Byzantium and Islam – Age of Transition, 7th – 9th Century

Autor/en: Helen C. Evans, Brandie Ratcliff (Hrsg)
Verlag: The Metropolitan Museum of Art – Yale University Press
Erschienen: New York – New Haven – London 2012
Seiten: XX, 352
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: USD 65,00
ISBN: 978-0-17950-7 (Verlagsausgabe)
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2012

Besprechung:
Im Jahre 570 oder 571 wurde der Prophet Mohammed in Mekka geboren. Zur selben Zeit hatte das oströmische Reich unter Kaiser Justinian I seine größte Ausdehnung von Gibraltar bis an die Grenzen Arabiens. Die Lage seiner Hauptstadt Konstantinopel am Bosporus, noch in Europa aber schon an der Schwelle zu Asien, ist bezeichnend. Das Byzantinische Reich war fest in Europa und in den Traditionen des griechischen und römischen Altertums verankert und doch eine Brücke zum Orient. Viel mehr noch: mit dem östlichen Mittelmeer, mit Kleinasien, und Nordafrika war der Nahe Orient ein wesentlicher Bestandteil dieses Reiches und hat dessen Kunst und Kultur beeinflusst, wenn nicht gar geprägt. Die wohlhabenden südlichen Provinzen des Reiches, vor allem Syrien und Ägypten waren das politische und spirituelle Herz des von Konstantinopel regierten byzantinischen Reiches, und die sich von dort in den Osten bis nach Indien und China erstreckenden Handelswege sicherten den Nachschub von kostbaren Materialien, die eine Schlüsselrolle in der Wirtschaft des byzantinischen Staates bildeten. Seide, Gold und Silber, Elfenbein, kostbare Steine und deren kunstvolle Verarbeitung waren wichtige Zeichen für Status und Macht im weltlichen und im sakralen Bereich. Luxusgegenstände und Luxuskunst hatten soziale und kulturelle Funktion und waren Ausdruck politischer Autorität und spiritueller Kraft. Sie werden heute als glanzvolle Zeugen einer untergegangenen Zeit bewundert und geschätzt. Doch schon 100 Jahre nach Mohammeds Geburt war Byzanz nur noch ein Torso. Die reichen südlichen Provinzen waren verloren und spätestens im 8. Jahrhundert hatten die Araber ein Reich erobert, das sich vom Atlantik bis an die Grenzen von China und Indien erstreckte. Doch diese erstaunliche Ausbreitung des Islam binnen einhundert Jahren nach Mohammeds Tod hat erstaunlicherweise in der materiellen Kultur kaum Spuren hinterlassen. Was sich politisch als ein dunkles Zeitalter für Byzanz darstellt, war in kultureller und kunsthistorischer Hinsicht eine Zeit des Übergangs. Dieser Zeit vom 7. bis zum 9. Jahrhundert, der fruchtvollen Begegnung von Byzanz mit dem Islam, war eine Ausstellung des Metropolitan Museum of Art in New York gewidmet, die durch einen großartigen Katalog erlebbar bleibt und eine ganz neue Sicht auf die Frühzeit der materiellen Kultur des Islam wirft. Die Objekte – fast 200 Exponate aus Dutzenden von Museen und Sammlungen aus 15 Ländern – und die Beschreibungen und Essays von 44 mitwirkenden Wissenschaftlern gliedern sich in drei große Themenbereiche, das christliche Byzanz in der Zeit des Übergangs, Glanz und Pracht byzantinischer Kunst und Kultur und schließlich Glaube, Religion und materielle Kultur des frühen Islam. All dies gipfelt in der Feststellung, dass die überkommene These, die Ankunft des Islam sei der Untergang des abendländischen Altertums gewesen, falsch ist. Zwar hatte dessen allmählicher Niedergang schon Jahrhunderte früher begonnen, doch was davon, vor allem