Islamic Arts from Spain

Autor/en: Mariam Rosser-Owen
Verlag: Victoria & Albert Publications
Erschienen: London 2010
Seiten: 160
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: 30.– englische Pfund
ISBN: 978-1-85177-598-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2010

Besprechung:
Fast 800 Jahre lang, von 711 bis 1492 war die iberische Halbinsel ein Teil der islamischen Welt und Heimat einer der faszinierendsten und weltoffensten Kulturen des mittelalterlichen Europa. Aus dieser Begegnung Europas mit dem Osten, aus einem toleranten Nebeneinander von Islam, Christen- und Judentum und dem königlichen Selbstverständnis der regierenden Kalifen entstanden einige der schönsten Kunstwerke und Gebäude, die je in Europa und in den islamischen Ländern erdacht und errichtet wurden. Und nicht nur das: Über die islamische Präsenz in Spanien gelangten neue Technologien, Kenntnisse und Ideen nach Europa, hier wurden medizinische und wissenschaftliche Werke erstmals aus dem Arabischen in die lateinische Sprache übersetzt und auf das aus Asien übernommene Papier geschrieben, kostbare Seidenstoffe gewoben, Teppiche geknüpft und Keramik mit goldglänzenden Glasuren versehen. Es ist wohl die Lage am äußersten Ende der damals bekannten Welt, dies sowohl aus europäischer wie auch aus islamischer Sicht, dass die künstlerische und kulturelle Bedeutung Spaniens jener Zeit oft nur unzureichend wahrgenommen wurde. Irwin (Islamische Kunst, Köln 1998), Ettinghausen (Islamic Art and Architecture, New Haven und London 2001) oder Khalili (The Timeline History of Islamic Art and Architecture, London 2005) widmen der islamischen Kunst und Architektur Spaniens nur wenige Zeilen und Bilder oder vermengen sie unter dem Oberbegriff der „westlichen islamischen Länder“ mit Nordafrika und dem Maghreb. Einzig die großartige Ausstellung „Al-Andalus – The Art of Islamic Spain“ im New Yorker Metropolitan Museum of Art im Jahre 1992 zeigte einen wirklich repräsentativen Überblick über diese Kunst. Doch der prachtvolle Katalog zu dieser Ausstellung ist natürlich längst vergriffen und im Antiquariatsbuchhandel kaum zu finden. So füllt das nun vom Victoria & Albert Museum verlegte Buch von Mariam Rosser-Owen, einer Kuratorin am V&A, eine echte Lücke und es füllt sie überzeugend. In vier sorgfältig recherchierten und reich illustrierten Kapiteln wird nicht nur die Geschichte des islamischen Spanien von dem Umayyaden und deren Nachfolgedynastien, den Almoraviden und Almohaden, bis zum Königreich der Nasriden behandelt, sondern auch das vielleicht interessanteste Produkt dieses Aufeinandertreffens von Kulturen, die Kunst der Mudejar. Die allmähliche Rückeroberung des islamischen Spanien durch die katholischen Königreiche Kastilien und Aragon führte dazu, dass mehr und mehr Muslime unter christliche Herrschaft gerieten und ihre künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten nun für christliche Auftraggeber einsetzten. Das begann spätestens im 10. Jahrhundert und reichte weit über 1492 hinaus, als mit Granada die letzte Bastion des Islam in Spanien von Ferdinand und Isabella von Kastilien erobert wurde. Dieser Mudejar-Stil, eigentlich weniger ein Stil als ein Entstehungsprozess von Kunsthandwerk und Architektur, der sich mit den wechselnden Einflüssen der europäischen Gotik und Renaissance stets wandelte und doch seine kräftigen islamischen Wurzeln nie verlor, blieb in Spanien bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts präsent und ist das eigentliche Erbe der islamischen Kalifate Spaniens. Der Alcazar in Toledo, die großen Knüpfteppiche mit spanischen Adelswappen, Lüsterkeramik aus Valencia und mit feinsten Intarsien verzierte Spielbretter, Truhen und Möbel sind herausragende Beispiele dieser Kunst der Mudejar. Erst mit der im 15. Jahrhundert