Dance of Fire – Iznik Tiles and Ceramics in the Sadberk Hanim Museum and Ömer M. Koc Collections

Autor/en: Hülya Bilgi
Verlag: Vehbi Koc Foundation – Sadberk Hanim Museum
Erschienen: Istanbul 2009
Seiten: 512
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 250.–
ISBN: 978-975-6959-33-6
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2010

Besprechung:
Wer heute, etwa auf dem Weg von Istanbul nach Bursa durch das am Ostufer des gleichnamigen Sees gelegene Iznik kommt, nimmt den Ort als ein etwas provinzielles, touristisches Zentrum wahr. Die schöne Lage am See, eine weitgehend intakte Stadtmauer, ein archäologisches Museum, Moscheen und eine Hagia Sophia aus dem 4. Jahrhundert laden zum Verweilen. Wer aber weiß schon, dass in eben dieser Hagia Sophia im Jahre 325 das erste ökumenische Konzil von Nicäa stattfand und dass dieses Nicäa zur Zeit der Kreuzritter eine wichtige politische Rolle gespielt hat, bevor es 1331 von den Osmanen erobert wurde? Und nichts erinnert heute daran, dass in diesem Ort einmal hunderte von Brennöfen in Betrieb waren, in denen der Bedarf eines Weltreiches an glasierten Kacheln für die Dekoration seiner monumentalen Bauwerke hergestellt wurde, dass Iznik also gewissermaßen ein westliches Pendant zum chinesischen Jingdezhen war. Aber nicht nur Kacheln, auch herrliche Teller und Schalen, Krüge, Becher und Vasen, Lampen, Kerzenhalter und Moscheeampeln kamen aus diesen Öfen und begründeten den Ruhm Izniks. Nurhan Atasoy und Julian Raby, beide anerkannte Autoritäten für osmanische Kunstgeschichte legten schon 1989 ein opulentes Werk über diese Keramik aus Iznik vor, das mit seinen fast eintausend Illustrationen der schönsten Iznik-Waren aus Museen und Sammlungen der ganzen Welt und seiner wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas bis heute „the definitive, authoritative work on the pottery of Iznik“ ist (The Royal Asiatic Society). Es wurde erst 2008 in einem Nachdruck neu aufgelegt (Laurence King Publishing). So stellt sich hier die Frage, ob neben diesem Standardwerk ein weiteres, nicht gerade billiges Prachtwerk über Kacheln und Keramik aus Iznik Bestand haben kann? „Dance of Fire“ ist der Katalog der 2009 im Sadberk Hanim Museum in Istanbul veranstalteten Ausstellung von 325 Exemplaren Iznik-Keramik aus den Sammlungen des Museums und ihres Förderers Ömer M. Koç. Besonders anzumerken ist hier zunächst, dass sich das von dem türkischen PatriarchenVehbi Koç gegründete und nach seiner Frau Sadberk benannte Museum und dessen Enkel Ömer gemeinsam um dieses einzigartige Erbe der Türkei bemüht und in zwei Jahrzehnten unweit des historischen Ursprungsortes eine Sammlung aufgebaut haben, die weltweit zu den bedeutendsten gehört. Ganz besonders bemerkenswert aber ist – und damit ist die oben gestellte Frage mit einem eindeutigen „ja“ beantwortet – dass der Schwerpunkt von Sammlung und Katalog nicht bei der Gefäßkeramik, sondern bei den Kacheln aus Iznik liegt, die bei Atasoy/Raby nur am Rande erwähnt und in den Abbildungen so gut wie gar nicht berücksichtigt sind. Hülya Bilgi, die Direktorin des Sadberk Hanim Museums und Autorin des Kataloges, sieht in dem ungeheuren Bedarf des osmanischen Reichs an Baukeramik im 16. Jahrhundert den wesentlichen Faktor für die beispiellose technologische und künstlerische Entwicklung der Iznik Keramik. Unter Süleyman dem Prächtigen (1520-1566) hatte das osmanische Reich politisch, wirtschaftlich und kulturell seinen Zenith erreicht und errichtete unter der