Die Welt des Buddha – Frühe Stätten buddhistischer Kunst in Indien

Autor/en: Bernd Rosenheim
Verlag: Verlag Philipp von Zabern
Erschienen: Mainz 2006
Seiten: 212
Ausgabe: Hardbound mit Schutzumschlag
Preis: € 39.90
ISBN: 3-8053-3665-9
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2006

Besprechung:
Als der Sturm der islamischen Eroberungen des 12. Jahrhunderts über Indien hereinbrach, wurden die Reste der Lehre des Buddha Shakyamuni hinweggefegt, sodass der Buddhismus in seinem Mutterland praktisch erlosch. Die der Zerstörung meist entgangenen, buddhistischen Grotten- und Höhlenheiligtümer gerieten in Vergessenheit, ihre Eingänge wurden verschüttet oder von dichtem Dschungel überwuchert. Es war dann der Entdecker- und Pioniergeist des 19. Jahrhunderts, der diese frühen Stätten des Buddhismus wieder ins Bewusstsein der Menschheit zurückbrachte. Während eines Manövers entdeckte ein britischer Offizier im Jahre 1819 an den Steilwänden des Waghora-Baches die Höhlen von Ajanta, die, völlig von Buschwerk überwachsen, seit Jahrhunderten weitgehend unberührt geblieben waren. Andere Entdeckungen folgten. Heute weiß man, dass das gar nicht so gut war. Ajanta etwa war seit seiner Entdeckung weit über 100 Jahre unbewacht. Tiere drangen in die freigelegten Höhlen ein und vor allem Fledermäuse richteten großen Schaden an den Wandmalereien an. Schlimmer noch war der Mensch. Nomaden, Hirten aber auch frühe Touristen entzündeten Feuer, verschmierten und zerkratzten die Malereien. Als deren Wert bekannt wurde erschienen Teile der Ajanta-Fresken im europäischen Kunsthandel, so etwa 1922 in einer Versteigerung bei Sotheby´s. Noch schlimmer erging es den Höhlen von Bagh. Einst berühmt für ihre Malereien drang seit der Abholzung des Dickichts das Monsunwasser ungehindert von oben her durch den Fels in die Höhlen und zerstörte sie unaufhaltsam. Die Malereien sind heute völlig verschwunden und das Wasser verwandelt die gewaltigen Klosterhallen allmählich wieder zurück in Naturgrotten. Diese Hinweise auf eine auch heute noch fortschreitende Zerstörung sind ein ganz wichtiger Appell in Bernd Rosenheims Dokumentation über die frühen Grotten- und Höhlenheiligtümer des buddhistischen Indien, ein Appell, der hoffentlich gehört wird. Doch auch das, was erhalten blieb, erlaubt noch immer einen großartigen Einblick in die frühen Kunstäußerungen des Buddhismus. An erster Stelle ist das Ajanta, dieser weltberühmte Höhlenkomplex mit seinen Wandmalereien von höchsten künstlerischen und kulturhistorischen Wert, aus denen sich die Lebensweise, Spiritualität und materielle Kultur jener Epoche ablesen lässt. Aber das hat man schon gesehen. Weit aufregender, und hier liegt vor allem die Bedeutung dieses Buches, sind die nur wenig bekannten frühen Grotten, deren eine, die Grotte „Sita Marhi“ in Bihar der Autor selbst nach einer abenteuerlichen Suche im Jahre 1979 entdeckte. Diese Wohnhöhlen asketischer Einsiedler wurden, wie die Höhlen in den Barabar- und Nagarjumi-Hügeln, ebenfalls im Bundesstaat Bihar gelegen, möglicherweise schon während der Regierungszeit des Kaisers Ashoka (268-240 v.Chr.) in den Fels geschlagen und waren, entsprechend den Überzeugungen des Frühbuddhismus, wohl schmucklos. Doch schon wenig später entstanden im westlichen Deccan große Höhlentempel und ganze, in den Fels geschlagene Klosteranlagen mit reichem Figurenschmuck, perfekte Nachbildungen zeitgenössischer Holzarchitektur. In der monumentalen Anlage von Bedsa tragen Halbsäulen mächtige glockenförmige Kapitelle, auf deren Deckplatten vollplastische Tiere kauern: Pferde, Elefanten, Stiere und Sphinxen auf denen in heiterer Gelöstheit und überirdischer Seligkeit himmlische Wesen reiten. In den Gebets- und Klosterhöhlen von Bhaja, Kondane, Pitalkora und Junnar finden sich Reliefs, die zu den eindrucksvollsten Äußerungen buddhistischen Kunstschaffens gehören. Die Freiheit und Lockerheit dieser Darstellungen ist typisch für die Frühphase dieser Kunstentwicklung und ging später mit der Entwicklung einer immer strengeren Ikonographie verloren. In Junnar und Karli sieht man die schönsten Beispiele frühbuddhistischer Kunst, fröhlich lachende, reichgeschmückte, fürstliche Gestalten, die auf knieenden Elefanten sitzen, Gruppen von äußerster Bewegtheit und Lebendigkeit. Tiere und Menschen sind von praller Sinnlichkeit, die sich bei den breithüftigen und vollbusigen Frauen zu einem geradezu erotischen Reiz steigert. Mögen es Himmelsbewohner sein oder irdische Herrscher mit ihren Gemahlinnen, der Gedanke der hingebenden Verehrung Buddhas fand hier lebendigsten und schönsten Ausdruck. Bemerkenswert und ungewöhnlich an dem Buch ist, dass ein guter Teil der über 300 Illustrationen Zeichnungen und Skizzen aus der Hand des Autors sind. Das ist nicht nur lebendig und auflockernd, sondern ein Gewinn an Information. Die landschaftliche Situation der Monumente, vor allem aber die Besonderheiten und Höhepunkte mancher der Reliefs und Wandmalereien vermag ein pointierter Zeichenstift weit besser wiederzugeben als die besten Fotografien. Und schließlich werden von dem sonst als Maler und Bildhauer bekannten Autor im Rahmen der Erklärung der Kunstwerke so ganz nebenbei Szenen aus dem Leben Buddhas und die „Jatakas“, die reichen Vorgeburtslegenden erzählt, etwa vom Elefanten Shaddanta, der goldenen Gazelle und von Mahakapi dem Affenkönig. Ein sehr empfehlenswertes Buch über die wenig bekannte Welt des frühen Buddhismus.

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