Zwei neue Bücher des Fotografen Jaroslav Poncar

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Kommentar: Michael Buddeberg, November 2012

Besprechung:
Jaroslav Poncar, Himalaya – 40 Jahre unterwegs auf dem Dach der Welt, Edition Panorama, Mannheim 2012, 352 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, € 78,00, ISBN 978-3-89823-453-5

Jaroslav Poncar, Afghanistan, Edition Panorama, Mannheim 2012, 192 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag, € 58,00, ISBN 978-3-89823-454-2

Tibet, mehr noch der Himalaya, sagt Jaroslav Poncar, sei wahrscheinlich sein Schicksal, sein Karma. Ein paar ganz konkrete Umstände kamen hinzu, um diesem Karma wesentliche Impulse zu geben. So fand der 9-jährige Jaro 1954 unter dem Weihnachtsbaum eine Boxkamera, von einem Freund der Familie wurde er in dessen Dunkelkammer in die Geheimnisse der Fotografie eingeweiht und neben vielen anderen Büchern über abenteuerliche Reisen und Entdeckungen war es vor allem James Hiltons Buch „Lost Horizon“ über das irgendwo im Himalaya gelegene, geheimnisvolle Shangri-La, das den Träumen des Heranwachsenden eine freilich in jener Zeit reichlich utopische Richtung verlieh. Dieses Karma war es dann auch, das den fotografierenden Kernphysiker und Professor für Physik und Optik just in jenem Moment in Srinagar in Kaschmir verweilen ließ, als 1974 die vom jungen indischen Staat gewissermaßen geerbte „inner line“ geöffnet wurde. Das war jene noch aus der Zeit des Great Game von den Briten gezogene, unüberschreitbare Grenze, die die britische von der russischen Einflusssphäre trennen sollte. Plötzlich und unerwartet also war Ladakh für mutige Touristen zugänglich. Poncar war einer der allerersten, der auf damals noch abenteuerlichen Wegen Leh erreichte. Es war die erste von vielen dutzend Reisen, Expeditionen und Forschungsaufenthalten, die den alsbald zum Profi mutierten Fotografen kreuz und quer durch den Himalaya führten und ihn zu dem wohl wichtigsten und besten Dokumentar der Landschaften und Menschen dieser Region und ihrer Kunst- und Kulturschätze machte. Aus dem vielleicht weltweit umfangreichsten Fundus an Aufnahmen aus Kaschmir, Ladakh, Zanskar, Spiti, Tibet, Kham, Mustang und Bhutan hat der Verlag Panorama Edition nun im foliogroßen Querformat eine Auswahl dieser Fotos publiziert, die jeden in ihren Bann ziehen wird. Das Format kommt nicht von ungefähr. Jaroslav Poncar ist Pionier und Meister der fast vergessenen Panoramafotografie. Es war gewiss sein fotografisches Auge, das ihn nach seiner ersten Begegnung mit den Landschaften des Himalaya erkennen ließ, dass diese exotische Technik gerade hier, wo sich unendliche Weite mit einzigartigen Gebirgspanoramen paaren, ihr ideales Anwendungsgebiet finden könnte. Seither begleitet Poncar eine mittlerweile ein halbes Jahrhundert alte, in ihrer Technik und optischen Ausrüstung einzigartige Panorama-Kamera aus einer russischen Produktion in Krasnogorsk. Das Ergebnis ist immer grandios, denn so wie in der Natur auch, muss der Betrachter dieser Panoramafotos den Kopf bewegen, um das Bild in seiner vollen Ausdehnung zu erfassen und wird so in die Landschaft und das dargestellte Geschehen hineingezogen. Lohnen schon allein diese Panoramabilder die Anschaffung des Buches, so sind sie doch nicht alles. Einfühlsame Portraits von Kindern und alten Menschen, von Bauern und Nomaden, von Mönchen und Asketen, Bilder von der jährlichen Wanderung von tausenden hinduistischer Pilger zu der Höhle von Amarnath Yatra, wo der Legende nach Shiva seiner Gemahlin Parvati das Geheimnis der Ewigkeit und Unsterblichkeit preisgegeben haben soll, der winterliche Besuch von Klosterfesten mit Maskentänzen in Ladakh, all das rundet ein Bild einer Welt, die inzwischen viel von ihrer Ursprünglichkeit verloren hat. Dörfer in Zanskar aus einer Zeit als noch kein Tourist dieses entlegene Hochtal erreicht hatte, das erst Anfang der Neunziger Jahre zum Besuch freigegebene Mustang und seine unwirklichen Erosionslandschaften, die schwimmenden Gärten und Märkte von Srinagar, Nomaden und ihr tägliches Leben in der regenreichen und daher grünen tibetischen Provinz Kham und stimmungsvolle Bilder von der Parikrama um den Heiligen Berg Kailash im fernen Westen Tibets vermitteln ein Bild von den unendlich vielfältigen Schönheiten und eindrucksvollen Szenen, die der Himalaya bereit hält, ebenso wie die Bilder der Klöster von Ladakh, der Dzongs von Bhutan, vom Potala und vom Jokhang-Tempel in Lhasa und von der großen Stupa von Gyantse die architektonische Spannweite der Denkmäler dokumentieren. Einzig der Liebhaber himalayischer Kunst kommt hier zu kurz. Ihm aber sei verraten, dass sich eine erweitere Neuauflage des Buches von Poncar und Goepper über die Wandmalereien von Alchi in Vorbereitung befindet. Mit seinen Fotos des Himalaya, der Menschen, Landschaften und Kulturdenkmäler hat sich Jaroslav Poncar in die Liste jener Dokumentare des Himalaya eingereiht, in der bereits Sven Hedin, Wilhelm Filchner, Albert Tafel, Toni Hagen, Michael Peissel, Giuseppe Tucci und Herbert Tichy stehen. Und ganz gewiss hat Jaroslav Poncar im Himalaya sein Shangri-La gefunden.

