And Diverse Are Their Hues – Color in Islamic Art and Culture

Autor/en: Jonathan M. Bloom, Sheila S. Blair (Hrsg)
Verlag: Yale University Press
Erschienen: New Haven und London 2011
Seiten: XII 396
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 45.– englische Pfund
ISBN: 978-0-300-17532-1
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2011

Besprechung:
Ich denke es war Charles Grant Ellis, der Doyen amerikanischer Teppichsammler und Teppichwissenschaftler, der gesagt oder geschrieben hat, dass der geknüpfte Teppich das ideale Medium für Farbe ist. Nichts könne Farbe besser zur Geltung bringen als die Räumlichkeit der Knüpfstruktur, die die Präsenz von Farbe an der Oberfläche des Wollfadens ebenso sichtbar macht wie sie es erlaubt, in den Wollfaden, in den Flor hineinzuschauen. Der Beitrag von Jon Thompson zu dem der Farbe in islamischer Kunst und Kultur gewidmeten Hamad bin Khalifa Symposium in Cordoba im Jahre 2009, geht der Sache auf den Grund. Sein Versuch, die Wahrnehmung von Farbe im orientalischen Teppich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Phänomens Farbe unter Berücksichtigung von Farbphysiologie und Farbpsychologie in den Griff zu bekommen ist zwar interessant, wird aber dem Farberlebnis, das von einem antiken, naturgefärbten orientalischen Teppich ausgehen kann, nicht wirklich gerecht. Auch Thompson muss hier auf längst bekannte Erscheinungen zurückgreifen, um die Farbharmonie eines solchen Teppichs zu erklären. Die gegenüber den synthetischen Farben regelmäßig viel komplexere Struktur der meisten Naturfarbstoffe, die bei handgesponnener Wolle nie ganz gleichmäßige Farbaufnahme des Fadens, gewissermaßen das „Farbvibrato“ – nicht zu verwechseln mit dem Abrasch durch unterschiedlich gefärbte Wollchargen – und der natürliche Alterungsprozess von Wolle und Farbe, also die der gefärbten Wolle Brillanz und Glanz verleihende natürliche Patina, sind Faktoren, die erst in ihrem Zusammenwirken die Faszination des frühen Teppichs ausmachen. Dieser Beitrag ist eine Hommage an die Sorgfalt und die Kunst der Färber, Weber und Designer von Teppichen in der Vergangenheit, an die anonymen Handwerker, die eine intuitive Sicherheit in der Behandlung und Verwendung von Farben hatten, die die moderne Wissenschaft erst allmählich anfängt zu verstehen und zu dokumentieren. Jon Thompsons Beobachtungen zur Farbe in Teppichen ist nur einer von 12 Essays, die in dem soeben erschienenen Symposiumsband zur Farbe in islamischer Kunst und Kultur vereinigt sind. Zum ersten Mal haben sich im Hernst 2009 bei dem genannten Symposium Wissenschaftler aus ganz verschiedenen Disziplinen über dieses Thema ausgetauscht. Die lange Vernachlässigung des Themas wird verständlich, wenn man sich klar macht, dass die kunst- und kulturhistorische Fachliteratur bis ins letzte Quartal des 20. Jahrhunderts durch Abbildungen in schwarz/weiß geprägt war und dass daher die Auseinandersetzung mit Form und Design immer im Vordergrund stand. Heute sind Farbbilder die Norm und es ist unübersehbar, dass die Farbe in der gesamten islamischen Kunst und Kultur stets eine außerordentlich wichtige Rolle gespielt hat. Die Essays befassen sich mit auf Regionen, auf bestimmte Zeiträume oder auf unterschiedliche Materialien oder Objekten bezogenen Ausschnitten mit der Art und Weise, wie Muslime und muslimische Gesellschaften Farbe empfunden und von Farbe Gebrauch gemacht haben. Olga Bush etwa behandelt die Farbästhetik der Alhambra und kommt zu dem Ergebnis, dass die bisher so im Vordergrund der Bewunderung stehende