The Shahnama of Shah Tahmasp – The Persian Book of Kings

Autor/en: Sheila R. Canby
Verlag: The Metropolitan Museum of Art and Yale University Press
Erschienen: New York, New Haven and London 2014
Seiten: 360
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 75,00
ISBN: 978-0-300-19454-8 (Yale)
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2014

Besprechung:
Man sollte es nicht für möglich halten! Das ohne Zweifel schönste und prächtigste aller mit Miniaturen versehenen persischen Manuskripte – wenn man bei einem Format von ca. 47×32 cm noch von Miniaturen sprechen kann -, das für Shah Tahmasp (1514-1576) im Verlauf von 15 Jahren durch die begabtesten Maler, Kalligraphen, Illuminatoren, Vergolder und Buchbinder hergestellte Exemplar des „Shahname“, des persischen Buchs der Könige aus der Feder des berühmten Poeten Firdausi – vielleicht das schönste Buch aller Zeiten – hat sich bis zum Jahre 1972 komplett und vollständig intakt erhalten, bis es von einem Sammler, Kunstmäzen und Philantropen zerstört, verschenkt und verkauft und die Minaturen in aller Welt verstreut wurden. Bis zum Jahre 1903 wurde diese Kostbarkeit als Geschenk von Shah Tahmasp an Sultan Selim II in der Sultansbibliothek des Osmanischen Reiches in Konstantinopel verwahrt, wurde dann von Baron Edmond de Rothschild erworben, der sie schließlich im Jahre 1959 an Arthur A. Houghton, einen Sproß der prominenten Gründerfamilie der Corning Glass Works verkaufte. Houghton, Sammler seltener Bücher und bekannt für seine unermüdliche Förderung von Kunst und Kultur, deponierte diesen Schatz zunächst in der Harvard University Library, zog ihn dort aber wieder ab und schenkte eine Auswahl von 78 Miniaturen 1972 an das Metropolitan Museum of Art in New York. Die Zerstörung hatte begonnen. Zwischen 1972 und 1996 wurden die restlichen 180 Miniaturen, zunächst von Houghton selbst und nach seinem Tod (1990) von seinen Erben einzeln oder in Lots verkauft oder gegen andere Objekte getauscht. Der letzte Rest kam 1996 bei Sotheby´s unter den Hammer und ein kundiger Kommentator wertete dieses Ereignis zwar als einen großen Tag für Sotheby´s aber als ein schlimmes Fanal für die Erhaltung von Kulturdenkmälern. Das 1981 von der Harvard University Press in zwei Bänden und nur 750 Exemplaren gedruckte Faksimile des Shahname, längst vergriffen und nur selten und natürlich sehr teuer in Antiquariatsbuchhandel zu finden, kann die von Bibliophilen bis heute unverstandene und ruchlose Tat des Sammlers Houghton natürlich nicht rechtfertigen. Von all dem ist in der neuen, vom Metropolitan Museum of Art in New York veranstalteten und von Sheila Canby kommentierten Ausgabe des Shahname nichts zu lesen. Das Buch ist vielmehr eine sorgfältig gemachte, in vorzüglicher Qualität gedruckte, wenn auch gegenüber dem Original auf etwa zwei Drittel verkleinerte Rekonstruktion des Originals, gleichwohl noch in großem Format und prächtig vergoldeten Leinenband. Zwei Essays von Sheila R. Canby, seit dem Jahre 2009 Chef-Kuratorin für Islamische Kunst am MMA und die wohl beste Kennerin safawidischer Kunst, ein alphabetisch geordnetes Bildlexikon der in den Miniaturen abgebildeten wichtigsten historischen und mythischen Personen von Afrasiyab bis Zangula und natürlich ein Anhang mit den bibliographischen Angaben vor allem über die derzeitigen etwa zwei Dutzend verschiedene Standorte in Amerika, Europa und dem Nahen Osten jeder einzelnen der insgesamt 258 Miniaturen, bilden das wissenschaftliche Rüstzeug für die Beschäftigung