Buddhisten Jainas Hindus – Auf der Suche nach dem Gottesbild – Die Sammlung Viktor und Marianne Langen

Autor/en: Ulrich Wiesner
Verlag: Rautenstrauch-Joest-Museum u. Edition Minerva
Erschienen: Köln, Wolfratshausen 2005
Seiten: 160
Ausgabe: illustrierte Broschur
Preis: € 29.–
ISBN: 3-923158-42-4
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2005

Besprechung:
Bis zum zweiten Oktober 2005 zeigt das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln eine rheinische Privatsammlung von internationalem Rang, die zuvor noch nie zu sehen war. Über mehrere Jahrzehnte hat das Sammlerehepaar Marianne und Victor Langen Skulpturen aus Indien, Burma, Thailand, Kambodscha, Nepal, Tibet, China und Korea zusammengetragen, aus Ländern also, die alle mehr oder weniger stark von indischer Religiosität geprägt sind. Zu sehen sind 60 plastische Bildwerke der verschiedenen Erscheinungsformen Buddhas, von Tirthankaras, Bodhisattvas und Devas aus Stein und Bronze vom 2. bis zum 19. Jahrhundert. Dieser sowohl zeitlich wie geographisch sehr breit gesteckte Rahmen – er reicht vom frühen Torso eines Bodhisattva aus Gandhara über Khmer-Kunst aus der Angkor Vat Periode bis zu südindischen Kultbronzen des 18. und 19. Jahrhunderts – ermöglicht einen zwar gerafften aber repräsentativen Überblick über die religiöse Plastik der drei großen indischen Religionen. Der begleitende Katalog ist nicht nur wegen der sorgfältigen Beschreibungen und ganzseitigen Abbildungen aller Exponate zu empfehlen, sondern vor allem wegen des einleitenden Essay. Dr. Ulrich Wiesner, Leiter der Asien-Abteilung des Rautenstrauch-Joest-Museums, versteht es, auf wenigen Seiten den Ursprung und die Entwicklung, das Gemeinsame und die Unterschiede von Buddhismus, Jainismus und Hinduismus darzustellen und damit die Grundlagen zu schaffen für ein Verständnis dieser oft so verschiedenen Bildwerke. Alle drei großen Religionen wurzeln in den vedischen Traditionen Indiens und im frühen Brahmaismus. Aus ihnen heraus entwickelte sich um 800 v.Chr. durch Integration frühindischer Naturreligionen die Frühform des Hinduismus als ein ganzes Bündel von Religionen, die entweder nur einen (Vishnu, Shiva) oder auch mehrere oder viele Götter haben können. Nur wenig später, zwischen 650 und 600 v.Chr. entstanden als Reformationsbewegungen die beiden großen Stifterreligionen, der Buddhismus und der Jainismus. Buddha, geboren als Prinz Siddharta Gautama wurde zum großen Philosophen, Reformator und Begründer einer Weltreligion. Mahariva, Urvater des Jainismus, vermutlich ein Zeitgenosse Buddhas, kam ebenfalls aus einer adeligen Familie und hatte im Gegensatz zu Buddha einen radikalen, rigoros asketischen Reformansatz. Gemeinsam aber ist allen drei Religionen, dass sie zunächst keine Kultbilder kannten, auch nicht solche in menschlicher Gestalt. Buddhismus und Jainismus waren vielmehr streng atheistische, rationale Lehren, die der Bilder nicht bedurften. Heute hingegen sind besonders der Buddhismus und der Hinduismus als ausgesprochen bilderfreundlich und bilderreich bekannt. Wie kam das und wann war das? Beides kann man nur vermuten. Wohl im ersten oder zweiten Jahrhundert nach der Zeitenwende vollzog sich in allen drei Religionen ein Wandel von der Bildlosigkeit zum Bilderkult. Er war begleitet von einem tiefgreifenden Wandel der Religionen, dem Entstehen des Theismus bei den Buddhisten und Jainisten und der Bhakti-Frömmigkeit des Hinduismus. Diese Entwicklung verleitet zu der These, dass eine atheistische Lehre mit streng rationaler Forderung nach menschlicher Selbsterlösung auf Dauer in der Gesellschaft nicht existieren kann. Denn erst als der Buddhismus ein theistischer Glaube wurde, begann sein Weg zur Weltreligion. Man mag das als eine Schwäche des menschlichen Geistes bedauern, sie hat jedenfalls die Kunst unendlich bereichert, und wir verdanken diesem Bilderkult der drei großen indischen Religionen einen unvergleichlichen Korpus vollendeter Kunstwerke, allesamt visueller Ausdruck des Glaubens und der Frömmigkeit, die sie geschaffen haben. Vor diesem Hintergrund erhalten die Gottesbilder eine über ihre bloße Form hinausgehende Aussage. Sie sind Visionen religiöser Praxis und Überzeugung. Dabei fällt auf dass die buddhistische Kunst durch eine warme Menschlichkeit gekennzeichnet ist, die der Hindus durch Kraft und Sinnlichkeit, während die Kunst der Jainas oftmals kalt und intellektuell wirkt. In allen Fällen aber ist entscheidend für Wirkung und Bedeutung der Gottesbilder nicht die Schönheit und Vollendung der menschlichen Gestalt, wie es der westliche, kunsthistorisch geschulte Betrachter zu sehen gewohnt ist, sondern der subtile Ausdruck eines übersinnlichen Wesens. Ob gedacht als bloßes Andachts- oder Kultbild, oder als Hilfsmittel für die Meditation, als materielle Stütze für die Anbetung, die Verehrung gilt stets dem in der Skulptur verkörperten, göttlichen und übernatürlichen Wesen. Vom Gläubigen wird die göttliche Gestalt nicht als anatomische Wirklichkeit, sondern als eine solche Vision erlebt. Diese spirituelle Dimension der Gottesbilder von Buddhisten, Jainas und Hindus wird vom Autor überzeugend vermittelt und verleiht den Skulpturen der Sammlung Langen, jeder einzelnen, aber auch in ihrer repräsentativen Gesamtheit eine tiefe Bedeutung.

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