Masterpieces of Islamic Art – The Decorated Page from 8th to the 17th Century

Autor/en: Oleg Grabar
Verlag: Prestel Verlag
Erschienen: München Berlin London New York 2009
Seiten: 224
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 59.–
ISBN: 978-3-7913-4379-2
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2009

Besprechung:
Der internationale Doyen auf dem Gebiet islamischer Kunst und Architektur heißt Oleg Grabar. Seine mit Marilyn Jenkins-Medina betreute Neuauflage des Ettinghausen-Klassikers „Islamic Art and Architecture 650-1250“ ist das Standardwerk zur frühen islamischen Kunstgeschichte schlechthin, und als Professor am Institute for Advanced Studies in Princeton ebenso wie als Inhaber der Aga Khan Professur für Islamische Kunst an der Harvard Universität hat Oleg Grabar über Jahrzehnte die Szene der islamischen Kunstwissenschaft dominiert. Oleg Grabar, längst Professor emeritus, wird in diesem Jahr 80 Jahre alt, doch sein Einfluss ist nach wie vor ungebrochen. Niemand anderem als ihm konnte es daher gelingen, die wichtigsten und schönsten Werke islamischer Malerei aus den bedeutendsten Museen und privaten Sammlungen dieser Welt in einem Buch zu vereinen. Der Louvre, die Nationalbibliotheken von Wien, Kairo, Paris und London, das Metropolitan Museum, das Topkapi Palast Museum und das neue Museum für Islamische Kunst in Qatar, die Freer und Sackler Galleries des Smithsonian Institute in Washington, die Sammlungen Khalili in London und Aga Khan in Genf und noch einige andere mehr haben für Oleg Grabar ihre Schatzkammern geöffnet und ihre schönsten islamischen Miniaturen für ein einzigartiges Projekt zur Verfügung gestellt. In seinem Vorwort betont Oleg Grabar, dass es ihm in diesem Buch nicht um die wissenschaftliche Bearbeitung des Themas geht, sondern dass ihm die außergewöhnliche Schönheit dieser Kunstwerke am Herzen liegt, dass er eine gänzlich subjektive Auswahl getroffen hat und dass der hohe ästhetische Wert dieser Bilder dem Vergnügen derer dienen soll, die sie bewundern und ihre Freude daran haben. Er selbst – und das spricht aus jeder Zeile seines Textes, aus der getroffenen Auswahl, den liebevollen Bildbeschreibungen und den zahlreichen Detailwiedergaben – ist der erste, der diese Kunst bewundert und Freude an ihr hat. Der Leser und Betrachter wird so zum Teilhaber der Quintessenz eines ganz der islamischen Kunst gewidmeten Lebens. „Einladung zum Träumen“ nennt der Autor den zentralen Teil seines Buches und hier sind es vor allem die Miniaturen zu den Heldenepen der frühen iranischen Literatur in Vers und Prosa, die zunächst anonyme und später namentlich bekannte und gefeierte Künstler zu zauberhaften Bildern inspiriert haben. Das Spektrum reicht vom arabischen Maqamat aus dem 11. Jahrhundert, das in einer illustrierten Ausgabe des 13. Jahrhunderts aus der Pariser Bibliothèque Nationale vorliegt, über mehrere Fassungen des Shanama, des „Buchs der Könige“ von Ferdowsi, bis zur häufig illustrierten Fabel von Kalila und Dimna. Diese Auswahl von etwa 70 Miniaturen, deren ästhetische Spannweite vom wilden, dämonischen Stil des Muhammad Siyah Qalam aus dem berühmten Album des Topkapi Saray Museums (15. Jahrhundert) bis zu den unübertroffenen höfischen Meistern der Miniaturmalerei des Shanama von Schah Tamasp (ca. 1520) reicht, sind Meilensteine islamischer Malerei, die in einem verhältnismäßig engen geographischen und zeitlichen Rahmen einen Höhepunkt einer zwar islamischen aber dennoch ganz und gar weltlichen Kunst darstellen. Sie sind in ihrer Darstellung der Heldentaten ebenso wie der Liebes- und Jagdabenteuer orientalischer Prinzen, einer meist phantastisch überhöhten Landschaft und der in ihr wirkenden Dämonen, der mythischen wie der realen Tiere und Vögel, blühender Gärten und höfischer Architektur, fast stets reich geschmückt mit Ornament und Kalligraphie, Quellen einer Bildkunst, deren Detailreichtum und narrative Qualität immer wieder aufs Neue fasziniert. Doch der Autor wäre nicht Oleg Grabar, wenn er sich auf die schiere Vorstellung schönster Bilder beschränkte. Wir erfahren in dem einleitenden Kapitel die ganze Geschichte über die Entwicklung der Buchkunst in der islamischen Welt, wie sich aus der Wiedergabe des Koran, einem Akt der Verehrung Allahs, zunächst dekorative Schriften und die Kunst der Kalligraphie entwickelten und wie sich mit der Übernahme der Papierherstellung aus China allmählich aus der immer reicher werdenden Illumination der Handschriften deren Illustration, die Miniaturmalerei entstand, um nach einem ersten Höhepunkt in der arabischen und irakischen Buchmalerei des 13. Jahrhunderts schließlich mit der Blüte der safawidischen Kunst im 16. Jahrhundert den Gipfel zu erreichen. Die in dieser Zeit, etwa unter Schah Tamasp entstandenen Illustrationswerke und Alben sind Sternstunden der Bildkunst, die später in den Werkstätten der Mogulkaiser oder der osmanischen Sultane nie wieder erreicht wurden. Es war eine höfische, fast kann man sagen Luxusindustrie, in der in unmittelbar dem Kaiser unterstehenden Studios und Werkstätten, den Kitabkhanas, alle zur Herstellung solcher Buchkunstwerke notwendigen Künstler und Handwerker unter einem Dach zusammenarbeiteten. Das alles wird von Oleg Grabar wie angekündigt nicht „in wissenschaftlicher Tiefe“ erzählt, sondern locker, flüssig und lesbar aus dem Fundus einer lebenslangen Beschäftigung mit dieser Kunst und mit der zu ihr gewonnenen Liebe. Gleiches gilt für das Schlusskapitel, in dem uns der Autor in die Welt der Bilder und damit in die historischen und gesellschaftlichen Grundlagen der damaligen islamischen Welt einführt, wie sie sich in den Bildern repräsentiert. Das Leben am Hofe, der architektonische Rahmen, Details der Jagd auf wilde Tiere, die Bewaffnung von Kriegern oder die Ausübung von Handwerken sind reale Informationen ebenso wie diejenigen über das nomadische Leben und das Reisen mit Kamel und Zelt. Zugleich aber wird durch die ganz besondere Art der Darstellung auf diesen Bildern, wo sich wie auf einer Bühne oft viele Szenen einer Geschichte nebeneinander und perspektivlos addieren, zusammengefasst oft nur durch eine imaginäre Architektur oder Landschaft, eine stets erstrebte doch nie erreichte, ideale Welt gezeigt. Oleg Grabar sieht in diesen alternativen Interpretationsebenen dieser Bilder ihren spezifisch islamischen Charakter, den Ausdruck einer Kultur, deren besondere Spiritualität es möglich macht, dass Legenden und Symbole, Geschichte und Genealogie, Überkommenes und Innovation, militärische Werte und fromme Demut, dass das tägliche Leben und ein mystischer Bereich von Hoffnung und Erlösung in einer Art der Ungewissheit nebeneinander existieren. Ein großartiges Buch und ein wahres Geburtstagsgeschenk des 80jährigen Jubilars an alle Freunde islamischer Kunst.

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