Indian Ikat Textiles

Autor/en: Rosemary Crill
Verlag: Victoria and Albert Publications
Erschienen: London 1998
Seiten: 176
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: .– engl.Pfund
ISBN: 1n 85177 242 1, 35
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Ikats. Gewebe, die die faszinierende ästhetische Wirkung ihrer Farbmuster aus dem Umstand beziehen, daß das Webgarn noch vor dem Weben in zahlreichen Arbeitsgängen in Reservetechnik gefärbt wird, haben eine lange historische Tradition in vielen Ländern. China, Zentralasien, Südamerika, Indonesien und Indien mögen hier die wichtigsten Produktioszentren sein, aber auch aus Westafrika, aus dem Yemen, aus Japan, Madagaskar und schließlich aus Europa sind Ikats bekannt. Wo die Wurzeln dieser komplizierten Färbe- und Webtechnik liegen ist offen und wird wohl auch immer offen bleiben, vermutlich wurde diese Fertigkeit parallel und unabhängig in bedeutenden, frühen Webzentren entwickelt. Indien mit seiner unglaublich reichen Textilkultur, deren wichtigste Grundlage seit jeher die Färbetechniken waren, muß jedenfalls als eine der ganz frühen Stätten der Ikatweberei angesehen werden. Frühe buddhistische Wandmalereien aus dem 5. Jahrhundert in Ajanta/Deccan, die solche Ikats zeigen, sind hierfür Beweis ebenso wie die technische und ästhetische Vielfalt und Vollkommenheit der erhalten gebliebenen indischen Ikats aus späterer Zeit. Das Victoria & Albert Museum in London besitzt eine jedenfalls in Europa unübertroffene Sammlung dieser Ikats, mit der allenfalls die Bestände der ehemals königlichen Sammlung im Stadtpalast von Jaipur und die Sammlung des Calico Museums in Ahmedabad konkurrieren können. Die Sammlung das V&A weist die Besonderheit auf, daß die Herkunft sehr vieler Stücke bereits beim Erwerb, überwiegend im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts, genau aufgezeichnet wurde, so daß sich hier die einzigen zuverlässigen Zeugnisse beispielsweise für kleinere, längst vergessene Produktionszentren finden. Das sorgfältig und kenntnisreich geschriebene, reichhaltig illustrierte Buch der Kuratorin für Indien und Südostasien am V&A, Rosemary Crill, ist daher trotz der nicht gerade seltenen Literatur über indische Textilien, über Saris etwa und auch über Ikats, ein echter Markstein der Literatur zu diesem Thema. Der Schwerpunkt liegt, wie könnte es anders sein, bei den berühmten Patolas, den prächtigen seidenen Doppelikats aus Patan/Gujarat. Kein anderer Ikat-Typ erfordert eine solche Präzision in der Planung des Musters, beim wiederholten Färben der Schuß- und Kettfäden mit mindestens drei Farben und schließlich beim Weben. Nur mit peinlichster Sorgfalt und Genauigkeit kann es gelingen, das in den vorgefärbten Kett- und Schußfäden angelegte Muster im fertigen Gewebe zum Vorschein zu bringen. Es kommt hinzu, daß die Verschwommenheit der Umrisse, eigentlich ein Ikat-typisches Merkmal, die beispielsweise bei Iktas aus Orissa, aus Andhra Pradesch und auch bei zentralasiatischen Ikats ein durchaus erwünschter und positiver Effekt ist, bei den Ikat-Webern von Patan inakzeptabel war und ist. So werden selbst am fertigen Patola noch auf dem Webstuhl mit feinen Stahlnadeln letzte Korrekturen vorgenommen um ein exekte Umrißlinie der Darstellung zu erreichen. Dies wird im Buch in Wort und Bild ebenso dargestellt wie die Vielfalt, vor allem aber der Variationsreichtum der Muster, je nachdem, ob sie für den eigenen Gebrauch oder für den Export gewebt wurden. Besondere Bedeutung hatte der Export dieser komplizierten und kostbaren Patolas nach Südostasien, wo sie seit Jahrhunderten als Objekte heiliger Verehrung und als Requsiten besonderer Rituale bei Geburt, Hochzeit und Tod geschätzt und bis heute bewahrt und erhalten blieben. Einzigartige seidene Doppelikats mit kompliziertesten geometrischen und floralen Mustern sind aus dieser Region überliefert, vor allem aber solche mit der Darstellung von Tieren, von Tigern und Elefanten. Ein großer Patola mit vier monumentalen Elefanten, umgeben von zahlreichen weiteren Tier- und Menschengestalten sei hier als ein extrem seltenes Beispiel für rituelle Exportarbeiten der Weber aus Patan genannt, ein heiliges Erbstück der Bewohner der südostasiatischen Inseln Flores und Timor. Er erinnert in seiner expressiven Kraft an die „Schiffstücher“ des südlichen Sumatra, Parallelen, die sich angesichts der engen Handelsbeziehungen der indischen und südostasiatischen Staaten in historischer Zeit aufdrängen. Außer Gujarat und dem Ikat-Zentrum Patan, heute wieder Hauptort indischer Ikat-Produktion, werden die Ikats der südindischen Provinzen Tamil Nadu, Karnataka und Andhra Pradesch – das ist das alte Deccan – behandelt, sowie das wichtige Produktionszentrum in der indischen Ostprovinz Orissa. Ein separates Kapitel des Buches ist schließlich den „Maschrus“ gewidmet, Textilien, meist mit Streifenmustern, Baumwollkette und Seidenschuß, in Satintechnik gewebt. Häufig wurde der Schußfaden vor dem Weben in Reservetechnik gefärbt, so daß diese Maschrus zugleich echte Ikats sind. Verwendet wurden sie als Futterstoffe oder Rückseiten von Wandbehängen, als Pferdedecken oder, in kostbarer Ausführung, oft mit Metallbroschierung, für fürstliche Gewänder. Maschrus wurden – und werden – in ganz Indien gefertigt, haben ihren Ursprung in der engen Beziehung des frühen Deccan mit dem osmanischen Reich und hatten, nach heutigem Kenntnisstand, ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert. Das häufigste Muster dieser Maschrus, das „Pfeilspitzenmotiv“ finden wir aber bereits auf der Robe eines indischen Fürsten auf einer Miniatur des 17. Jahrhunderts. Indian Ikat Textiles ist ein Stück Standardliteratur und für den Liebhaber und Sammler asiatischer Textilien unentbehrlich. (- mb -)

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