Josephine Powell (1919-2007) – Traveller, Photographer, Collector in the Muslim World

Autor/en: Judith Vos (Hrsg)
Verlag: Royal Tropical Institute KIT Tropenmuseum
Erschienen: Amsterdam 2008
Seiten: 94, CD mit 93 Minuten Film
Ausgabe: Softcover
Preis: € 25.–
ISBN: 978-90-6832-6987
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2009

Besprechung:
Als Josephine Powell, geboren am 15. Mai 1915 in New York, in der Nacht des 19. Januar 2007 an ihrem Arbeitstisch in Istanbul starb, ging ein außergewöhnliches Leben zu Ende. Ihr Verdienst um das textile Erbe Anatoliens ist bekannt, publiziert und in Nachrufen gewürdigt. Sie wurde dafür ausgezeichnet und geehrt. Ein Symposium in Traunstein im Oktober 2004 – das jährliche „Volkmann-Treffen“ für Teppich- und Textilfreunde – war ihr gewidmet und im Oktober 2006 wurde ihr in Washington der George Hewitt Meyers Award des Textile Museum für ihre außergewöhnlichen Beiträge und Studien zum Verständnis der textilen Künste verliehen. Josephine Powells bedeutende Sammlung anatolischer Kelims und textiler Vorratsbehälter, die Aufzeichnungen über ihre jahrzehntelange Feldforschung in Anatolien und die dabei entstandenen, ca. 30.000 Fotografien gingen geschlossen in die Vehbi Koc Foundation in Istanbul und stehen der Wissenschaft zur Verfügung. Die schönsten Kelim und Vorratssäcke der Sammlung wurden im Oktober anlässlich der XI. Internationalen Konferenz für den Orientalischen Teppich (XI. OCOC) in Istanbul in einer denkwürdigen Ausstellung im Silahhane des Sadberk Hanim Museum gezeigt und sind in dem dazu erschienenen Katalog „Giving back the colours“ dauerhaft zu bewundern. Aber ist das so vermittelte Bild von Josephine Powell als einer großen Sammlerin der textilen Kunst Anatoliens richtig? Tatsächlich begann der anatolische Teil ihres Lebens, dessen Früchte heute in der Vehbi Koc Foundation verwahrt werden, erst 1978 als sie von einem englischen Verlag den Auftrag für ein Buch über anatolische Kelims und Flachgewebe annahm und kurzerhand von Rom nach Istanbul übersiedelte. Nachzulesen ist das alles in einem schmalen Band des Tropenmuseums Amsterdam, dessen bedeutende Sammlungen über die Alltagskultur Pakistans, Marokkos und der Türkei von Josephine Powell geprägt wurden. Wer nun aber einen ethnologischen Hintergrund vermutet, liegt falsch. Nach einer akademischen Ausbildung in Zoologie und Sozialwissenschaften war Josephine Powell einige Jahre in der internationalen Flüchtlingshilfe der UNO in Tansania und München tätig. In diese Zeit fiel ihre Begegnung mit der Fotografie. Der Kauf einer Leica und einer Hasselblad-Kamera, mehr der Schönheit dieser technischen Objekte als deren Funktion gewidmet, und erste durch Zufall acquirierte Fotoaufträge im nahen Osten sollten ihr Leben fortan bestimmen. Von ihrem 1957 in Rom genommenen Wohnsitz führten sie dann Aufträge und Reisen durch fast die gesamte muslimische Welt, wovon das heute im Fogg Art Museum in Cambridge (USA) verwahrte Archiv mit über 40.000 Fotografien zeugt. Ein Auftrag des Tropenmuseums Amsterdam, in Pakistan nicht nur zu fotografieren, sondern auch für das Museum zu sammeln war für Josephine dann eher überraschend. Da sie nicht wusste, was sie sammeln sollte, sammelte sie – so ihre eigenen Worte – alles. Das Ergebnis war sensationell. Die fast eintausend in dem Dorf Wah zwischen Rawalpindi und Peshawar im Osten Pakistans erworbenen Gegenstände, eine weltweit einzigartige Sammlung, wurden 1964 in einer viel beachteten Ausstellung des Tropenmuseums gezeigt. Es folgte Ende der 60er Jahre, wiederum durch das Tropenmuseum, ein Auftrag für eine entsprechende Marokkosammlung. Ein Jahr darauf sammelte sie für das Ethnografische Museum in Rotterdam in Afghanistan und dann wieder für das Tropenmuseum in Syrien und in der Türkei. Die Bedeutung und Einzigartigkeit dieser Museumssammlungen resultiert vor allem aus den begleitenden Fotografien, die die Herstellung und den Gebrauch der Sammlungsgegenstände an Ort und Stelle dokumentieren. Josephine Powell sah sich selbst – und das gilt auch für ihre Zeit in Anatolien – stets und in erster Linie als Fotografin. Ihr fotografisch geschulter Blick für das Schöne und Wesentliche war eine Voraussetzung für ihre erfolgreiche Sammlungstätigkeit, sei es für die Museen oder, später, für sich selbst. Das kleine Buch des Tropenmuseums Amsterdam ist eine vollständige und wichtige Würdigung des Lebenswerkes von Josephine Powell. Es enthält im Anhang nicht nur eine Biographie nebst Hinweisen über den heutigen Standort ihrer Sammlungen und Fotografien, eine Bibliographie ihrer Veröffentlichungen, den vollständigen Abdruck eines der wenigen von ihr gegebenen Interviews (Istanbul, 2003), sondern vor allem eine CD-ROM mit dokumentarischen Filmaufnahmen aus einer heute nicht mehr existierenden Welt. Sie zeigen das 1969 in Marokko noch blühende Handwerk der Schmiede, Töpfer, Färber, Gerber und vieler anderer mehr, und sie berichten von einem im Nordwesten der Sahara stattfindenden Kamelmarkt, der von den „blue men“, den mit indigoblau gefärbten Tüchern gekleideten Berber-Nomaden aus allen Teilen Marokkos besucht wurde, um dort Handel zu treiben, dem örtlichen Heiligen ein lebendes Kamel zu opfern und das Fest mit Musik, Tanz und in wilden Reiterspielen ausklingen zu lassen. Und wenn man alles über das Leben Josephine Powells schon weiß, so sind es jedenfalls diese einzigartigen filmischen Dokumente, die den Erwerb dieser kleinen Publikation des Tropenmuseums zu einem „Muss“ machen.

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