Arts of the City Victorious – Islamic Art and Architecture in Fatimid North Africa and Egypt

Autor/en: Jonathan M. Bloom
Verlag: Yale University Press
Erschienen: New Haven und London 2007
Seiten: 236
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: US-$ 75.—
ISBN: 978-0-300-13542-8
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2008

Besprechung:
Die Herkunft der Fatimiden, die von 909 bis 1171 in Nordafrika und Ägypten regierten, liegt im Dunkeln und ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Sie selbst sahen sich als die Nachfahren der Tochter des Propheten, Fatima und ihres Gatten Ali, dem Vetter Muhammads. Der Beginn dieser Dynastie wird mit der Gründung des schiitischen Kalifats in Tunesien im Jahre 907 gesehen. Das nie ganz verwirklichte dynastische Ziel einer Herrschaft über die gesamte islamische Welt führte im Jahre 969 zunächst zur Eroberung Ägyptens und, im Jahr darauf, nahe dem alten Fustat, zur Gründung von Kairo. Trotz mancher Erfolge von weiteren Eroberungszügen nach Norden (Syrien) und Osten – selbst Bagdad geriet zeitweise unter die Herrschaft der Fatimiden – blieb Kairo bis zum Sturz des fatimidischen Kalifats das politische und kulturelle Zentrum des Reiches. Eine weise Politik friedlicher Koexistenz der verschiedenen religiösen Gemeinschaften bescherte Ägypten unter dem ersten Jahrhundert fatimidischer Herrschaft einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung. Kairo, Misr al-Qahira, „Die Siegreiche“, wurde zur führenden Metropole der mediterranen Welt, zu einer Stadt von Luxus und Reichtum, voller Paläste, Moscheen, Bibliotheken und anderer öffentlicher Bauten, und zu einem Zentrum von Kunst und Kultur. Die Krise kam im Jahre 1068. Missernten, Hungersnöte und Anarchie im Lande bedrängten den Kalifen. Die Staatskassen waren leer und so kam es zu einer vom Kalifen angeordneten und durch ein gleichzeitig errichtetes Inventar dokumentierten Plünderung des Palastes durch Wachen, Soldaten und Beamte. So berichtet der Historiker al-Maqrizi , dass die Plünderer nicht weniger als 18.000 Gegenstände aus Glas und Bergkristall aus den unermesslichen Schatzkammern entwendeten, von kostbaren Objekten aus Gold, Silber und Elfenbein ganz zu schweigen. Neben den bedeutenden Zeugnissen fatimidischer Architektur in Nordafrika und Kairo sind es vor allem diese schon damals in zahlreiche europäische Kirchenschätze gelangten Kunstobjekte, die die Faszination der Fatimiden ausmachen, eine Faszination, die mit der Ägyptenmode des 19. Jahrhunderts hochaktuell wurde und einen ersten Gipfel in den monumentalen Prachtwerken der „Déscription d´Egypte“ und L´Art arabe…“ erreichte. Gleichzeitig begann auch die kunsthistorische Aufarbeitung des Themas allen voran durch den Schweizer Max von Berchem, der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zahlreiche Studien zu fatimidischer Kunst und Kultur veröffentlichte. Die große Monographie zu diesem Thema musste indessen fast ein weiteres Jahrhundert warten und liegt erst jetzt aus der Feder des auf diesem Gebiet führenden Kunstwissenschaftlers Jonathan Bloom vor. Es ist ein umfassendes, ungemein detailreiches und mit über 150 Fotografien komplett ausgestattetes, bewundernswertes Werk, das, wie Robert Hillenbrand in seinem Vorwort schreibt, eine Rarität darstellt, da es über andere islamische Dynastien und Epochen nichts Vergleichbares gibt. Bloom selbst versteht sein Werk als den – man muss sagen wohlgelungenen – Versuch, hundert Jahre später Max von Berchems Methode und