Rivers of Paradise – Water in Islamic Art and Culture

Autor/en: Sheila Blair, Jonathan Bloom (Hrsg)
Verlag: Yale University Press
Erschienen: New Haven and London 2009
Seiten: 372
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 45.– englische Pfund
ISBN: 978-0-300-15899-1
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2009

Besprechung:
Wasser ist so wesentlich für das Leben wie die Luft, die wir atmen. Und dennoch ist der Gebrauch und Verbrauch von Wasser in unseren gemäßigten Zonen gedankenlos. Schlagzeilen macht Wasser nur dann, wenn es zu viel oder zu wenig davon gibt, wenn ausbleibende Niederschläge zu einer Dürrekatastrophe führen oder tagelanger Regen Bäche und Flüsse anschwellen, über die Ufer treten und Dämme brechen lässt. In den Ländern der islamischen Welt, vom Norden Afrikas bis zu den Wüsten des Subkontinents, von Arabien bis zum Tarimbecken, ist das anders. Diese überwiegend trockenen Länder sind auf den bewussten Umgang mit Wasser angewiesen, die Ernährung der Bevölkerung, die Landwirtschaft ist nur mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen gesichert und die meisten der großen Städte des Islam, Kairo, Damaskus, Bagdad, Isphahan, Samarkand oder Delhi wären ohne die großen Flüsse, die das Wasser aus dem oft weit entfernten Bergland in die Metropolen transportieren, gar nicht denkbar. Kein Wunder also, dass schon im Koran Wasser als ganz besonderes Geschenk Gottes an die Menschheit eine wichtige Rolle spielt und dass die Verheißung des Paradieses stets mit einem Überfluss an Wasser verbunden ist. „Rivers of Paradise“ ist eine im Koran häufig vorkommende Phrase, die den paradiesischen Zustand der Freiheit von Sorgen um das tägliche Wasser umschreibt, und es ist der Titel des vorliegenden Sammelbandes mit 12 Essays zum Thema Wasser in der islamischen Kunst und Kultur. Seine Hoheit, Scheich Hamad bin Khalifa Al Thani, der Emir von Qatar, hat im Zuge seiner unablässigen Bemühungen um die islamische Kunst und Kultur zusammen mit der Virginia Commonwealth University School of Arts in Qatar im Jahre 2005 die alle zwei Jahre stattfindenden „Hamad-bin-Khalifa“-Symposien ins Leben gerufen. Das zweite dieser Symposien versammelte 2007 in Doha Kunsthistoriker, Archäologen, Konservatoren, Architekten und Kuratoren zu einem ersten Versuch, die unterschiedliche und vielfältige Rolle von Wasser in der islamischen Kunst und Zivilisation zu untersuchen. Die Themen reichen dabei von der symbolischen Bedeutung von Wasser in Religion und Ritual, seiner Rolle in Poesie, Literatur und Kunst bis zu ganz profanen Vorgängen und Maßnahmen, wie Wasser gewonnen, aufbewahrt, transportiert, verteilt und serviert wird. „Rivers of Paradise“ ist damit ein Kompendium islamischer Kunst und Kultur mit einem breit gefächerten chronologischen und geographischen Spektrum vom Beginn des Islam bis heute und von den Oasen in der Wüste bis zu den Überschwemmungsgebieten in Bengalen und Bangladesch. Mehrere der Beiträge befassen sich mit der Verehrung und Verherrlichung des Leben spendenden und Glück verheißenden Wassers in Literatur, Poesie und Malerei und der damit eng verwandten Thematik Garten und Paradies. Von den Spuren, die die Gartenanlagen der Umayyaden und Abbasiden hinterließen, den Gärten um das Taj Mahal und im Palast des Kalifen von Cordoba bis zum soeben fertiggestellten Park der Jordan National Gallery in Amman begleitet das Thema Garten den Islam von Beginn bis heute. Gleiches gilt für Gefäße für Wasser aus Glas, Keramik oder Metall, die durch ihre Vielfalt an Formen und Dekoren die Entwicklung islamischer Stile durch die Jahrhunderte dokumentieren. Die meisten Beiträge aber sind der Architektur im weitesten Sinne, also Wasserbauwerken in Form von Leitungssystemen, Brunnen, Brücken, Wasserrädern und Zisternen gewidmet. Dabei ist eine Architektur, die unsichtbar bleibt, vielleicht am faszinierendsten: Es sind die qanats, unterirdische Kanalsysteme, die das Wasser über Dutzende von Kilometern in die Städte transportieren. Die Oasenstadt Turfan, ja die gesamte persische Kultur und viele Städte wie Hamadan, Nishapur, Kirman oder Yazd wären ohne diese schon in frühester Zeit errichteten qanats gar nicht denkbar. Von nicht minderer Bedeutung sind Brunnen. Integriert in Moscheen und Medresen, als selbständige Brunnengebäude und aus dem Stadtbild orientalischer Stadtlandschaften nicht wegzudenken, sind sie eine Erinnerung an die Bedeutung von Brunnen für Reisende in der Wüste und ein Mahnmal an dieses Geschenk Allahs. Islamische Wasserarchitektur, als Beispiele seien hier der berühmte Löwenbrunnen der Alhambra, die Khwaju-Brücke in Isfahan oder die gewaltige Zisterne in der Altstadt von Istanbul genannt, ist viel mehr als bloße Architektur und Ingenieurleistung. Es sind stets der Allgemeinheit dienende Einrichtungen, zugleich aber auch Instrumente der Legitimation ihrer Bauherren, Dokumente ihrer Patronage und immer Leistungen zur Ehre Gottes. Das schon zwei Jahre nach dem Symposium vorliegende Buch überzeugt durch die Qualität und Vielfalt seiner Beiträge, durch das reiche Illustrationsmaterial und die gediegene Ausstattung. Es bestätigt die führende Rolle des Emirats von Qatar in der wissenschaftlichen Bearbeitung und Verbreitung islamischer Kunst und Kultur. Das vom 2. bis zum 4. November in Cordoba, wiederum von Sheila Blair und Jonathan Blum organisierte dritte Hamad bin Khalifa Symposium war dem Thema der Farbe in der Islamischen Kunst und Kultur gewidmet. Die Veröffentlichung auch dieser Beiträge darf man mit Spannung erwarten.

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