Ägide des Stararchitekten und Baumeisters Sinan Meisterwerk um Meisterwerk. Moscheen vor allem, aber auch Paläste, öffentliche Bäder und Privathäuser wurden nach der Mode der Zeit mit reichem und vielfältig variierenden Fliesenschmuck versehen. Jedenfalls in Iznik, dessen Töpfer mit der Erfüllung der höfischen Fliesen-Aufträge kaum nachkamen, wurde die Herstellung von Tellern, Schalen und anderem Gerät stets als sekundär angesehen. Die stilistischen Vorgaben des Hofes, die Überwachung der Produktion und die Qualitätskontrolle galten eindeutig den Fliesen und nicht der Gefäßkeramik. Dort nämlich hatten die Reichen und Mächtigen den Reiz und die Schönheit des chinesischen Porzellans entdeckt, das über die Seidenstrasse erstmalig in größeren Mengen den Westen erreichte. So findet sich in den Küchendepots des Topkapi Serail – einem der weltweit reichsten Bestände chinesischen Porzellans aus der Yuan- und Ming-Dynastie überhaupt – nicht ein einziger Teller aus Iznik und es ist bis heute nicht eindeutig geklärt, ob der Hof als tägliches Gebrauchsgeschirr überhaupt Gefäßkeramik aus Iznik nutzte. Dieser sekundäre Rang von Tellern und Schalen gegenüber der Produktion von Fliesen ist aber ein rein quantitatives und wirtschaftliches Faktum. Vom Standpunkt der Qualität und der künstlerischen Gestaltung, liegen Baukeramik und Gefäßkeramik gleichauf. Es waren dieselben Handwerker und Künstler, die, wenn auch in geringerem Umfang, diese Gebrauchskeramik für einen gehobenen bürgerlichen Bedarf herstellten. Da hier keine, an der Architektur und dem höfischen Geschmack orientierten Vorgaben vorlagen, waren die Künstler freier und der typische naturalistische Stil der Iznik-Keramik mit seinen leuchtenden Farben und harmonischen Farbzusammenstellungen, mit seinen Tulpen und Narzissen, Pflaumen- und Granatapfelzweigen, aber auch mit Cintamanimuster und Tigerstreifen, entwickelte sich zuerst in der Gefäßkeramik und fand nur mit einer gewissen Verzögerung Anwendung auch in der Baukeramik. Diese parallele Behandlung der Bau- und Gefäßkeramik ist die Besonderheit dieses Buches, das im Übrigen die Entwicklung der Iznik-Ware im 15. und 16. Jahrhundert, die technologischen Besonderheiten, den Übergang vom groben, roten zu einem porzellanähnlichen, weißen Scherben, die allmähliche Erweiterung des Farbspektrums, vor allem die Erfindung des berühmten Korallenrot und die in den Mustern verarbeiteten, häufig chinesischen Einflüsse beschreibt und mit wunderbaren Bildern vor Augen führt. Auch bei den hervorragenden Farbabbildungen, oft doppelseitig und mit ganzseitigen Detailausschnitten, sind es die Fliesen, deren unglaubliche Vielfalt und begeisterndes Design am meisten beeindrucken. Und für jeden Fliesentyp, jedes Design und für jede Epoche finden sich im Text exakte Hinweise, in welcher Moschee oder anderen Bauwerken in Istanbul, Edirne, Bursa und in weiteren Orten dieser Architekturdekor noch heute im Original studiert und bewundert werden kann. Sieht man von dem dafür eher ungeeigneten Format und Gewicht des Buches ab, kann es auch als ein Reiseführer für den Iznik-begeisterten Touristen durchgehen, der diesen nicht nur in die berühmten Moscheen wie Süleymaniye oder Rüstem Pasha, sondern zu zahlreichen kleineren und unbekannten Monumenten führt, in denen sich diese Schätze bis heute erhalten haben. Mit „Dance of Fire“ wird jedem Liebhaber von Iznik-Keramik bewusst, dass gerade dieses Buch bisher gefehlt hat.

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