The Arts of Kutch

Autor/en: Christopher W. London
Verlag: Marg Publication
Erschienen: Mumbai/Indien 2000
Seiten: 148
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 60.–
ISBN: 81-85026-48-3
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Wer sich mit dem Schiff von Karachi nach Bombay begibt, wird etwa auf halbem Wege am Golf von Kutsch vorübersegeln. Der kleine fruchtbare Landstrich, der diesem Golf seinen Namen gegeben hat ist vom übrigen Indien durch ausgedehnte Sumpf- und Wüstengebiete nahezu abgeschnitten. Diese Isoliertheit und die Lage am Meer haben in Kutsch, das heute zum indischen Bundesstaat Gujarat gehört, einen ungewöhnlichen und unverwechselbaren Stil in Kunst und Kunsthandwerk entstehen lassen. Die Kunst von Kutsch ist inspiriert von den alten Zivilisationen des Indus-Tals und den nomadischen Kulturen der Wüste Thar, vor allem aber geprägt durch die vielfältigen fremden Einflüsse, die über das Meer kamen, aus Afrika, aus Arabien und aus dem fernen Westen. So finden sich in Kutsch die frühesten Zeugnisse muslimischer Architektur auf dem Subkontinent, geschaffen von arabischen oder nordafrikanischen Händlern, die im 12. Jahrhundert hier ihre ersten Handelsniederlassungen gründeten, lange bevor sich die ersten muslimischen Königreiche in den Sultanaten Nordindiens formten. Die Moscheen von Bhadreshwar sind ein einzigartiges, frühes Baudenkmal und sie sind ein Beweis dafür, daß unterschiedliche Kulturen und Religionen sehr wohl Seite an Seite leben und sich gegenseitig beeinflussen und befruchten können. Einige hundert Jahre später, Kutsch war inzwischen ein kleiner Fürstenstaat im Schatten des Reiches des Mogul-Kaiser, war es wieder der Lage am Meer zu danken, daß indische Pracht und europäisches Kunsthandwerk zu einer harmonischen Synthese fanden. Das Schiff von Ramsingh Malam, einem Seefahrer aus Kutsch, geriet auf der Überfahrt nach Afrika in Seenot. Ramsingh wurde von einem holländischen Kauffahrer gerettet und gelangte nach Holland, wo er siebzehn Jahre blieb. Er studierte dort Architektur und lernte die Handwerke des Uhrmaches, Steinschneiders und Geschützmachers, lernte wie man Glas, Fliesen, Spiegel und Kanonen herstellt. Als Ramsingh etwa Mitte des 18. Jahrhunderts nach Kutsch zurückkehrte wurde er von dem kunstsinnigen Fürsten Maharao Lakhpatji (1706 – 1761) mit Bau und Ausstattung seines Palastes beauftragt. Es entstanden Glas- und Keramikmanufakturen nach europäischen Vorbild und entstand der indoeuropäische Palast Aina Mahal. Lakhpatji war so beeindruckt, daß er Ramsingh zwei weitere Male nach Europa schickte und mit ihm gleich noch hunderte von Handwerkern aus Kutsch. Diese Kombination eines visionären fürstlichen Mäzenatentums und Ramsinghs Fähigkeiten, europäische und indische Handwerkskunst zu vereinen, schufen ein einzigartiges Erbe für Generationen nachfolgender Künstler und Handwerker. Musik, Literatur und Malerei von Kutsch wurden entscheidend geprägt ebenso wie kunsthandwerkliche Arbeiten aus Holz, Glas oder Silber. The Arts of Kutch behandelt in zehn Beiträgen indischer, englischer und amerikanischer Fachwissenschaftler alle Aspekte dieser Kunst von Kutsch. Dabei mögen die farbenfrohen und usprünglichen Textilien, Webarbeiten und Stikereien, gefärbt und bedruckt, aus Seide und Baumwolle, verziert mit Spiegeln und Goldfäden, noch das bekannteste Produkt dieser entlegenen Region sein. Floral verziertes Tafelsilber für den europäischen Markt des 19. Jahrhunderts, Holzarbeiten, die unverkennbar Einflüsse aus Afghanistan, Swat und Zentralasien zeigen oder eine zweifellos von Europa inspirierte, naturalistische Landschaftsmalerei, die Schule von Kutsch, bilden Schwerpunkte in diesem Sammelband. Im Zentrum aber steht die vielfältige und ungewöhnliche Architektur, eine Frucht der Isolation vom Festland und der Offenheit für fremde kulturelle Einflüsse. Der Bogen spannt sich von den Schiwa-Tempeln aus Karakot und Kotai, einer Symphonie aus Stein und Skulptur aus dem 9. und 10. Jahrhunderts, bis zu den den kolossalen Prachtbauten eines Henry St. Clair Wilkins im 19. Jahrhundert, viktorianische Gotik in reinster Form. Ein Jahrtausend künstlerischer Entwicklung auf dem Subkontinent wird vor uns ausgebreitet. (-mb-)

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