ornamental-geometrische Struktur des Dekors von Wänden, Böden und Decken erst im Zusammenspiel mit Farbe verstanden und richtig gewürdigt werden kann. Das Beispiel der farbigen Fliesenmosaiken der Alhambra und die Parallelen zur Farbkunst des zeitgenössischen französischen Malers Francois Morellet sind überzeugend. Der Beitrag von Lawrence Nees über goldene Schrift auf tiefblauem Grund, erstmals zu finden bei einem der ältesten Baudenkmäler des Islam, dem Felsendom in Jerusalem, aber auch bei dem berühmten blauen Koran, jener einzigartigen Handschrift (Nordafrika, 10. Jhrdt.) mit goldener Kufi-Kalligraphie auf blau eingefärbtem Pergament und in vielen anderen Beispielen zieht hier Parallelen zur christlichen Kunst. Wieder andere Essays befassen sich damit, wie mit bestimmten Farben, vorzugsweise mit einem kräftigen Rot, politische Legitimation symbolisiert wurde – hier steht die rote Stadtmauer von Marrakesch als Beispiel (Maribel Fierro) – oder wie Blumen, Sträucher und Bäume Farben in die islamischen Gärten gebracht haben, heute nur noch durch Poesie, Literatur und durch die so genannten Gartenteppiche erfahrbar (Manu P. Sobti, Mohammad Gharipur). Weitere Beispiele für den nahezu verschwenderischen Gebrauch von Farbe sind die Entwicklung der Cuerda Seca genannten Technologie der farbigen Glasierung von Fliesen, die im 14. und 15. Jahrhundert im Iran und in Zentralasien die schönsten Beispiele des Gebrauchs von Farbe in der Architektur geschaffen hat (Bernard O´Kane) und die aus ganz verschiedenen Zeiten stammenden Miniaturen zur Legende von Majnun, des „mad lover“ (Julie Scott Meisami). Farbe und Mystizismus (Samir Mahmoud), der Beginn einer wissenschaftlichen Untersuchung der in der Miniaturmalerei verwendeten Farben und Pigmente (Cheryl Porter), die Bedeutung der Farbe Rot (Marianna Shreve Simpson), speziell im Yemen (Noha Sadek) und wie nordafrikanische Farbsymbolik in der Neuen Welt Eingang fand (Michael Schreffler), sind weitere Themen, die insgesamt 1400 Jahre islamischer Kunst und Kultur umspannen. Den wichtigsten Beitrag zur Farbe aber haben die vielen anonymen Künstler, Kunsthandwerker und Architekten geschaffen, die uns Meisterwerke der Metall- und Glaskunst, der Keramik und Architektur, Miniaturen, Textilien und Teppiche hinterlassen haben, die in bester Qualität und in großer Anzahl den Band illustrieren. Vielleicht am interessantesten ist die umfangreiche Einführung in das Thema durch die beiden Herausgeber des Buches, Jonathan Bloom und Sheila Blair. Sie geben einen umfassenden Überblick über die Bedeutung der einzelnen Farben in der islamischen Kunst und Kultur, wie sie von Region zu Region und von Dynastie zu Dynastie oft ganz unterschiedlich, manchmal geradezu konträr war. Vor allem aber werden die schriftlichen Quellen des Islam von Spanien bis nach Zentralasien ausgewertet. Schon der Koran erwähnt Farben als einen Bestandteil des Schöpfungsaktes. Das reiche wissenschaftliche und philosophische Schrifttum des Islam zur Farbe und die Auseinandersetzung mit der Farbe in der Literatur, der Poesie und der Mystik sind schließlich weitere Themen dieser Einführung mit einer Fülle interessanter Details und Informationen. Das Buch setzt damit das hohe Niveau fort, das der erste Symposiumsband „Rivers of Paradise“ über das Wasser in der islamischen Kunst vorgegeben hat. Die Reihe wird im zweijährigen Turnus fortgesetzt. Das Symposium über das Objekt in der islamischen Kunst hat Ende Oktober dieses Jahres in Doha/Qatar bereits stattgefunden.

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