Cosmophilia – Islamic Art from the David Collection, Copenhagen

Autor/en: Sheila S. Blair, Jonathan M. Bloom
Verlag: McMullen Museum of Art, University of Chicago Press
Erschienen: Boston, Chicago 2006
Seiten: 216
Ausgabe: Softbound
Preis: US-$ 50.–
ISBN: 1-892850-11-7
Kommentar: Michael Buddeberg, Mai 2007

Besprechung:
Wenn Kunst auf Reisen geht nennt man das heute gerne Kunsttourismus. Der Kunsttourismus boomt und beschert dem kunstinteressierten Publikum rund um den Erdball ein Event nach dem anderen. Das hat sein Gutes aber auch häufig kritisierte Schattenseiten. Ist es nicht besser, wenn Kunstinteressierte selbst die Kunststätten aufsuchen, wenn sie sich an Ort und Stelle aus dem musealen Angebot das für sie Wesentliche herausfiltern anstatt nur das von Ausstellungskuratoren Ausgewählte bewundern zu dürfen? Und sind es nicht oft ausschließlich wirtschaftliche Interessen, sind es nicht Umsatz und Gewinn, die die Themen, die Objektauswahl und den Weg solch spektakulärer Wanderausstellungen bestimmen? Kunsttourismus nennt man aber auch die Geschäftspolitik einiger großer, internationaler Museen, an repräsentativen Orten dieser Welt Zweigmuseen zu errichten. Das Guggenheim Museum hat damit begonnen und der Louvre hat mit seinem Plan, einen Ableger im boomenden Dubai zu errichten, für weltweites Aufsehen gesorgt. Das Für und Wider wird in den Medien kontrovers diskutiert, doch aufzuhalten ist die Globalisierung des Kunstbetriebs nicht. Hier nun soll von einem Kunsttourismus die Rede sein, gegen den überhaupt nichts einzuwenden ist. Auch Museen müssen von Zeit zu Zeit renoviert und modernisiert werden und dann kann die Kunst getrost auf Reisen gehen. Das Victoria & Albert Museum hat das während der Renovierung der Jameel Gallery of Islamic Art so gehandhabt, zur Zeit ermöglicht eine Erneuerung des Cleveland Museum of Art eine außergewöhnliche Ausstellung höchstrangiger und früher europäischer Kunst im Bayerischen Nationalmuseum in München, und auch an den beiden alten Häusern, die in Kopenhagen die David Collection beherbergen, hat der Zahn der Zeit solange genagt, dass man nun die Kunst auf Reisen schickte. Die Stationen dieser Reise liegen bzw. lagen zwar in den USA (Boston und Chicago), jedoch hat uns dieser Kunsttourismus einen Katalog beschert, der die wenig bekannte und nur unzureichend publizierte David Collection in den Mittelpunkt rückt. Es sind zwar nur 123 Objekte dieser Sammlung (von mehr als dreieinhalbtausend), doch ist die Auswahl so geschickt und repräsentativ, dass sich dem Leser und Betrachter das gesamte Spektrum islamischen Kunstschaffens auf höchstem Niveau erschließt. Daran hat die kluge Einteilung des Stoffes in fünf Bereiche wesentlichen Anteil. Es beginnt mit einem Kapitel „Bildnisse“, das mit dem oft gehörten und kolportierten Vorurteil, die islamische Kunst sei bilderfeindlich, gründlich aufräumt. Gewiss sucht man, ganz im Gegensatz zur christlichen Kunst, in der der Religion und dem Glauben gewidmeten Kunst, Architektur und Handwerk vergeblich das menschliche Abbild, doch die Kunstfertigkeit und Ausdruckskraft, mit der beispielsweise Weber, Miniaturmaler, Töpfer oder Metallhandwerker in säkularen Gegenständen Menschen und Tiere dargestellt haben, hat nichts mit Bilderfeindlichkeit zu tun, ganz im Gegenteil. Die einzigartige runde Webarbeit aus Gold- und Silberfäden aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die einen von Höflingen und hochrangigen Besuchern flankierten, mongolischen Prinzen zeigt, während sich im Dschungel der Bordüren alle möglichen Tiere tummeln, soll hier als herausragendes Beispiel genannt werden. Drei weitere Kapitel mit repräsentativen Beispielen aus allen Bereichen islamischen Kunstschaffens widmen sich den großen Themen islamischer Ornamentik: Schrift, Geometrie und Arabeske. Ob es sich um Holzarbeiten handelt oder um frühe Keramiken, um Glas oder Teppiche, um Webarbeiten oder Bucheinbände, Miniaturen, Schriftblätter, Waffen oder Metallgefäße, Marmorpaneele oder Kacheln, stets überzeugt die hohe und höchste Qualität der Sammlungsstücke, und belegt den hohen Rang der David Collection. Die von dem erfolgreichen Anwalt und Sammler Christian Ludwig David (1876-1960) im Jahre 1945 als Stiftung begründete Sammlung, die seit jeher in dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Stammhaus der Familie in Kopenhagen untergebracht ist, kann damit, was die Qualität anlangt, ohne weiteres mit den großen öffentlichen und privaten Sammlungen islamischer Kunst (V&A, Louvre, Khalili, Al Sabah, Metropolitan) in einem Atemzug genannt werden. In dem fünften und abschließenden Kapitel „Hybrids“ werden schließlich Gegenstände gezeigt, etwa ein frühes spanisches Lampas-Gewebe, eine ägyptische Elfenbeindose aus dem 14. Jahrhundert oder ein persischer Leuchter mit Einlegearbeit in Gold und Silber, die alle drei Dekorformen, Kalligraphie, Bandelwerk und florale Gestaltung, vereinen, wiederum allesamt Höhepunkte islamischer Dekorkunst. Der umfassende, einleitende Essay der Autoren und Herausgeber über das Ornament in der islamischen Kunst passt dazu ebenso wie der überaus lesenswerte Beitrag von Claude Cernuschi mit dem Titel „Adolf Loos, Alois Riegl und die Debatte über das Ornament im Wien des Fien-de-Siecle“. Während Alois Riegl, ein Kenner vor allem des orientalischen Kunsthandwerks und Kurator der jungen österreichischen Sammlung dekorativer Kunst, mit seinem Werk „Stilfragen“ eine komplexe Geschichte des Ornaments in der Kunstgeschichte aller Kulturen versuchte, polemisierte der Architekt und Kulturkritiker Adolf Loos mit seiner Streitschrift „Ornament und Verbrechen“ gegen die Lust am Dekorativen und verdammte jeden Dekor als degeneriert, unmoralisch oder gar kriminell. Den maßgebenden Einfluss des dekorativen islamischen Kunsthandwerks auf die spezifisch wienerische Spielart des Art Nouveau, auf den Jugendstil und die Arts & Crafts Bewegung konnte er damit aber auch nicht verhindern. Dieser kulturphilosophische Rückblick auf eine fast schon skurrile Auseinandersetzung eröffnet einen neuen Blick auf das Dekorative Element in der Kunst und auf den bloßen Dekor, der in der islamischen Kunst eine so dominierende Rolle spielt. Nicht zuletzt wegen dieses interessanten Beitrages sollte der Katalog „Cosmophilia“ in keiner Bibliothek über islamische Kunst fehlen.

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