Die Weihrauchstrasse

Autor/en: Joachim Willeitner
Verlag: Philipp von Zabern
Erschienen: Darmstadt und Mainz 2013
Seiten: 160
Ausgabe: Hardcover
Preis: € 24,99
ISBN: 978-3- 8053-4680-1
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2013

Besprechung:
Es muss ein glückliches Land sein, wo auf Bäumen wächst, was anderswo mit Gold aufgewogen wird. „Arabia felix“ nannten die Römer daher die ferne, am Rande der bekannten Welt gelegene Region, aus der das für die Götterverehrung und alle kultischen Handlungen unentbehrliche, kostbare und so wohlriechende Harz unter großem Aufwand herbeigeschafft wurde. 1500 Tonnen dieses Produkts des nur im Süden der arabischen Halbinsel beheimateten Strauchs mit dem lateinischen Namen boswellia sacra soll um die Zeitenwende jedes Jahr alleine das Römische Reich abgenommen haben. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor also, und so ist die so genannte Weihrauchstrasse von Südarabien bis zum Mittelmeer eine der wichtigsten und ältesten Handelsrouten der Welt – und eine der schwierigsten noch dazu, führt doch der über 3000 Kilometer lange Weg durch schroffe Gebirge, durch von räuberischen Nomadenstämmen verunsicherte Regionen und vor allem durch die größte und trockenste Sandwüste auf diesem Planteten, die Rub al-Chali. An diesen Schwierigkeiten ist auch der militärische Versuch des römischen Kaisers Augustus gescheitert, dieses lukrative Geschäft mit dem Weihrauch unter römische Kontrolle zu bringen. So blieb Südarabien bis in die jüngste Zeit weitgehend eine terra incognita. Erst Erdöl, Erdgas und Terrorismus haben in jüngster Zeit die arabische Halbinsel in den Focus des Weltinteresses gerückt und so auch der antiken Weihrauchstrasse neue Aufmerksamkeit gebracht. Das Buch des Ägyptologen Joachim Willeitner über die Weihrauchstrasse ist eine bewundernswerte Zusammenfassung der politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten und Entwicklungen des südarabischen Raumes, wie sie sich derzeit aus historischen Quellen und archäologischen Erkenntnissen erschließen. Erfasst ist in etwa die Zeitspanne des letzten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung. Sie beginnt mit der Domestizierung des Dromedars, die erst den Karawanentransport von Weihrauch durch die Wüste möglich gemacht hat und endet um die Zeitenwende als der Seetransport im Roten Meer die preiswertere und schnellere Alternative zum „Wüstenschiff“ geworden war. Zuvor waren die Karawanen etwa drei Monate unterwegs, um ihre kostbare Fracht von den Küstenregionen des südlichen Arabien nach Gaza oder Damaskus, den Zielorten der Weihrauchstrasse zu bringen. Die bevorzugten Handelsartikel, allen voran das begehrte aromatische Harz aber auch Gewürze, Textilien und edle Steine aus Indien, waren hochwillkommen, doch Informationen über die fernen Herkunftsländer blieben spärlich und nebelhaft. Allein die Legenden um das Königreich Saba, um dessen Königin und ihren Besuch bei König Salomon in Jerusalem und Mythen um den sagenhaften Reichtum Südarabiens, blieben im Geschichtsbewusstsein einigermaßen präsent. Kaum bekannt ist dagegen, dass sich im Süden der arabischen Halbinsel auf einer Länge von etwa 450 Kilometern in einer schmalen, parallel der Küste verlaufenden Gebirgszone, dem so genannten Weihrauchgürtel, neben den Sabäern ein halbes Dutzend kleinerer und größerer Stadt- und Karawanenstaaten um die Macht und den Zugang zu den Handelswegen bewarben und stritten. Erst durch archäologische Entdeckungen und historisches Quellenstudium wurde das nach und nach bekannt und ist nun in Willeitners Buch nachzulesen. Die Königreiche Hadramaut, Ausan und Qataban, das schon zitierte Reich der Sabäer, der kleinere Karawanenstaat der Minaier und die Reiche von Axum und Himyar, ihr Kommen und Gehen und ihre Spuren in der Geschichte Südarabiens bilden ein historisches Puzzle, dessen Teile sich aus den Quellen alter Geschichtsschreibung und archäologischen Erkenntnissen zusammensetzen. Ebenso interessant und nicht weniger vielfältig ist der Verlauf der Weihrauchstrasse von ihrem Ausgangspunkt Schabwa im Königreich Hadramaut bis ans Mittelmeer, natürlich keine Strasse im herkömmlichen Sinne, sondern ein Netz von Karawanenrouten, das von Wasserstellen, Oasen und Gebirgsübergängen bestimmt war. Wir lesen von dem kultischen Zentrum Makoraba, dem späteren Mekka, wo schon seit unvordenklichen Zeiten ein schwarzer Meteor verehrt wurde, von Yathrib, dem späteren Medina und von den Oasen Nadschran, Qaryat al-Faw, Gerrha und Tayma, bis schließlich das Reich der Nabatäer im heutigen Jordanien und die nur durch die enge Schlucht des Siq zugängliche nabatäische Hauptstadt Petra mit ihren attraktiven Felsentempeln und dem Schatzhaus des Pharao erreicht ist. Gaza und Damaskus als Endpunkte der Weihrauchkarawanen sind nun nicht mehr weit. Mit dem Vordringen des Christentums auf der arabischen Halbinsel und der schließlichen Islamisierung des gesamten geographischen Raumes der ehemaligen Weihrauchstrasse klingt ein hoch interessantes, informatives und kenntnisreich geschriebenes Buch über einen der traditionsreichsten Handelswege der Menschheitsgeschichte aus.

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