Islamic Glass in the Corning Museum of Glass

Autor/en: David Whitehouse
Verlag: Corning Museum of Glass and Hudson Hills Press
Erschienen: New York, Manchester 2010
Seiten: 430
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 90.–
ISBN: 978-1-55595-355-3
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2011

Besprechung:
Vor knapp 10 Jahren machte eine außergewöhnliche Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum von sich reden. „Glass of the Sultans“ war eine epochale Präsentation, in der aus Museen, Sammlungen und Kirchenschätzen der alten und der neuen Welt das wirklich Beste und Schönste zusammengetragen worden war, was islamische Glaskünstler geschaffen hatten. Die Sammlungen Gulbenkian und David, das British und das Metropolitan Museum, San Marco in Venedig und der Wiener Stephansdom waren nur einige der namhaften Leihgeber, die zu dieser, in solcher Qualität wohl kaum zu wiederholenden Schau beigetragen hatten. Das Frontispiz des Kataloges zierte damals der „Corning Ewer“, ein aus etwa 50 Bruchstücken zusammengesetzter Henkelkrug, der in einer eleganten Reliefdarstellung von grünem Glas auf farblosem Grund ein von einem Raubvogel attackiertes Tier zeigt. Dieses Meisterwerk islamischer Glaskunst, etwa aus der Zeit der ersten Jahrtausendwende, ist nun wiederum das Motiv für Frontispiz und Schutzumschlag von Band 1 des auf drei Bände angelegten Bestandskataloges der Sammlung von islamischem Glas im Corning Museum of Glass in Corning im Staate New York. Trotz des identischen Titelbilds unterscheiden sich die beiden Werke grundlegend. Während der Katalog von 2001 eine Gesamtschau des islamischen Glases aus über einem Jahrtausend in allen Techniken in herausragenden Beispielen zeigte, beschränkt sich das nun vorliegende Buch auf die Zeit vom 8. bis zum 11. Jahrhundert und zeigt mit den knapp 600 Objekten vom kleinen Fragment bis zum vollständigen Gefäß nur zwei Dekortechniken, nämlich geritzte und geschnittene Muster. Ob es sich nun um einen einzelnen kleinen, nur wenige cm messenden Scherben mit einfachen Ritzdekor handelt oder um vollständige Becher, Flaschen, Schalen oder Krüge, immer sind Objekt, Fundort oder Herkunft, Größe und Dekorationstechnik mit wissenschaftlicher Akribie beschrieben, mit Kommentar und Literaturangaben versehen, in Farbe abgebildet und – in einem Anhang – durch Zeichnungen, die den Dekor und die Wandstärke veranschaulichen, ergänzt. Vor allem diese Zeichnungen, die die in der Fotografie oft nur undeutlich wahrnehmbaren Motive exakt und vollständig wiedergeben, erschließen in ihrer Zusammenschau mit den Fotos Vielfalt und Schönheit vieler der Objekte. Entstanden ist ein beeindruckendes wissenschaftliches Standardwerk über eine der größten und reichsten Sammlungen frühen islamischen Glases aus der größten Glassammlung der Welt. Gewissermaßen außer Katalog und in einem Anhang publiziert ist der Hedwigsbecher des Corning Museums, der zu einer kleinen, äußerst markanten Gruppe islamischen Glases gehört, deren genaue Herkunft bis heute ungeklärt ist. Die Bezeichnung dieser Gruppe dickwandiger und mit streng stilisiertem Reliefdekor verzierter Glasbecher geht zurück auf die Heilige Hedwig von Andechs (1174-1243), Tochter des mächtigen Grafen Berthold von Andechs und Meran, die der Legende nach einen solchen Becher benutzt haben soll. Das Exemplar aus dem Corning Museum zeigt zwei stilisierte Löwen und wurde im Jahre 1820 in der Sakristei des Stephansdomes in Halberstadt entdeckt und gelangte über den Besitz eines lokalen Polizeibeamten und eines Bad Harzburger Buchbinders schließlich in eine Rothschild Sammlung, aus der es das Corning Museum 1967 erwarb. Ein anderes, ungewöhnliches Objekt ist ein nur knapp 4 cm großer, polychromer Scherben, vermutlich das Bruchstück eines Bechers, der fünf verschiedenfarbige, präzise aneinander gesetzte Glasstreifen zeigt und bis heute Rätsel aufgibt, in welcher Technik dieses ursprünglich ästhetisch eindrucksvolle Gefäß wohl hergestellt wurde. Aus der Gruppe der Cameo-Gläser, der schon im alten Rom bekannten Überfangtechnik, die in der Frühzeit der islamischen Kunst eine bedeutende Rolle gespielt hat, um dann vergessen und erst im Europa des 18. Jahrhundert wieder entdeckt zu werden, ist neben einem schönen Krugfragment mit Tiermotiven vor allem und nochmals der Corning Ewer zu erwähnen, für den es in Form und Dekor Vergleichsstücke nur in Bergkristall aus dem fatimidischen Cairo gibt. Dieses berühmteste Stück der Sammlung des Corning Museums stammt aus der Keir-Collection, wurde von Edmund de Unger in Teheran erworben und gelangte nach der Inventarnummer 1985 in das Corning Museum. Diese Geschichten, die sich mit manchen Stücken der Sammlung verbinden, und die Sorgfalt der Herstellung ebenso wie die hohe wissenschaftliche Qualität dieses ersten Bandes machen schon jetzt auf die Folgebände neugierig.

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