Gifts of the Sultan – The Arts of Giving at the Islamic Courts

Autor/en: Linda Komaroff (Hrsg)
Verlag: LAMCA – Yale University Press
Erschienen: Los Angeles – New Haven – London 2011
Seiten: 336
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 65.–
ISBN: 978-0-300-17110-5
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2011

Besprechung:
Im Frühjahr des Jahres 1567 erreichte eine Gesandtschaft des safawidischen Schah Tamasp nach langer und beschwerlicher Reise das Winterquartier des osmanischen Hofes von Sultan Selim II in Edirne. Es galt einen Brief zu überbringen, mit dem der Schah dem im Jahr zuvor inthronisierten Sultan seiner Freundschaft versicherte und ihm Glück und Segen für seine Regentschaft wünschte. Außer diesem Brief führte der Gesandte in seiner Karawane vierunddreissig Kamele mit sich, die schwer mit kostbaren Geschenken beladen waren. Dies und insbesondere die zeremonielle Übergabe der Geschenke ist durch zeitgenössische Berichte, vor allem aber durch prächtige Miniaturen bestens dokumentiert. Ein kostbar gebundener Koran und ein am Hofe des Schah gefertigtes Shahnama, ein „Buch der Könige“ waren die symbolträchtigsten der Geschenke, dazu kamen kostbare Stoffe und Gewänder, Gerätschaften aus Silber und Gold, Waffen, wertvolles Porzellan, schimmernde Teppiche, reich dekorierte Zelte, Schmuck und Gefäße aus Elfenbein und Bergkristall. Eine nicht enden wollende Kette von Janitscharen defilierte vor dem Thron des Sultans und präsentierte die reichen Gaben. Hinter diesen wahrhaft fürstlichen Geschenken verbargen sich ganz unterschiedliche Motive, Gefühle und Absichten. Selim II als der machtvolle Sultan der jungen militärischen Großmacht der Osmanen mag den Geschenksegen als den durchaus angebrachten Tribut eines Vasallen von der Grenze seines Reiches betrachtet haben, während der Schah vor allem mit seinem Buch der Könige den Osmanen auf diplomatische Art und Weise als Emporkömmling auswies. Das Geben und Nehmen von Geschenken ist wohl so alt wie die Menschheit. Seit jeher ist die Gabe von Geschenken eine fundamentale Aktivität um zwischenmenschlichen Beziehungen Ausdruck zu verleihen, soziale Verhältnisse zu dokumentieren, diplomatische Missionen zu fördern, Verdienste zu belohnen, religiöse Verpflichtungen zu erfüllen oder auch nur das eigene Ansehen zu mehren. Es ist eine Praxis, die alle Kulturen gemein haben, doch der Reichtum und die Prachtliebe orientalischer Herrscher ließ an islamischen Höfen eine Kunst des Schenkens entstehen, die beispiellos ist und die vor allem einen ganz wesentlichen Einfluss auf Kunst und Kunsthandwerk nahm. Geschenkt wurden in erster Linie Luxusgegenstände, gefertigt in höfischer Werkstätten von den besten Künstlern aus seltenen und teuren Materialien. Sie zirkulierten dann als höfische Geschenke und in der Tat können viele der spektakulärsten und historisch bedeutsamsten Beispiele islamischer Kunst als Geschenke zurückverfolgt werden. Die Ausstellung „Gifts of the Sultan“ (Los Angeles County Museum of Art bis zum 05.09 und dann bis zum 15. Januar 2012 im Houston Museum of Fine Arts) und das dazu erschienene prächtige Begleitbuch gewähren daher einen repräsentativen Blick auf islamische Kunst und islamisches Kunsthandwerk der höchsten Qualität vom 8. bis zum 19. Jahrhundert. In zehn Essays und zahlreichen weiteren Kurzbeiträgen untersuchen namhafte Autoren die Kunst des Schenkens an islamischen Höfen von den Fatimiden bis zu den Osmanen. Dabei sind die Grenzen zwischen Raub und Beute, zwischen Tribut und Geschenk nicht immer leicht auszumachen und manche der später als kostbare Staatsgeschenke in den Schatzkammern der Welt und heute in den großen Museen verwahrten Gegenstände wurden von ihren ersten Besitzern nicht immer freiwillig hergegeben. So weiß man, dass die Keller des Fatimidenpalastes in Kairo unermessliche Schätze bargen, die im Jahre 1060 von den nicht besoldeten und daher aufgebrachten Soldaten des Kalifen al-Mustansir geplündert und in alle Welt zerstreut wurden. Zwar konnte nie ein Stück aus diesem Fatimidenschatz eindeutig identifiziert werden, doch liegt die Vermutung nahe, das einige der großartigen, aus Bergkristall geschnittenen und mit feinen Reliefs verzierten Krüge jener Zeit aus dieser Quelle stammen. Bei dem größten Beutezug der Weltgeschichte, der sich knapp 700 Jahre später ereignete, ist die Beweislage ein wenig besser. Der persische Eroberer Nadir Schah aus dem Stamme der Afscharen überfiel 1739 das Reich der Mogulkaiser, und die aus Delhi von ihm mit vielen Karawanen abtransportierten Schätze sollen – nach heutiger Währung – einen Wert von mehreren Milliarden Dollar gehabt haben. Zwei Jahre später erschien eine Gesandtschaft Nadir Schahs am Hofe des Zaren Iwan IV in St. Petersburg und brachte als Staatsgeschenk dutzende wertvolle Gaben aus dieser Mogulbeute. Eine über und über mit Smaragden, Rubinen und Diamanten inkrustierte Rosenwasserflasche aus massivem Gold, heute in der Eremitage, war nachweisbar dabei und gehört zu den Glanzstücken von Ausstellung und Katalog. Neben der St. Petersburger Eremitage sind es die bedeutendsten Museen und Sammlungen der Welt, die Objekte für diese grandiose Schau zur Verfügung gestellt haben: Der Louvre, das British Museum, das New Yorker Metropolitan Museum of Art, Museen aus Lissabon, Berlin, Moskau, Athen und das neue Museum für Islamische Kunst in Doha/Qatar, um nur einige zu nennen. Illustre Namen, wie Aga Khan, Rothschild, Chester Beatty, Avery Brundage, Al Sabah, David oder Khalili bezeichnen die Sammlungen, die mit Leihgaben einen Beitrag geleistet haben. Alle Objekte sind durch Widmungen, Inschriften, durch Erwähnung in Inventaren oder durch ihre bekannte Geschichte als Geschenke islamischer Herrscher ausgewiesen. Ein deutscher Revolver mit einem in Diamanten auf dem Elfenbeingriff ausgeführten Initial „W“ für Wilhelm II scheint aus diesem Rahmen zu fallen. Er stammt aus der Schatzkammer des Topkapi-Palastes und ist ein Geschenk des deutschen Kaisers an den letzten osmanischen Sultan Abdülhamid II, dem die Berliner Museen die Fassade des Wüstenpalastes von Mshatta verdanken – ein Beispiel dafür, dass islamische Herrscher die Kunst des Schenkens auch über die Grenzen des Islam hinaus gepflegt haben.

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