und Assam durch. Von 1949 bis 1955 hielt sich Prinz Peter in Kalimpong (Nordindien, bei Darjeeling) auf. Seine vielen Versuche, mit der Expedition auch tibetischen Boden zu betreten scheiterten an den politischen Verhältnissen. Erst 1979, im Alter von 70 Jahren und ein Jahr vor seinem Tode, sollte Prinz Peter sein Ziel erreichen: Lhasa. In Kalimpong erwarb er von tibetischen Händlern und von den vielen Flüchtlingen mehr als 600 Objekte für das dänische National Museum, vom Nomadenzelt bis zum Butterfaß, Teekannen und Trinkgefäße, Krüge für Bier und Milch, Schmuck von Nomaden, Bürgern und Adligen, Butterlampen, Schädelschalen, Vajras und andere Gegenstände für den rituellen Gebrauch, Gebetsmühlen, Thankas und Bücher und viele vollständige Gewänder von Nomaden und wandernden Händlern, von Beamten und Adligen, von Orakelpriestern und Mönchen, einschließlich aller Accessoires wie Gürtel, Anhänger, Börsen und dergleichen – eine Fundgrube für den Ethnologen und für den an Tibet Interessierten. Eine Anleitung zum Bau eines tibetischen Yakhaarzeltes ist ebenso zu finden wie genaue Schnittmuster einer Chuba, des traditionellen Nomadenmantels aus Schaf- oder Ziegenfell. Historische und neuzeitliche Aufnahmen ergänzen den Text und die Objektbeschreibungen. Bedauern mag man, daß nicht alle Objekte abgebildet sind und daß Datierungen und geographische Zuschreibungen vollkommen fehlen. Das aber ist Absicht: Einmal hat der Sammler selbst keinerlei ethnographischen Aufzeichnungen hinterlassen, zum anderen aber ist kaum etwas so schwierig wie die Datierung und genaue Lokalisierung tibetischer Objekte, denn Tibet war keineswegs das geheimnisvolle, verschlossene Land hinter den Schneebergen sondern es stand in regem Handelsverkahr mit China, Indien, Kaschmir, Bhutan, Nepal, der Mongolei und vielen zentralasiatischen Staaten. Stile und Techniken beeinflußten sich gegenseitig, Handwerker aus diesen Ländern arbeiteten in und für Tibet. Hinzu kommt, daß die Nomaden Gegenstände des täglichen Lebens kaum selbst herstellten sondern von wandernden Händlern oder selbst auf Handelsreisen erwarben. Tibetan Nomads – ein wichtiges Buch über eine der archaischsten weil bis heute weitgehend unveränderten Lebensform auf unserem Planeten.

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