Systematik auf den gesamten Korpus fatimidischer Kunst anzuwenden. Das bedeutet vor allem, dass fatimidisches Kunstschaffen hier nicht isoliert für sich, sondern im Kontext mittelalterlich islamischer Kunst und im Zusammenwirken mit anderen mediterranen Kulturen, hier insbesondere der christlichen Kunst dargestellt wird. So erklärt sich auch eine für die islamische Kunst bemerkenswerte Besonderheit fatimidischer Objekte: Es ist die überaus häufige, lebensnahe Darstellung naturalistisch wiedergegebener Menschen und Tiere in verschiedenen Aktivitäten, etwa beim Reiten, Jagen oder Trinken. Die fatimidische Kunst war eine vorwiegend weltliche Kunst, die den Reichtum und die Liebe zum Luxus in einer prosperierenden Metropole spiegelt und den islamischen Trend zur Bildlosigkeit weithin ignoriert. Es ist neben anderen mediterranen Einflüssen wohl auch das Erbe koptischer Christen, das in dieser Spielart islamischer Kunst fortlebt. Als herausragende Beispiele sollen hier neben Arbeiten aus Glas, Elfenbein, Silber, Kupfer, Holz und Textilien Bergkristall und Keramik erwähnt werden. Nicht von ungefähr ziert den Umschlag des Buches ein großer, aus einem Block Bergkristall herausgearbeiteter Glaskrug mit der Darstellung eines sitzenden Löwen und einem vollplastischem Steinbock als Bekrönung des Henkels – heute in der Schatzkammer von San Marco in Venedig. Die kunsthandwerkliche Fertigkeit, mit der das Material bis zu einer Wandstärke von wenigen Millimetern bearbeitet wurde, ist kaum vorstellbar. Bei den keramischen Arbeiten dominiert die Lüstertechnik, die in ihrer Farbigkeit an den Glanz von Gold und schimmernder Seide erinnert. Sie erreichte in Kairo eine ausgesprochene Blüte und im Lüsterdekor dominieren hier die lebendigen Darstellungen von Menschen und Tieren. Ohne das fatimidische Vorbild sind die späteren keramischen Arbeiten in Syrien, im Iran und in Spanien kaum denkbar. Neben diesen Highlights fatimidischer Kunst vermittelt der Autor, vor allem in dem einleitenden Kapitel eine fundamentale Einführung in die Geschichte jener Zeit mit einer Fülle historischer Informationen. Es folgt die Darstellung von drei Epochen fatimidischen Kunstschaffens, jeweils unterteilt in Architektur und dekorative Kunst. Es beginnt mit der nordafrikanischen Epoche des Aufbruchs (909 bis zur Eroberung Ägyptens 969), auf die dann die Blütezeit in Kairo von 969 bis in die sechziger Jahre des 11. Jahrhundert folgt. Daran schließt die Spätzeit, die im Jahre 1171 mit dem Sturz des fatimidischen Kalifats durch Saladin und der Eingliederung Ägyptens in das abbasidische Reich endet. Ein abschließendes und zusammenfassendes Kapitel befasst sich schließlich mit den Wirkungen der fatimidischen Kunst. Der Autor konstatiert hier einen eher geringen Einfluss auf die Geschichte der islamischen Kunst und hebt vor allem den unübersehbaren Einfluss auf Sizilien und das christliche Europa hervor. Hier mag die historische Plünderung fatimidischer Schatzkammern im Jahre 1069 und die über den Handel erfolgte Zerstreuung dieser Kleinoder über ganz Europa eine Rolle gespielt haben. Blooms Monographie über fatamidische Kunst und Architektur ist ein wichtiges Buch von höchstem wissenschaftlichem Standard und es wäre zu wünschen, dass vergleichbare Publikationen auch zu anderen Epochen islamischer Kunst geschrieben werden. So versteht der Autor seine Arbeit auch als einen Ansporn für weitere Forschung, der hoffentlich auf fruchtbaren Boden fällen wird.

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