Glanz und Substanz – Metallarbeiten in der Sammlung des Museums für Islamische Kunst

Autor/en: Almut von Gladiß
Verlag: Staatliche Museen zu Berlin und Edition Minerva
Erschienen: Berlin und Neu-Isenburg 2012
Seiten: 144
Ausgabe: Broschur
Preis: € 24,80
ISBN: 978-3-943964-07-3
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2013

Besprechung:
Die Chinesen hatten das Porzellan und seine Vorläufer. Metall verwendeten sie sparsam und vorwiegend für Kultgefäße. In Europa war das etwas differenzierter, Keramik und Fayence dominierten, nur für Kaiser und Kirche war Bronze angesagt. Aber nirgendwo besaßen Metallarbeiten einen so hohen Stellenwert wie in der islamischen Welt der Mittelalters. Neben kostbarer Seide und Teppichen war Metall das bevorzugte Medium, um Reichtum, Luxus und Schönheit zu demonstrieren, sei es in der Hofhaltung von Königen und Fürsten, im Haushalt reicher Kaufherren oder in der Aussteuer ihrer schönen Töchter. Gold und Silber sind hier natürlich zu nennen, doch die Rede ist vor allem von Gebrauchsgegenständen, von Kannen, Becken und anderen Gefäßen, von Lampen, Leuchtern und Tabletts, von Tellern und Platten aus Bronze oder Messing, dekoriert und verziert von islamischen Metallhandwerkern in innovativster Technik und konkurrenzloser Perfektion. Monographien über islamische Metallarbeiten sind rar und so ist ein Band zu diesem Thema in der Reihe der „Sammlungen des Museums für Islamische Kunst Berlin“ mit Spannung zu begrüßen. Mit 84 abgebildeten und beschriebenen Gegenständen von den insgesamt ca. 13.000 Objekten des in Berlin befindlichen Sammlungskonvoluts Metall, ist diese Publikation natürlich kein Bestandskatalog und will es auch nicht sein. Sie ist vielmehr ein mit Beispielen aus der Weltgeltung besitzenden Berliner Sammlung belegtes Kompendium früher islamischer Metallkunst, wie es besser nicht sein kann. Zu danken ist dies der Autorin, Almut von Gladiß, langjähriger Kuratorin des Berliner Museums für Islamische Kunst. Almut von Gladiß hat über viele Bereiche islamischer Kunst, etwa über Kalligraphie und Miniaturen oder über spanisch-islamische Kunst gearbeitet und publiziert, ihr eigentliches Spezialgebiet aber waren immer die Metallobjekte. Und so legt uns die Autorin eine vollständige, kompetent und mit leichter Hand geschriebene und alle Aspekte dieses Handwerks behandelnde Geschichte der islamischen Metallkunst von ihren Anfängen in vorislamischer Zeit bis zum 17. Jahrhundert vor. Die Berliner Sammlung, die neben London, Paris und St. Petersburg zu den bedeutendsten der Welt gehört, vermag es problemlos die tausendjährige Geschichte dieser Handwerkskunst mit passenden Beispielen zu illustrieren. Fülle und Qualität der Objekte sind überwältigend: Gefäße jeglicher Art, Becher, Kannen, Schalen, wissenschaftliche Geräte, Tintenfässchen und Waagschalen, Aquamanile und Räuchergefäße, Kerzenleuchter, Koranständer, Türklopfer sowie Zauber- und Bettelschalen. Ein weltweit einzigartiges Prunktablett aus Messing mit fein ziselierter frühislamischer Palastarchitektur aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts eröffnet den Reigen, den eine ungarische Silberschale mit dem eingeschnittenen Lamm Gottes aus dem 17. Jahrhundert beschließt. Die wahre Liebe der Autorin gilt aber der Tauschierkunst des 12. bis 15. Jahrhunderts, einer Technologie der Superlative, wie Almut von Gladiß titelt, und zweifellos der Höhepunkt islamischer Metallkunst. Hier finden wir auch die Highlights der Berliner Sammlung, allen voran das Waschgeschirr aus dem 13. Jahrhundert, also Becken und Kanne eines Meisters aus Mosul sowie ein atemberaubendes Prunkbecken, etwa aus derselben Zeit, mit dem Kampf zwischen Drache und Phönix im Mittelmedaillon. Diese und eine Anzahl kleinerer Becken, Räucherkugeln, Leuchter, Kästen, Krüge und Kannen sind einzigartiges Anschauungsmaterial für das Tauschieren, dieses besonders raffinierte und höchsten Luxus repräsentierende Dekorverfahren, bei dem mit Kupfer, Silber und Gold Ornamente, Kalligraphie und bildhafte Szenen in Bronze und Messing eingelegt werden. Mit dieser Tauschierkunst ging, jedenfalls in ihrer Blütezeit, eine wahre Bilderflut einher, die ihre Vielseitigkeit vor allem der Miniaturmalerei verdankt. Jagdszenen, Tierdarstellungen, Reitermotive und Musikanten, der Zyklus der Himmels- und Tierkreiszeichen und Herrscherbildnisse spiegeln Glanz und Glamour fürstlicher Hofhaltung. Erst im 14. und 15. Jahrhundert tritt die Dominanz der Bilddarstellungen hinter einem zunehmenden ornamentalen und kalligraphischen Dekor zurück. Nicht zuletzt durch den Handel als eines der wichtigen Merkmale islamischer Kunst, verbreiten sich nicht nur tauschierte Gegenstände, sondern auch die Technik selbst in der gesamten islamischen Welt. Exporte nach Europa gewinnen an Bedeutung, und so erfasst beispielsweise ein Inventar der Medici aus dem Jahre 1492 mehr als einhundert tauschierte Gegenstände. Eine Fülle solcher wissenswerter Informationen und Hinweise auf Vergleichsobjekte in den großen und kleinen Museen und Sammlungen der Welt bereichern so den spannenden Text. Man gewinnt den Eindruck, dass Almut von Gladiß jedes bedeutende Exemplar islamischer Metallkunst gekannt hat und kann nur bedauern, dass sich die Abbildungen auf die Berliner Sammlung beschränken – doch das genau war der Zweck dieses Buches.

Almut von Gladiß verstarb am 26. Juni 2013 in ihrem 71. Lebensjahr. Wir dürfen dankbar sein, dass sie mit „Glanz und Substanz“ ihr profundes Wissen über islamische Metallobjekte in einer kunsthistorisch bedeutenden Studie publiziert hat.

Print Friendly, PDF & Email