im Byzantinischen Reich noch vorhanden war, wurde langsam in die islamische Kunst und Architektur integriert und hat wesentlich zur Ausformung der frühislamischen Kultur beigetragen. Breit vorgetragene Beispiele hierfür sind die umayyadischen Wüstenschlösser mit ihrem plastischen und in Wandmalerei ausgeführten Figurenschmuck, ein Ergebnis der ersten Begegnung des Islam mit der byzantinischen Kultur, das an römische Landgüter denken lässt, und – nicht zuletzt – der Felsendom in Jerusalem mit seiner einzigartigen Form, Ikonographie und Ausstattung. Auch die ersten Generationen islamischer Keramik ebenso wie frühe Glas- und Metallarbeiten und Mosaiken an Wand und Boden unterscheiden sich kaum oder gar nicht von dem, was zuvor unter der Ägide christlicher und jüdischer Gemeinschaften geschaffen wurde. Bei der Herstellung luxuriöser Seidenstoffe ist die Fortführung byzantinischer Muster in Produktionsstätten, die nicht länger zu Byzanz gehörten, eine mittlerweile auch archäologisch nachgewiesene Tatsache. Die Verbreitung des Islam mit „Feuer und Schwert“ hat Handel und Handwerk wenig berührt und auch die christlichen und jüdischen Gemeinschaften konnten in der frühen islamischen Jahrhunderten fast ohne Einschränkung weiter bestehen. Pilgerreisen zu heiligen Orten fanden nach wie vor statt, und lokale Regierungen funktionierten wie zuvor, auch wenn nun arabisch gesprochen wurde. Erst im Laufe des 8. bis ins 9. Jahrhundert war die Arabisierung nicht mehr aufzuhalten, die christliche und jüdische Bevölkerung nahm stark ab, der byzantinische Einfluss wurde schwächer und der Übergang war vollzogen. Es hatte jedoch eine überraschende gegenseitige Befruchtung stattgefunden, so dass Kunst und Architektur des frühen Islam Teil der Kunst des späten Altertums sind. Man mag diesen sorgfältig und überzeugend vorgetragenen und dokumentierten Thesen bejahend oder auch skeptisch gegenüberstehen – das Material, das in mehrjähriger Arbeit zusammengetragen und in dem prächtigen Katalog auf 425 Farbtafeln präsentiert wird, ist umwerfend. Nur einige wenige Beispiele können hier erwähnt werden. Sie stehen für ein Kompendium spätantiker und frühislamischer Kunst, das in dieser Qualität und Zusammenstellung einzigartig ist. Ikonen und Manuskripte des 7. bis 9. Jahrhunderts aus dem Katharinenkloster des Sinai sind ein Beleg für den Respekt, den die muslimischen Eroberer den heiligen christlichen Stätten entgegenbrachten. Eine perfekte koptische Wirkarbeit des 8. Jh. zeigt den byzantinischen Kaiser Heraklius hoch zu Ross (V&A) und das Leben Davids wird auf großen, gewiss für den Hof in Konstantinopel gefertigten Silberplatten des 7. Jh. dargestellt (MMA). Mosaikfragmente des 6. Jh. kommen aus dem Brooklyn Museum und die Kopenhagener David Collection glänzt mit einem Aquamanile in Form eines Adlers. Seidenfragmente des 6./7. Jahrhunderts, die Samson mit dem Löwen zeigen, reisten aus Dumbarton Oaks und aus Cluny nach New York, während das Athener Benaki-Museum ein prächtiges Holztor, wohl aus einem umayyadischen Palast beisteuerte. 14 Elfenbeinreliefs des späten 16. oder frühen 17. Jahrhunderts, die einst wohl einen kaiserlichen byzantinischen Thron verziert haben (V&A) und zwei Seiten des berühmten blauen Koran (9./10. Jh. – Los Angeles und Brooklyn), markieren Anfang und Ende dieses spannenden „Age of Transition“.

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