Sha ´Abbas – The Remaking of Iran

Autor/en: Sheila R. Canby
Verlag: British Museum Press
Erschienen: London 2009
Seiten: 274
Ausgabe: Broschur (auch gebundene Ausgabe)
Preis: 25.– englische Pfund (Broschur)
ISBN: 978-0-7141-2452-0
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2009

Besprechung:
Die Geschichte der englischen Brüder Robert und Anthony Sherley ist symptomatisch für den Aufbruch und Wandel des safawidischen Reiches am Anfang des 17. Jahrhunderts. Die Brüder von hohem englischen Adel waren 1598 als private Abenteurer und Glücksritter nach Persien gekommen und machten am Hofe Schah Abbas des Großen rasch eine erstaunliche diplomatische Karriere. Schon ein Jahr später reiste Anthony als Botschafter des Schah zurück in die europäischen Metropolen, um persisch-europäische Allianzen gegen die Osmanen zu schmieden, während Bruder Robert in Persien die christlich-tscherkessische Prinzessin Teresia heiratete und im Auftrage seines kaiserlichen Gönners das persische Kriegswesen reformierte und iranische Soldaten im Gebrauch moderner Feuerwaffen instruierte. Lebensgroße Portraits eines unbekannten britischen Künstlers zeigen Robert und Teresia Sherley im Glanz ihrer kostbaren diplomatischen Roben aus den prachtvollen persischen, mit Gold und Silber gewirkten Seidenstoffen jener Zeit. Diese und weit über einhundert weitere Kunstwerke, Miniaturen, Metallarbeiten, Kalligraphien, Seidenstoffe, Münzen, Bucheinbände, Teppiche und Kacheln hat das British Museum zu einer Hommage an den großen safawidischen Herrscher Schah Abbas vereinigt, die bis zum 14. Juni 2009 in London zu sehen ist. 1587, im Alter von nur 16 Jahren in der damaligen persischen Hauptstadt Quazvin gekrönt, übernahm Schah Abbas von seinen Vorgängern ein schwieriges Erbe. Bedroht von mächtigen Feinden an den Grenzen und im Inneren uneins durch rivalisierende Stammesfürsten, gelang es Schah Abbas in seiner Regierungszeit (bis 1629) nicht nur, seinem Volk eine neue Identität zu verschaffen, sondern er machte Persien zu einer anerkannten Großmacht und die neue Hauptstadt Isphahan zu einer Weltmetropole von Handel, Diplomatie und Kunst. Wie alle safawidischen Herrscher überzeugter Schiit und Anhänger des mystischen Sufi-Ordens war Schah Abbas zugleich weltoffen und tolerant, wie die Karriere der Brüder Sherley und die volle Integration und Anerkennung der christlichen Armenier in die persische Gesellschaft beweisen. Der hervorragende Katalog zu dieser Ausstellung zeigt nicht nur Kunstwerke in dem unter Schah Abbas entwickelten neuen persischen Stil – man spricht hier vom „Goldenen Zeitalter persischer Kunst“ -, sondern auch wertvolle kaiserliche Geschenke an die schiitischen Pilgerstätten im Iran, die Schreine von Ardebil, Maschad und Qum. Die Autorin, Sheila Canby, Kuratorin für islamische Kunst am British Museum, gibt eine Einführung in den historischen Hintergrund der Safawiden, erläutert Gründe und Konsequenzen der Einführung der Schi´a als persische Staatsreligion durch den ersten safawidischen Herrscher Ismail und beschreibt die Auswirkung dieser Entscheidung bis in die Gegenwart. Von den fünf Kapiteln des Kataloges ist das erste Isphahan gewidmet, das 1598 von Schah Abbas zur Hauptstadt erkoren wurde. Mit dem einzigartigen, 510 mal 165 Meter messenden, zentralen Platz, dem Meidan Naqsh-i Jahan, umgeben von einer zweistöckigen