Sicula-Arabic Ivories and Islamic Painting, 1100 – 1300

Autor/en: David Knipp (Hrsg)
Verlag: Hirmer Verlag
Erschienen: München 2011
Seiten: 338
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: € 110,00
ISBN: 978-3-7774-4311-9
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2012

Besprechung:
Nirgendwo sonst im Mittelalter begegneten sich die arabische und die westliche Welt, trafen sich Islam und Christentum nachhaltiger als in Sizilien. Diese Begegnung erfasste alle Bereiche, die Wissenschaften ebenso wie die Kultur, Architektur, Malerei und Kunsthandwerk. Die so überaus fruchtbare Begegnung begann etwa in der Mitte des 11. Jahrhunderts, als normannische Krieger das seit dem 9. Jahrhundert von den Sarazenen beherrschte Sizilien eroberten. Der Normannenkönig Roger II (1095-1154) aus dem Adelsgeschlecht der Hauteville begründete 1131 das bis an die Grenzen des Kirchenstaats reichende Königreich Sizilien, das schon 1194 an den mit einer normannischen Königstochter verheirateten Stauferkönig Heinrich VI fiel. Unter dem bedeutenden deutsch-römischen Stauferkaiser Friedrich II (1194-1250), der sein Reich fast ausschließlich aus dem von ihm geliebten Sizilien regierte, war der Hof zu Palermo eines der wichtigsten Macht- und Kulturzentren der damaligen Welt. In den normannischen und später kaiserlichen Hofmanufakturen in Palermo arbeiteten christliche und muslimische Handwerker Hand in Hand und schufen Kunstwerke in einem einzigartigen Stilmix, der bis heute nicht nur Rätsel aufgibt, sondern zugleich durch seine ungewöhnliche Ästhetik fasziniert. Das nahe gelegene Afrika lieferte das bevorzugte Material für dieses kostbare Kunsthandwerk: Elfenbein. Reich beschnitzte Oliphanten (Signalhörner), Reliquienbehälter und Pyxiden in den großen Museen dieser Welt geben davon vielfach Zeugnis. Einer kleinen, bisher wenig beachteten und untersuchten Gruppe solcher Elfenbeinarbeiten, kleiner rechteckiger Kästchen und Pyxiden, nicht geschnitzt, sondern mit gemaltem Dekor in Gold und Wasserfarben, war ein von der römischen Bibliotheca Hertziana (Max Planck Institut für Kunstgeschichte) im Jahre 2007 am Berliner Museum Islamischer Kunst veranstaltetes Symposium gewidmet. Die nun als Band XXXVI der Römischen Forschungen der Bibliotheca Hertziana bei Hirmer verlegte Symposiumspublikation gibt mit 14 reich illustrierten Essays namhafter Wissenschaftler umfassend Auskunft über den aktuellen Stand der Erforschung dieser exemplarischen Beispiele einer multikulturellen Hofkultur im normannisch-staufischen Palermo. Das knappe Dutzend der im Katalogteil in Farbe und jeweils in mehreren Ansichten vorgestellten, anlässlich des Symposium in Berlin ausgestellten Objekte aus europäischen Museen und Kirchenschätzen ist mit seinen arabischen, griechischen und lateinischen Inschriften und dem Stilmix aus islamischer Dekoration und christlicher Ikonographie typisch für diese kleine Gruppe der sowohl für profane wie für liturgische Zwecke genutzten Behälter. In den Essays gehen Anthony Cutler und Avinoam Shalem den Fragen nach, wie und wofür diese Objekte gemacht wurden, wer die Auftraggeber und wer die Künstler waren. Mariam Rosser-Owen untersucht ein mit reichen Einlegearbeiten verziertes Elfenbeinkästchen aus dem Victoria & Albert Museum und zieht Vergleiche zu ähnlichen Inkrustationsarbeiten aus dem fatimidischen Ägypten. Der Beitrag von Antony Eastmond widmet sich einem der wenigen einigermaßen sicher datierbaren, weil schon früh nach England gelangten und für Reliquien genutzten Kästchen, von dem man weiß, dass es am 6. Januar 1177 aus einer Abtei in Cornwall gestohlen wurde und kurz darauf wieder aufgetaucht war. Der Schwerpunkt des Aufsatzes von Eva Hoffmann ist das Medaillon als eines der wichtigsten, auch von Textilien und Keramik bekannten Dekorelemente. Ein weiteres, häufig genutztes Motiv sind Darstellungen der Jagd mit Geparden, ein unerhörter Luxus, den man sich seit jeher nur an Königshöfen leisten konnte (Maria Vittoria Fontana). Jonathan Bloom sieht in einem Elfenbeinkasten für den fatimidischen Kalifen al-Mu´izz, der seiner Inschrift zufolge um das Jahr 965 entstanden sein muss, einen klaren Vorläufer der sizilianischen Objekte. Die Essays von Erica Cruikshank Dodd und Lucy-Anne Hunt behandeln mit dem Vorkommen christlicher Motive in islamischer Malerei und Kunsthandwerk eines der Schwerpunktthemen des Symposiums und ziehen Vergleiche unter anderem mit den Malereien in der Palastkapelle von Roger II, der berühmten Capella Palatina in Palermo, wo kufische Inschriften, biblische Heilsgeschichten, arabische Ornamentik und byzantinische Mosaikkunst eine einzigartige Synthese eingehen. Parallelen zwischen der Malerei auf den sizilianischen Elfenbeinobjekten und illuminierten Handschriften des 13. Jahrhunderts aus dem nördlichen Syrien werden von David Knipp dargelegt, während sich das aus Mat Immerzeel, Adeline Jeudy und Bas Snelders bestehende Autorenteam auf christlich-griechische Einflüsse in der vorderasiatischen Region von Ägypten bis Mesopotamien konzentriert. Zum Ausklang untersucht Finbarr Barry Flood den künstlerischen Einfluss der in Afghanistan und im Iran herrschenden Dynastie des Ghaznaviden (977-1186) auf den Mittelmeerraum, weist Martina Müller-Wiener Parallelen zwischen Miniaturmalerei und Metallkunst in Form zeitgleicher Astrolabien nach, und, last not least, belegt Thomas Dittelbach erstmals die ebenfalls normannische Herkunft eines Anfang des 20. Jahrhundert von Wilhelm von Bode für das Berliner Kaiser Friedrich Museum erworbenen reliefierten Marmor-Kästchens, das, unter anderem, eine Darstellung von Daniel in der Löwengrube zeigt. Mit diesen 14 sorgfältigen Essays und der zusammenfassenden Einleitung von David Knipp ist das Thema der sizilianisch-arabischen Elfenbeinkästchen mit islamischer Malerei in Gold und Wasserfarben erschöpfend behandelt. Technik und vor allem der besondere Stil der Malerei lassen diese Objekte als die ungewöhnlichsten und bemerkenswertesten Arbeiten aus dem normannischen Sizilien erscheinen. Ob es aber singuläre Handwerksprodukte einer kurzen Zeitspanne waren, ob sie aus einer nicht mehr nachweisbaren sizilianischen Tradition entstanden und vielleicht sogar einen Eindruck von der nicht erhaltenen monumentalen Malerei maghrebinischer Paläste vermitteln bleibt ein nicht enträtseltes Geheimnis.

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