und die ästhetische Freude mit dem Bildteil und für das bessere Verständnis von Stil und Inhalt der Miniaturen. Im Vorwort würdigt die Autorin zunächst die literarische Bedeutung des von Persiens bedeutendsten Dichter Abu l´Qasim Firdausi vor 1000 Jahren vollendeten Shahname, des Buches der Könige. Es ist mit weit über 50.000 Versen das weltgrößte Epos eines einzelnen Dichters und es erzählt die Geschichte Persiens von den mythischen Anfängen in prähistorischer Zeit bis zum Ende des sasanidischen Reiches im Jahre 642. Es sind Geschichten von Liebe und Krieg, von Königen, Helden, Monstern, Dämonen und Höflingen, geschildert in einer Lebendigkeit und Dramatik, die das Shahname, ähnlich dem indischen Mahabharata zum persischen Nationalepos schlechthin machen und das heute so präsent und lebendig ist, wie vor 1000 Jahren. Das Shahname ist zugleich ein Denkmal für die Wiedergeburt der persischen Sprache nach der Arabisierung in Folge der Ausbreitung des Islam. Seit dem späten 13. Jahrhundert, vor allem unter den Ilkhaniden mongolischer Herkunft erschien das Shahname zunehmend in illustrierten Ausgaben, was im späten 15. Jahrhundert in Shiraz zu einer fast schon kommerziellen Produktion führte. Dies und die Kunstsinnigkeit des timuridischen Hofes waren das Umfeld für den Beginn eines Vorhabens, aus dem das großartigste Werk persischer Buchkunst und Malerei werden sollte. Von 1522 – Prinz Tahmasp war damals 8 Jahre alt und sollte schon zwei Jahre später am Alter von 10 Jahren zum Shah von Persien werden – bis 1537 war ein Team von mindestens 15 zum Teil namentlich bekannten Malern und einer Gruppe von Illuminatoren, Kalligraphen, Vergoldern, Papiermachern und Buchbindern tätig, bis Shah Tahmasp als 23jähriger das fertige Werk inHänden halten konnte. Mit ihrem zentralen Essay entführt uns die Autorin dann ganz in die materielle Welt von Shah Tahmasp, indem sie uns auf die in die in den Miniaturen dargestellten und von Handwerkern geschaffenen Objekte aufmerksam macht und diese ähnlichen Objekten gegenüberstellt, wie sie sich bis heute in den großen Museen dieser Welt und in bedeutenden Privatsammlungen erhalten haben. Es sind Details, Kleinigkeiten, die man bei normaler Betrachtung der Bilder leicht übersieht, die hier in Detailansichten wiedergegeben und identifiziert, mit tatsächlich erhaltenen Exemplaren verglichen und von der Autorin in den gesellschaftlichen Kontext des frühen safawidischen Persien gestellt werden. So sind Flaschen, Kannen und andere Gefäße aus Gold, Silber, oft inkrustiert mit edlen Steinen, ja sogar chinesisches Porzellan ein Ausdruck für höfisches Feiern und Feste und auch für den Konsum von Alkohol. Weihrauchbrenner, Kerzenständer und Lampen, Wasserspeiher, Musikinstrumente, Waffen und Rüstungen, Standarten, Werkzeuge und Schreibgerät erzählen über das tägliche Leben, über Handwerk und Kriegsführung und die Entspannung bei Jagd und Fischfang oder in Palast und Garten, und sie lehren eine ganz neue und intensive Art, die Miniaturen zu sehen und zu erforschen. Ausgeklammert ist allein das schier unendliche Gebiet von Textilien, Kostümen, Teppichen und Zeltdekorationen, die in den Miniaturen wiedergegeben werden und die eine eigene Publikation wohl wert wären. Mit oder ohne die traurige Geschichte des Originals: Mit der neuen Ausgabe des Shahname des Schah Tahmasp kann nun eines der schönsten Bücher der Welt für einen angemessenen Preis in die Bibliothek gestellt werden.

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