From Kashmir to Kabul – the Photographs of John Burke and William Baker 1860-1900

Autor/en: Omar Khan
Verlag: Prestel Verlag und Mapin Publishing
Erschienen: München und Ahmedabad 2002
Seiten: 208
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: EUR 69,–
ISBN: 3-7913-2786-0 (Prestel)
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2002

Besprechung:
Man ist geneigt, Parallelen zu ziehen: Afghanistan, Kabul, der Krieg gegen den Terror und der Kampf um die Macht. Schon einmal, im neunzehnten Jahrhundert, stand Afghanistan und seine Hauptstadt Kabul im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, denn dort wurde damals das Great Game gespielt, jener teils reale, teils nur eingebildete Kampf der damaligen Weltmächte England und Russland um die Vorherrschaft in dem als strategisch wichtig erkannten Zentralasien. China, Tibet, die Türkei und Persien waren weitere Akteure in diesem globalen Spiel. The Great Game, das beinahe ein Jahrhundert währte, war ein imaginäres, schemenhaftes Konstrukt, ein psychologisches Drama staatlicher Identität und Verstellung, vollgepackt mit Vorurteilen, Argwohn und Spionage. The Great Game war aber auch Auslöser ganz realer Kriege in einer damals kaum bekannten Welt. Mindestens drei Afghanische Kriege wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geführt, und in der Auseinandersetzung mit russisch unterstützten afghanischen Kriegsherren sahen die britischen Truppen oft gar nicht glücklich aus. The Great Game war schließlich die Geburt der fotografischen Kriegsberichterstattung und Auslöser für die erstaunliche Karriere von zwei irischen Soldaten. John Burke und William Baker waren beide um 1850 als Soldaten der britischen Armee nach Indien gekommen, hatten dann den Militärdienst quittiert und sich zunächst in Peschawar, später in Murree als Fotografen niedergelassen. Lahore und Multan, die Grenzregion zwischen Britisch Indien und Afghanistan, das heutige Pakistan, und die „hill stations“, Murree zum Beispiel, aber auch Kaschmir mit dem schönen Srinagar, waren ihr Aktionsraum. John Burke, der jüngere von beiden, war der Fotograf des Great Game, und seine Aufnahmen von den exotischen Schauplätzen der afghanischen Kriege, von den bis an die Zähne bewaffneten Stammeskriegern und seine Portraits der damaligen afghanischen Kriegsherren sind einzigartige Dokumente sowohl der Geschichte wie der Fotografie. Es ist kein Wunder, dass die damals gerade als ausgefallene Liebhaberei in Mode gekommene Fotografie sich auf dem indischen Subkontinent rasch zu einem wichtigen Medium entwickelte. Die Lichtfülle Indiens erleichterte die Handhabung der noch komplizierten und umständlichen Fototechnik und ermöglichte mit kürzeren Belichtungszeiten Aufnahmen, an die im nebelverhangenen Brittannien nicht zu denken war. So waren denn auch Baker und Burke, weit mehr noch als der damals schon etablierte Samuel Bourne, Begründer eines modernen Fotojournalismus, und es sind nicht nur die Bilder aus dem Krieg, sondern die lebendigen Fotos zentralasiatischer Händler, reicher Hindus aus Peschawar, martialischer Polizisten aus Kabul, Fotos von Arbeitern, Sklaven und Bettlern, von Musikanten, Fakiren und Tänzerinnen, von Prinzen, Ministern, Dienern und Landarbeitern, die ein kaleidoskopisch buntes und reiches Bild jener Zeit im Nordwesten des indischen Subkontinents vermitteln.Das Erscheinen eines solchen Buches ist keineswegs selbstverständlich, denn diese frühen fotografischen Arbeiten gerieten in Vergessenheit und blieben nahezu ein Jahrhundert vollkommen unbeachtet. Zehn Jahre intensiver Forschung im heutigen Pakistan und in zahllosen westlichen Archiven haben schließlich diese Publikation von 124 bemerkenswerten Aufnahmen von William Baker und John Burke möglich gemacht. Anzumerken ist noch, dass hier nicht nur sehenswerte Fotos von exotischen Sujets zusammengestellt und aneinandergereiht wurden, sondern dass sie mit einem ausführlichen einleitenden Text in einen historischen Zusammenhang gebracht sind, und dass jedes einzelne Bild mit einem erläuternden Kommentar versehen ist, der tief in das koloniale, gesellschaftliche Leben Britisch Indiens hineinführt. From Kashmir to Kabul ist ein glänzend gemachtes, faszinierendes Dokument früher Fotografie aus einer damals wie heute weltpolitisch wichtigen Region. (- mb-)

Print Friendly, PDF & Email