Intimate Worlds – Indian Painting from the Alvin 0. Bellak Collection

Autor/en: Darielle Mason
Verlag: Philadelphia Museum of Art
Erschienen: Philadelphia 2001
Seiten: 216
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag (I.), Paperback (II.)
ISBN: 0-87633-147-9 (I.), 0-87633-146-0 (II.)
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2002

Besprechung:
Emil Preetorius (1883-1973) war einer der großen Sammler islamischer Miniaturen und sah in ihnen eine souveräne künstlerische Beherrschung von Thema, Medium und Technik. Die großen, meist anonymen Meister der islamischen Miniaturkunst vermochten es, so schreibt Preetorius, „Mensch und Tier, Blume, Baum und Fels, Berg, Wolke und Wasser, Haus und Tempel mit allem Zier- und Gitterwerk zusammenzubinden zu einem blühend-lebendigem Ornament, mit Linien und Farben und Formen und deren vielfältig kurvenreichen Überschneidungen zu schwingen und zu glänzen, aus Szenen des Kampfes, der Jagd und der Liebe, des Spiels und der Feste, aus den Geschichten von Heiligen und Engeln, Königen und Ungeheuern ein schimmernd rythmisches Gewebe zu wirken, einen tausendfältigen kostbaren Teppich vielgestaltigen Lebens en miniature.“ (Geheimnis des Sicht­baren, Aufsätze zur Kunst, München 1963). Alvin O. Bellak, ein erfolgreicher amerikanischer Psychologe, muß etwas von diesem tausendfältigem Gewebe gespürt haben als ihm im Jahre 1975 ein pakistanischer Teppichhändler die ersten indischen Miniaturen zeigte. Von diesem Spontankauf bis zur Schenkung einer herausragenden Sammlung indischer Malerei an das Philadelphia Museum of Art war es ein weiter Weg. In dem Ausstellungskatalog vom Frühjahr 2001 schildert der Sammler mit bemerkenswerter Offenheit die emotionalen Anfänge eines unwissenden Sammlers, das wahllose Anhäufen von Blättern, die beginnende Ahnung vom Wesen dieser Kunst, die befruchtenden Begegnungen mit Händlern, Sammlern und Wissenschaftlern und schließlich die Erkenntnis, daß Qualität vor Quantität geht. Der glückliche Erwerb eines Meisterwerkes ließ dann den Plan entstehen, eine repräsentative Sammlung aller Stile und Schulen indischer Miniaturmalerei vom 14. bis zum 19. Jahrhundert aufzubauen. Wer je systematisch gesammelt hat, auf welchem Gebiet das auch immer sein mag, weiß um die Unmöglichkeit eines solchen Zieles und kann Bellak verstehen, wenn er feststellt, daß nicht die Entdeckung von Desideraten sondern das Unerwartete die Norm in einem Sammlerleben darstellt. Aus diesem Unerwarteten, aus Gelegenheiten und Zufällen eine Sammlung zu formen ist Ehrgeiz und Antrieb des Sammlers. Marcel Duchamp hat das einmal so formuliert, daß der wahre Sammler selbst ein Künstler ist. So ist eine gute Sammlung stets mehr als die Summe der Sammlungstücke, eine Schöpfung für sich und Ausdruck der Persönlichkeit des Sammlers. Der Frage nach der Aufgabe des Sammlers folgt, wenn man die Sammlung selbst als Kunstwerk ansieht, konsequent die Frage nach dem Verbleib der Sammlung. Bellak hat auf diese Frage eine von mehreren möglichen Antworten gegeben: Er hat seine Samm­lung einem Museum übereignet, damit sich die Allgemeinheit an ihr erfreuen und aus ihr lernen kann. Die 88 indischen Malereien, ergänzt um zwei Leihgaben, bieten einen nahezu perfekten, in der Qualität der Einzelblätter kaum zu übertreffenden Überblick über die höfische Malerei aus kaiserli­chen und fürstlichen Ateliers. Die Entwicklung von der Spätzeit der Sultanate über die Blüte dieser Kunstform in der Mogul-Zeit bis zum späten 19. Jahrhundert, als die Malerei in Wettbewerb zur Fotografie tritt, ist an ausgesuchten Beispielen dargestellt. Die Unterschiede hinduistischer Malerei mit überwiegend religiösen Inhalten – Illustrationen zu Episoden aus dem Leben von Krishna oder Shiwa – und den mehr historisch-dokumentarischen Sujets muslimischer Miniaturmalerei werden deutlich, ebenso wie der vor allem seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr zu übersehende Einfluß Europas. Es sind nicht nur Stiche mit biblischen Themen, die von indischen Künstlern kopiert und nachempfunden werden, sondern es sind vor allem die botanischen Ansichtenwerke, die den Stil naturalistischer Pflanzendarstellungen als eines der Markenzeichen der Mogulkunst prägen. Miniatu­ren aus kaiserlichen Werkstätten sind ebenso vertreten wie Blätter aus den Fürstenhöfen von Rajasthan oder den nördlich gelegenen Panjab Hills. Das Ziel, das sich der Sammler Alvin O. Bellak gesetzt hat, ist mit dieser Kollektion also erreicht. Der schöne Katalog ist zugleich ein Handbuch indischer, Malerei und eine Hommage an das Sammeln. Die begleitenden Essays von drei führenden Wissenschaftlern schildern den Weg indischer Miniaturen von ihrer Entstehung (Das Verhältnis von Auftraggeber und Maler) über den Aufbau indischer Kollektionen bis hin zu den den großen Samm­lungen, die in Europa und Amerika im 20. Jahrhundert entstanden sind. Die Sammlung Preetorius ist nicht erwähnt. (- mb -)

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