Indischer Schmuck – Zwei neue Bücher

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Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 1998

Besprechung:
Hans Weihreter, Blumen des Paradieses – Der Fürstenschmuck Nordindiens, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1997, ISBN 3-201-01678-0, 208 S, Leinen mit Schutzumschlag, DM 93.–

Oppi Untracht, Traditional Jewelry of India, Harry N.Abrams, New York 1997, 100 Fifth Avenue, N.Y. 10011, ISBN 0-8109-3886-3, 432 S, Leinen mit Schutzumschlag, DM 150.–

Als Hans Weihreter im Februar 1997 das Vorwort zu seinem Buch schrieb wies er auf die schier unglaubliche Fülle indischer Schmuckkultur hin. Es wäre vermessen, meint er, den Schmuck Indiens in seiner Gesamtheit darstellen zu wollen. Nur viele Generationen von Forschern könnten eine solche Arbeit schaffen, die doch immer fragmentarisch bliebe . Nur wenig später ist ein solches Kompendium des indischen Schmucks von Oppi Untracht, einem in Finnland lebenden amerikanischen Wissenschaftler erschienen. Natürlich ist diese Arbeit über den traditionellen Schmuck Indiens nicht komplett, kann es gar nicht sein, denn zu wenig ist aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert bekannt und dokumentiert. Einschmelzen und Umarbeiten war schon immer das Schicksal des allermeisten Schmucks. Dennoch ist das Buch von Untracht mit seiner Fülle von Material auf nahezu 900 Abbildungen eine staunenswerte Leistung, die noch größer wird, wenn man sich die Größe und die wechselvolle Geschichte des Subkontinents vergegenwärtigt. Hat nun Hans Weihreter umsonst geforscht und geschrieben? Kann seine Arbeit neben der Untrachts Bestand haben? Und ob! Bereits bei der ersten Beschäftigung mit Untrachts Buch wird klar, daß gerade in der Moghulzeit sowohl aus handwerklicher wie aus ästhetischer Sicht der Höhepunkt indischer Schmuckkunst erreicht war. Aber Untracht kann diesem Thema, entsprechend dem umfassenden Anspruch seiner Arbeit, nur wenig Raum widmen. Die Vertiefung, die man hier vermisst, findet sich bei Weihreter der mit „Blumen des Paradieses“ eine vollständige Monographie über den Schmuck der Moghulzeit, seine stilgeschichtliche Entwicklung, seine Symbolik, die verwendeten Materialien und seine Herstellungtechniken vorgelegt hat. So bleibt als Fazit, daß sich diese beiden Werke über die indische Schmuckkunst in idealer Weise ergänzen, geradeso als hätten die Autoren dies verabredet. Daher auch hier die gemeinsame Vorstellung dieser parallel entstandenen Werke, die beide zusammen die Schmuckkultur des Subkontinents erschließen. So wird etwa die vorislamisch-hinduistische Epoche und ihre Einflüsse auf den Moghul-Schmuck von Weihreter nur am Rande erwähnt. Gerade hier aber setzt Untracht einen Schwerpunkt, indem er die Wurzeln hinduistischer Schmuckkultur bis zur Körperbemalung früher Naturvölker zurückverfolgt, den ethnischen Schmuck bestimmter Volksgruppen, etwa der Nagas, beschreibt und so ein Gesamtbild indischer Schmucks entwickelt in dem auch der Moghulschmuck seinen Platz hat. Weihreter betont dann – zu Recht – die Bedeutung des europäischen Einflusses auf den Schmuck der Moghulzeit. In der Zeit der größten Machtentfaltung und größten Reichtums, unter den Moghul-Kaisern Akbar (1556 – 1605), Dschahangir (1605 – 1627) und Schah Jahan (1627 – 1658) brachten europäische Handelsreisende und Handwerker Dekore und kunsthandwerkliche Techniken der europäischen Renaissance (Emaille, pietradura) nach Indien. Besonders unter dem kunstsinnigen und mäzenatischen Schah Jahan entwickelte sich aus der Rezeption persischer Kunst und diesen europäischen Einflüssen der typische Moghul-Stil mit einem naturalistisch-floralen Dekor als Hauptthema. Obwohl im 18. Jahrhundert die Macht der Moghul-Kaiser schwand und mit der Einweisung des letzten Moghul Herrschers Bahadur Schah II in ein britisches Gefängnis, das Moghul-Reich 1858 endgültig unterging, wurde insbesondere die Schmuckkultur von den noch immer märchenhaft reichen Fürsten des alten Rajputana, dem heutigen Rajasthan, bis ins 20. Jahrhundert hinein gepflegt. Die Fürstentümer Jodhpur, Bikaner und andere, vor allem aber Oudh mit dem Fürstensitz Lucknow und Amber mit der Hauptstadt Jaipur entwickelten sich zu Zentren der Schmuckherstellung. Dieser Fürstenschmuck Nordindiens ist das zentrale Thema von Weihreter, dem er bis in die Details nachspürt. Herstellungstechniken (Minakari, eine Emaille-Technik, die geheimnisvollen Thewa-Arbeiten, eine Art Hinterglasvergoldung und die typischen Edelsteinfassungen in Kundan-Technik) werden detailliert beschrieben, die Symbolik der Steine und die Bedeutung der auf dem Schmuck dargestellten Symbole – Sonne, Mond, Blumen, Tiere – erörtert, und die Schmucknamen und die Art, wie Männer und Frauen ihn trugen, exakt dargestellt. Dies vor allem zeigt, daß der traditionelle Schmuck, gleichgültig ob höfisch oder volkstümlich, bei aller Prachtentfaltung stets eingebunden war in die religiöse Kultur und in ein magisches Weltbild. Schmuck sollte nicht nur schmücken sondern vor allem schützen und jedem Bereich des Körpers sind, Amuletten gleich, bestimmte Schmuckformen zugeordnet. Mit dieser Feststellung reiht sich der Schmuck der Moghulzeit, eine der vielgestaltigsten Schmuckkulturen der Menschheit, profund dargestellt von Hans Weihreter, mühelos ein in die Gesamtdarstellung indischen Schmucks von Untracht. Weihreters Buch ist die Lupe, die aus einem reichen Schatz die Zimelien herausholt und besonders anschaulich darstellt. (- mb -)

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