Goa and the Great Mughal

Autor/en: Nuno Vassallo e Silva, Jorge Flores (Hrsg)
Verlag: Calouste Gulbenkian Foundation, Scala Publishers
Erschienen: Lisboa London 2011 (2004)
Seiten: 240
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: 25.– englische Pfund
ISBN: 978-1-85759-693-9
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2011

Besprechung:
Das Erscheinungsbild von Ausstellungskatalogen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Aus schmalen Begleitheften mit einer mehr oder weniger nüchternen Auflistung der Exponate wurden großformatige, seitenstarke und oft kiloschwere Begleitbücher mit prächtigen Farbbildern und einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Ausstellungsthemas durch zahlreiche und detaillierte Essays namhafter Experten. Und dennoch: Mit dem Ende der Ausstellung geraten auch die Begleitbücher regelmäßig rasch in Vergessenheit, erscheinen bestenfalls noch auf den Ramschtischen der Buchhändler und dienen weiterhin nur noch als Zitierquellen künftiger Ausstellungskataloge. Der soeben publizierte, unveränderte Nachdruck eines Kataloges einer von Juni bis September des Jahres 2004 im Calouste Gulbenkian Museum in Lissabon veranstalteten Ausstellung ist die seltene Ausnahme von dieser Regel. Die, wie der Klappentext verrät, unverändert starke Nachfrage nach diesem Buch kann ihre Ursache nur in der Attraktivität des Themas und in der Qualität seiner Bearbeitung haben. Und in der Tat kann die Beziehung zwischen der portugiesischen Enklave an der Westküste Indiens und dem Reich der Mogulkaiser als eine besonders wichtige und wertvolle Periode im Austausch zwischen Europa und Asien angesehen werden. Im Jahre 1510, nur 12 Jahre nach der abenteuerlichen Seereise Vasco da Gamas um das Kap der Guten Hoffnung und seiner Landung als erster Europäer in Calicut, machten die Portugiesen Goa zur Hauptstadt und Residenz ihres „State of India“. Es war genau die Zeit, als sich die drei großen islamischen Staaten formten, die für die folgenden Jahrhunderte die Politik, den Handel und die bildende Kunst im Orient prägen sollten. 1501 hatte Schah Isma´il im Iran die Dynastie der Safawiden gegründet, die Osmanen eroberten Kairo im Jahre 1517 und schufen damit eine der Grundlagen des osmanischen Reiches und Babur, ein Nachfahre Dschingis Khans, wurde im Jahre 1526 mit der Eroberung Nordindiens der erste Herrscher der Mogul-Dynastie. Gewiss, für die nachfolgenden Mogul-Kaiser Humayun, Akbar, Jahangir und Shah Jahan war die kleine portugiesische Kolonie im Gegensatz zu den großen Nachbarn im Norden und Westen ungefährlich und wenig bedeutsam, aber sie war exotisch und interessant, denn dort saßen die ersten Europäer, mit denen die Mogul-Herrscher nachweislich in Berührung kamen. Umgekehrt war es für den Vizekönig und die jesuitischen Missionare in Goa für einen ungestörten Handel, für eine erfolgreiche Missionstätigkeit und für den Frieden in den Häfen und Handelsposten überlebenswichtig, mit den mächtigen Mogul eine friedliche Nachbarschaft zu pflegen. Aus dieser Gemengelage von Neugier und diplomatischer Strategie entstand zwischen Goa und dem Hofe der Mogul-Kaier eine über 200 Jahre währende Beziehung mit kommerziellen, religiösen und kulturellen Aspekten. Das Buch konzentriert sich auf die Zeit von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bis etwa 1750, also auf die Regierungszeiten der Kaiser Akbar, Jahangir und Shah Jahan. Zu sehen sind weit über 100 hochrangige Objekte, zusammengetragen aus den großen Museen der Welt und einigen privaten portugiesischen Sammlungen. Beispielhaft genannt sei hier aus der Gulbenkian-Sammlung ein prächtiges Exemplar jener höfischen indischen Teppiche des frühen 17. Jahrhunderts, die wegen der Darstellung europäischer Schiffe in der Fachwelt als „Portugieser“ bezeichnet werden. Weiter zu erwähnen ist eine große Anzahl indischer Miniaturen aus jener Zeit, die die Präsenz portugiesischer Diplomaten, Handelsherren und kirchlicher Würdenträger am Hofe der Mogulkaiser dokumentieren. Begleitet wird dieser Reigen von Kunst und Kunsthandwerk von zehn Essays, die die Beziehungen zwischen dem portugiesischen State of India und dem mächtigen Mogulreich aus vielen Blickwinkeln beleuchten. Einer der interessantesten Aspekte ist hier das große Interesse, das vor allem Akbar und Jahangir dem Christentum, einer ihnen fremden Religion entgegenbrachten. Die Darstellung christlicher Ikonographie auf indischen Miniaturen, Begebenheiten aus der Bibel, die Kreuzigungszene oder Maria mit dem Kind mögen bei den jesuitischen Missionaren die Hoffnung auf eine Bekehrung des indischen Hofes geweckt haben, sind aber wohl nur Ausdruck der großen Neugier der Mogulen an Europa und damit ein treffliches Beispiel, wie sich Europa und Indien in dieser Zeit der ersten Begegnung in vielen Bereichen gegenseitig befruchtet und bereichert haben.

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