Kolonnade und beherrscht von dem königlichen Ali Quapu Palast, dem prachtvollen Eingangsportal zum Neuen Basar und zwei der schönsten Moscheen der islamischen Welt, der fast intimen Shaykh Lutfallah Moschee und der gewaltigen Schah-Moschee, fand die Vision eines neuen Persien sichtbaren architektonischen Ausdruck. Unter Schah Abbas wurde Persien zur Großmacht und Isphahan zu einer Weltmetropole, die Mitte des 17. Jahrhunderts etwa die Größe Londons hatte. Drei weitere Kapitel sowie zwei Essays, damit also der wesentliche Teil des Kataloges sind der rituellen Praxis, der Architektur, der Ausstattung und der Bedeutung der bereits genannten Schreine gewidmet. Da sich im 16. Jahrhundert die traditionellen Pilgerstätten der islamischen Welt, Mekka, Medina und Jerusalem, im Herrschaftsbereich der Osmanen befanden, förderten die safawidischen Herrscher die heiligen Orte im eigenen Land. Vor allem Schah Abbas widmete sich in besonderem Maße der Renovierung dieser Schreine, erweitere deren Bauten, sorgte für eine zeitgemäße, prachtvolle Ausstattung und bereicherte ihre Schatzkammern mit einer wahren Flut wertvoller herrschaftlicher Geschenke. Er verschaffte sich mit ihnen, entsprechend einer langen Tradition in der islamischen Welt, spirituellen Verdienst, mehrte damit aber auch Ansehen und Bedeutung der Schreine. Sheila Canby gelingt es hier vorzüglich, den unterschiedlichen Charakter dieser drei wichtigsten Pilgerorte Persiens darzustellen. Am wichtigsten für den Schiismus als Volksreligion ist ohne Zweifel der Schrein von Maschad, der das Grabmal des Imam Riza beherbergt und den noch heute Jahr für Jahr Millionen von Pilgern besuchen. Entsprechend ausgedehnt sind seine Baulichkeiten und entsprechend dieser Bedeutung besteht der Kern der Schätze dieses Schreins aus Manuskripten und Kalligraphien mit theologischen Inhalten. Der Schrein von Qum ist der im Iran hochverehrten Fatima Ma´sumeh, einer Schwester des Imam Riza gewidmet und ist nicht nur wichtige Pilgerstätte, sondern vor allem ein Ort religiöser Bildung mit dutzenden von Seminaren und Medresen. Der bekannteste Student des 20. Jahrhunderts in Qum war gewiss Ayatollah Khomeini. Ganz anders der Schrein von Ardebil, seit jeher Heimstatt der mystischen Bruderschaft der Sufis und Geburtsort der Dynastie der Safawiden. Ardebil ist daher die Pilgerstätte des Hofes und hochgestellter Persönlichkeiten und Schah Abbas soll selbst mehrere traditionelle Pilgerfahrten, also im einfachen Gewand, zu Fuß und barfuss nach Ardebil unternommen haben. Anders auch der Inhalt der Schatzkammern: Die Geschenke an den Schrein sind durchaus weltlicher Art. Die unter Schah Tahmasp enstandenen „Ardebil-Teppiche“ (heute London und Los Angeles) sind hier zu nennen, schöne Literatur und Poesie in Form von illuminierten Manuskripten, Miniaturen und dann vor allem chinesisches Porzellan aus der Yuan- und der frühen Ming-Dynastie in einer Fülle und Qualität, wie sie sonst nur noch im Topkapi Saray in Istanbul zu sehen ist. Mit dem schönen Katalog werden Orte und Kunstwerke erschlossen, die heutzutage wegen der politischen und religiösen Situation im Iran nicht ohne weiteres zugänglich sind. So bleibt am Ende für den heutigen Iran der Wunsch nach einem Führer mit den Visionen und Qualitäten von Schah Abbas dem Großen.

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