Roads of Arabia – Archäologische Schätze aus Saudi-Arabien

Autor/en: Ue Franke, Joachim Gierlichs (Hrsg)
Verlag: Ernst Wasmuth Verlag
Erschienen: Tübingen 2011
Seiten: 308
Ausgabe: Harcover
Preis: € 45,00
ISBN: 978-3-8030-3355-0 (Buchhandelsausgabe)
Kommentar: Michael Buddeberg, März 2012

Besprechung:
Mehr und mehr machen archäologische Entdeckungen bewusst, dass der Fernhandel, also der Austausch von Waren über große Entfernungen, nicht früh genug in der Geschichte der Menschheit angesetzt werden kann. Die Begehrlichkeit nach den Gütern Anderer hat nicht nur Fehden und Kriege und damit technologische Entwicklungen weit reichender Bedeutung in Gang gesetzt, sondern hat mit dem Austausch von Waren auch Kulturen einander näher gebracht und den Transfer von Ideen und Wissen beflügelt. Der Handel hat nicht nur Grenzen überwunden, auch geographische Hindernisse, wie immer sie beschaffen waren, aus Fels oder Eis, Schnee, Wasser oder einer Unendlichkeit von Sand, wurden überwunden und gemeistert. Untergegangene Städte in der Wüste Taklamakan und die Ruinen von Königsburgen in den Schluchten des Karakorum und Himalaya sind Zeugnisse solch früher Handelswege. Auch die Rub´ al-Khali, die große Sandwüste im Herzen der Arabischen Halbinsel, der Hitzepol dieser Welt mit Temperaturen von über 50 Grad Celsius, genauer gesagt, die wenigen Oasen in und am Rand dieser sonst menschenleeren Wüste gehörten früh schon zu einem Geflecht von Handelswegen, „Weihrauchstrasse“ genannt. Weihrauch und Myrrhe aus den Gebirgswäldern Südarabiens waren für die kultische Rituale früher Religionen hoch geschätzte Halluzinogene und mit der Domestizierung des Dromedars vor etwa 3000 Jahren begann auf der Arabischen Halbinsel ein schwungvoller Karawanenhandel, nicht nur mit Weihrauch, sondern auch mit Gewürzen, edlen Hölzern, Seide und Edelsteinen. Qaryat al-Faw war eine dieser Oasen am westlichen Rand der Rub´ al-Khani, in der Archäologen mit Goldschmuck, Bronzestatuetten, silbernem Gerät, Textilien, Glas und Keramik, Zeugnisse einer einst blühenden Kultur entdeckt haben. Doch das geschah erst vor kurzer Zeit, denn forschungsgeschichtlich galt die Arabische Halbinsel lange als eine nur wenig interessante Peripherie der benachbarten Gebiete mit ihren frühen Hochkulturen. Erst das Erdöl, das 1938 entdeckte und durch König Abd al-Aziz (1876-1953) und das von ihm 1932 gegründete Königreich Saudi-Arabien für fast legendären Reichtum und die Förderung nationaler Interessen sorgende schwarze Gold hat alles geändert. Das Königreich Saudi-Arabien bemüht sich um sein archäologisches und kunsthistorisches Erbe und hat seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowohl institutionell wie auch praktisch erhebliche Anstrengungen unternommen, dieses Erbe zu entdecken und zu bergen. Eine bereits in Paris, Barcelona und St. Petersburg gezeigte und nun im Berliner Pergamon-Museum bis zum 19. April zu besichtigende Ausstellung mit weit über 300 meist aus archäologischen Grabungen stammenden Artefakten präsentiert mit großem nationalen Stolz die Ergebnisse dieser Bemühungen. Auch wenn viele der meist aus dem Nationalmuseum in Riad und lokalen saudischen Museen entliehenen Objekte, wie etwa römisches Glas oder Keramik aus Mesopotamien als Handelsware auf die Arabische Halbinsel gelangten, so sind doch die genuin arabischen Funde von ersten Faustkeilen und Pfeilspitzen, über 6000 Jahre alte anthropomorphen Stelen, Kolossalstatuen aus dem ersten Jahrtausend v.Chr. bis zu zahllosen Steinobjekten mit Bildreliefs und Inschriften beeindruckend und ein überraschender Beleg für eine durchgehende kulturelle Präsenz in einem eher lebensfeindlichen Naturraum, in dem Wasser stets die knappste Resource war. Das zur Ausstellung erschienene Buch mit seinen fast 30 Essays und Kolumnen behandelt souverän und vollständig die Entwicklung, Geschichte und Kultur der Arabischen Halbinsel unter besonderer Berücksichtigung des Staatsgebietes von Saudi-Arabien von den ersten Anfängen menschlicher Besiedelung durch nomadische Viehzüchter vor ca. 10.000 Jahren bis zur Gründung des saudischen Königreiches. Von der Darstellung des spektakulären Naturraumes mit seinen faszinierenden Schönheiten aber auch der Gefahren von Wanderdünen und Sandstürmen, der exakten Beschreibung und Lage der wichtigsten Ausgrabungsstätten und ihrer Funde bis zur Entwicklung von Kultstätten wie Mekka und Medina bereits in vorislamischer Zeit wird die Frühgeschichte über das Altertum bis zum frühen Mittelalter umfassend behandelt, sieht man mal davon ab, dass unmittelbare schriftliche Quellen nicht existieren und dass assyrische Keilschrifttexte ebenso wie das Alte Testament über Arabien nur wenig Information enthalten. Die große Zäsur ist der Beginn des Islam. Nicht nur arabische Schrift und Sprache erhalten durch den Koran einen völlig neuen politischen und kulturellen Status, sondern durch die hajj, die Wallfahrt nach Mekka, eine der fünf fundamentalen Pflichten im religiösen Leben der Muslime, werden die alten, seit dem Nachlassen der Nachfrage nach Weihrauch verwehten und vergessenen Handelswege neu belebt, und auf den Pilgerrouten aus Kairo, Damaskus, Bagdad und dem Yemen blüht erneut der Handel, entstehen neue Zentren und Moscheen und verewigen sich Pilger durch ungezählte Petroglyphen im Wüstenlack des die Wege säumenden Gesteins. Der Koran als das erste arabische Buch, die Pilgerrouten, Mekka und Medina in frühislamischer und osmanischer Zeit, die Ka´aba natürlich, ihre Ausstattung und Bedeutung, sind Themen einzelner Essays ebenso wie die Geschichte der Entdeckung Arabiens von Ibn Battuta im 14. Jahrhundert, Johannes Leo Africanus in frühen 16, dem Nürnberger Johannes Wild im 17.Jahrhundert und schließlich Carsten Niebuhr, mit dem im 18. Jahrhundert die systematische Erforschung Arabiens begann, all das zugleich eine Geschichte der frühen Reiseliteratur zur Region. Mit dem Bau der Bahnlinie von Damaskus nach Medina, der 1908 fertiggestellten „Mekka-Bahn“ und dem Beginn der modernen Zeit in Arabien endet das Buch, das nicht nur eine unentbehrliche Hintergrundinformation für die Ausstellung, sondern für jeden an Arabien Interessierten eine Pflichtlektüre ist.

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