einsetzenden Vertreibung Andersgläubiger aus Spanien und vor allem mit den durch die Pioniere der Seefahrt begründeten und immer stärker werdenden Einflüssen aus der Neuen Welt und dem fernen Osten verschwinden die islamischen Elemente schließlich ganz und die islamische Vergangenheit Spaniens gerät in Vergessenheit. Dass das Buch damit nicht endet verdient ganz besondere Beachtung. In einem letzten Kapitel wird die Wiederentdeckung des islamischen Spanien im 19. Jahrhundert und deren Einfluss auf Architektur und Kunsthandwerk jener Zeit behandelt. Reisende Künstler und Diplomaten stehen staunend im Säulenwald der zur Kathedrale umgewidmeten, aber fast in ihrer ursprünglichen Gestalt belassenen Moschee von Cordoba oder in den mit reichen filigranen Ornamenten und Muqarnas verzierten Sälen und Höfen des von außen so trutzig und abweisend wirkenden Alhambra-Palastes in Granada. Zeichnungen und Aquarelle, etwa von dem Briten David Roberts (1796-1864), gedruckte Ansichtenwerke und erste Fotografien sorgen für ein Bekanntwerden dieser architektonischen Juwelen und es ist der britische Architekt Owen Jones (1809-1874), der als erster die ästhetische Qualität maurischer Architektur und Kunst wissenschaftlich zu ergründen versucht. Mit einem von Jones im so genannten „Alhambrastil“ gestalteten Teil des Kristallpalastes der Londoner Weltausstellung 1851 begann eine maurische Mode in der Architektur Europas und auch in den USA, die sich in öffentlichen Bädern, Synagogen, Theatern und privaten Salons und Pavillons manifestierte. Die am Anfang einer ganz Europa ergreifenden stilistischen Revolution stehende arts-and-craft-Bewegung von William Morris ist ohne die starken Impulse, die damals vom islamischen Spanien ausgingen, nicht denkbar. Auch in Spanien selbst beginnt eine Renaissance islamischer Architekturelemente, die etwa den Bahnhof von Toledo oder Formen und Dekor des Parque Guell von Antoni Gaudi prägen. Schließlich und endlich ist noch hervorzuheben, dass die kunsthandwerklichen Schätze des Victoria & Albert dieses Museum natürlich für ein solches Buchprojekt prädestinieren. Elfenbeinarbeiten, Grabsteine, Säulen und Kapitelle aus Marmor, farbig dekorierte und ornamentierte Kacheln, Architekturfragmente aus Holz und Stuck, Lüsterkeramik, Modelle und ein reicher Bestand an alten Fotografien und Grafik erlauben eine reiche, textbegleitende Illustration mit Objekten erster Qualität fast ausschließlich aus eigenen Beständen. Dass darüber hinaus auch Kunstwerke aus anderen Museen und Sammlungen gezeigt werden, bestätigt die Allgemeingültigkeit dieses wichtigen Buches. Bei den Textilien, die sich wie ein roter Faden durch die Abfolge von wechselnden Dynastien im islamischen Spanien hindurchziehen, das sei zum Schluss noch erwähnt, waren die eigenen Bestände des V&A ausreichend, um die Entwicklung der Seidenweberei an herausragenden Exemplaren aufzuzeigen. Während die frühesten erhaltenen almoravidischen Textilfragmente des 12. Jahrhunderts aus Almeria mit gegenständigen Tieren, Löwen und Greifen in großen Medaillons noch den sasanidischen Einfluss erkennen lassen, entwickelt sich unter den Almohaden im 13. Jahrhundert ein eigenständiger geometrisch geprägter Stil, der unter den Nasriden in Granada im 14. und 15. Jahrhundert einen Höhepunkt erreicht. Die komplexen geometrischen Muster werden durch ein hochdekoratives kalligraphisches Streifendesign abgelöst. Erst im 16. Jahrhundert unter europäischem Einfluss kehren auf die Webstühle der Mudejar Pflanzen und Tiere, Vögel und vor allem heraldische Löwen zurück. Dennoch war, und dies aufzuzeigen ist das Verdienst dieses Buches, die islamische Präsenz auf der iberischen Halbinsel für Jahrhunderte von großem Einfluss auf Europas Wissenschaft und Kunst.

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