Sammlerglück – Islamische Kunst aus der Sammlung Eduard de Unger

Autor/en: Claus-Peter Haase (Hrsg)
Verlag: Hirmer Verlag
Erschienen: München 2007
Seiten: 132
Ausgabe: Hardbound
Preis: € 34.90
ISBN: 974-3-7774-4075-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2007

Besprechung:
„Sammeln ist in gewisser Weise wie Jagen: Nicht nur gibt es ästhetisches Vergnügen an den gesammelten Objekten, sondern die Suche nach ihnen ist schon vergnüglich. Ich glaube, dass das Aufregendste daran nicht der Besitz, sondern die erste Begegnung mit dem Objekt ist. Jedes einzelne Objekt, das ich erwerben konnte erzählt eine Geschichte, und jede Erwerbung erwuchs aus einer plötzlichen Leidenschaft oder einer allmählich wachsenden Zuneigung.“ Edmund de Unger begann mit dem Sammeln im Alter von 10 Jahren. Nur wenige Jahre später, mit fünfzehn, erwarb er für 4 englische Pfund einen spektakulären türkischen Teppich aus dem 14. Jahrhundert. Mit dieser Liebe zu Teppichen – seine Kommilitonen sprachen von „mottenzerfressenen Fetzen“ – begann das Interesse des jungen Sammlers für islamische Kunst. Den Teppichen folgten Keramiken, die für de Unger mit ihren leuchtenden Farben, ihrer Feinheit und dem Wagemut des Ornamententwurfs vieles mit orientalischer Teppich- und Textilkunst gemein haben. Parallel entwickelte sich die Liebe zur Kunst des Buches, zur Miniaturmalerei und Kalligraphie und schließlich kam noch das Sammeln islamischer Metallobjekte hinzu, denn „keine Sammlung islamischer Kunst wäre vollständig ohne die Metallarbeiten“. In mehr als einem halben Jahrhundert hat Edmund Unger die berühmte „Keir Collection“ zusammengetragen, benannt nach dem Wohnsitz der Familie im Londoner Stadtteil Wimbledon, mit ca. 1500 Objekten eine der bedeutendsten privaten Sammlungen islamischer Kunst. Es ist ein Glücksfall und den jahrzehntelangen Beziehungen des Sammlers zu den Berliner Museen und ihren Direktoren und Kuratoren zu danken, dass bedeutende Teile der Keir Collection nun als Dauerleihgabe in das Berliner Museum für Islamische Kunst gelangten – und weitere sollen folgen. 112 herausragende Objekte sind zur Zeit (bis zum 17.12.2008) dort ausgestellt und von dem Katalogbuch „Sammlerglück“ begleitet. Edmund de Unger, geboren in Ungarn, mit der Familie vor den Kommunisten geflohen, in London über Jahrzehnte Barrister für internationales Recht, hatte das Glück, beim Aufbau seiner Sammlung aus großen alten Sammlungen erwerben zu können, etwa aus den Sammlungen Kelekian, Löwi und Kevorkian. Vor allem aber hat de Unger das Gespür und das Auge für das ästhetische Meisterwerk und so fanden auch Trouvaillen aus dem in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch unerfahrenen Kunstmarkt in die Sammlung. Die Geschichte von dem plötzlichen Wolkenbruch, der de Unger in ein Pariser Antiquariat fliehen ließ, wo er unter den herumliegenden Büchern auch einen islamischen Einband fand, in dem er eine spät-dschalairidische Handschrift aus dem Bagdad des 14. Jahrhunderts entdeckte, ist nur eine der zahlreichen Storys, über die man nachlesen kann. Aus diesem Sinn für Qualität und Schönheit und dem durch die Liebe zu dieser Kunst erworbenen Wissen entstand eine Sammlung hochkarätiger Objekte mit vielen Schlüsselwerken der islamischen Kunst vom frühen achten bis zum 19. Jahrhundert. Herausragend aus der Auswahl für Ausstellung und Buch sind fünf seltene Bergkristallobjekte aus der Zeit der Fatimiden (969-1171) und man kann darüber spekulieren, ob sie aus der großen Plünderung des Jahres 1068 stammen, als der Herrscher wegen einer Hungersnot und ausstehenden Soldes seine Schatzkammern für die türkischen Garden öffnen musste. Eine Bergkristallflasche mit dem Motiv des Papageienbaums ist von solcher Qualität, dass die Herkunft aus dem Palast der Fatimiden hochwahrscheinlich ist. Und der winzige kauernde Hase, einst wohl als Amulett getragen, muss ohne Zweifel als der eleganteste bekannte fatimidische Hase bezeichnet werden. Schwerpunkte der ausgestellten und im Buch sorgfältig beschriebenen und bestens abgebildeten Objekte liegen bei der Buchkunst, Kalligraphie und Miniaturmalerei, bei Textilien, von frühen Seiden bis zu Fragmenten klassischer Teppiche und schließlich bei den Metallobjekten aus Messing, Silber und Bronze, graviert, tauschiert und eingelegt mit figürlichen und ornamentalen Mustern. Gewiss, alle der wunderbaren Objekte wurden schon irgendwann einmal veröffentlicht, doch die Bände über Textilien, Teppiche, Keramik oder Metallarbeiten aus der Keir Collection sind schon vor Jahrzehnten erschienen, längst vergriffen und nur für teures Geld in Antiquariaten zu finden. So ist der Berliner Katalog, der einen hervorragenden Ein- und Überblick nicht nur in die Sammlung de Unger, sondern ganz allgemein über islamisches Kunstschaffen auf höchstem Niveau gibt, ein Buch, das in keiner Bibliothek über islamische Kunst fehlen sollte. Das gilt umso mehr als Claus-Peter Haase, Direktor des Islamischen Museums in Berlin und Herausgeber dieses Buches, mit der Geschichte des Sammelns islamischer Kunst in Europa, einen lesenswerten Essay beigetragen hat. Er behandelt die Fragen, wie es kommt, dass sich ein Sammler nicht für die eigene, sondern eine fremde Kultur interessiert und ob ein Verständnis und ein Genuss dieser Kunst ohne tiefe Kenntnis der geistigen und religiösen Grundlagen überhaupt möglich ist. Die hohe ästhetische Qualität islamischer Kunst wurde in Europa zwar schon früh erahnt, wie Schätze in kirchlichen und fürstlichen Reliquien- und Wunderkammern zeigen, doch die Bewertung als Kunst ließ auf sich warten. Islamische Objekte galten als exotisch, als Kuriositäten und bestenfalls als ethnologisch sammelnswert. Erst mit den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts, einer neuen Sichtweise auf das Kunsthandwerk an sich und mit der beginnenden Kenntnis vom Wert und der Bedeutung der Kunst im Islam vollzog sich eine Änderung. Die Einrichtung der Islamischen Kunstabteilung an den Berliner Museen durch Wilhelm von Bode im Jahre 1904 war ein Markstein in der Bewertung islamischer Objekte als Kunst. Womit wir wieder in Berlin wären und bei der bedeutenden Aufwertung der dort versammelten islamischen Kunst durch die Sammlung de Unger.

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