Auch das etwas schmalere, im Format aber entsprechende Buch über Afghanistan trägt unverkennbar Poncars Handschrift und ist doch ganz anders. Im Herbst 2010 erhielt Jaroslav Poncar den Auftrag vom Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM), das kulturelle Erbe Afghanistans fotografisch zu dokumentieren. Ganz konkret ging es darum, im Nationalmuseum von Kabul Fotos dort befindlicher Kunstwerke für eine Bestandsaufnahme und Publikation aufzunehmen. Doch Poncar wäre nicht der, der er ist, hätte er nicht diesen Aufenthalt genutzt, um einen näheren Blick auf das Land, seine Menschen und seine Kultur zu werfen. Wie schwierig das in diesem Lande und zu dieser Zeit war, erfährt man aus zahlreichen Randbemerkungen über die strengen Sicherheitsvorschriften, über bewaffneten Begleitschutz, über Ausgehsperren und Hausarreste und wie manche der Ziele außerhalb Kabuls nur mit Helikopter oder gepanzerten Fahrzeugen erreicht werden konnten. Das alles scheint das Bild Afghanistans zu bestätigen, wie es die Medien verbreiten und das von Krieg, Selbstmordattentaten und allgegenwärtiger Gewalt geprägt ist. Doch das Afghanistan, das Poncar gefunden und dokumentiert hat, ist anders. Wir sehen, dass auch in diesem so schwer heimgesuchten Land das Leben weitergeht, dass es lebendige Märkte gibt, Kinder Drachen steigen lassen, dass traditionelle Handwerke gepflegt werden und Pilger heilige Stätten besuchen, etwa das Mausoleum des Ali in Masar-i-Scharif oder die Blaue Moschee in Herat. Vor allem aber vermitteln Poncars Bilder – auch hier sind es wieder die großartigen Panorama-Bilder, die am meisten beeindrucken – die Schönheit und den kulturellen Reichtum dieses Landes. Auch wenn die aktuellen politischen und militärischen Verhältnisse die Möglichkeiten und die Mobilität des Fotografen beschränkten, so sehen wir doch Orte von überragender Schönheit: die schneebedeckten Hänge des Safed Koh und die stillen Ufer seiner türkisfarbenen und jadegrünen Bergseen; den zauberhaften Erholungsort Istalif, in den sich der Mogulherrscher Babur schon im 16. Jahrhundert verliebte und dann natürlich Bamiyan mit seinen von buddhistischen Mönchen angelegten, verschachtelten Höhlenkomplexen über einem fruchtbaren Tal, dessen Lieblichkeit nur von den leeren Nischen der von den Taliban gesprengten Buddhas gestört wird. Bislang kaum unersuchte Ruinen von uralten Festungen und buddhistischen Klöstern zeigen das archäologische Potential dieses alten Kulturlandes, und mit Bildern von Funden in den aktuellen Grabungsstätten von Mes Aynak, in der Archäologen versuchen, dem wirtschaftlich lohnenden Kupferabbau zuvorzukommen, zeigt Jaroslav Poncar ein Beispiel dafür, welche antiken Schätze im Boden Afghanistans verborgen sind. Lesenswert ist auch das Vorwort des Historikers und Reiseschriftstellers William Dalrymple, der aus der Geschichte und der geographischen Situation Afghanistans Verständnis für die Schwierigkeit der aktuellen Problemlösung weckt. Nicht nur die schroffen Berge, auch ethnische und sprachliche Unterschiede haben seit jeher die Bevölkerung gespalten; Tadschiken, Usbeken, Hazaras und andere mehr sind ebenso schwer unter einen Hut zu bringen wie Sunniten und Schiiten. So hat Afghanistan kaum je in der Jahrtausende zurückreichenden Geschichte eine Zeit politischer Einheit erlebt, das Land war und ist bis heute ein Kaleidoskop konkurrierender Stammesfürsten. Mit diesem Ausblick ist Jaroslav Poncars Buch über Afghanistan aktuell und zeitlos zugleich.

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