From Cordoba to Samarqand – Masterpieces from the Museum of Islamic Art in Doha

Autor/en: Sabahi al Khemir
Verlag: Musée du Louvre Èditions – 5 Continents
Erschienen: Paris – Mailand 2006
Seiten: 222
Ausgabe: Hardcover illustriert
Preis: € 42.–
ISBN: 88-7439-314-4
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2006

Besprechung:
Gehört Kunst dorthin, wo sie entstanden ist? Die Nofretete nach Ägypten, die Elgin-Marbles nach Athen und der Pergamon-Altar in die Türkei? Die Bestätigung nationaler Bedeutung und Identität durch die Präsentation kultureller Vergangenheit ist ein verständliches Anliegen selbstbewusster Staatlichkeit. So ist die Rückerstattung von Kunstwerken, die Abenteurer und Forschungsreisende unter der Ägide eines anderen Zeitgeistes vor Ort bargen, heute ein hochaktuelles Thema. Und ein Problem, dessen Lösung nicht in Sicht ist. In den Kontext dieser in erster Linie völkerrechtlichen Problematik gehört die Besinnung neuer Gesellschaften auf ihre kulturelle Vergangenheit. Hier wird das Problem gerne durch den Einsatz von Reichtum bewältigt. Der Rückkauf chinesischer Kunst zu Sensationspreisen durch chinesische Industrielle oder, hochaktuell, die Organisation von Auktionen russischer Kunst für den neuen russischen Geldadel sind hier treffende Beispiele. In einer anderen Region funktioniert dieser gegenläufige Weg von Kunst seit vielen Jahren. Wo immer in den vergangenen Jahrzehnten hochwertige Exemplare islamischer Kunst angeboten wurden, waren die arabischen Öl-Milliardäre stets zur Stelle und erwarben (fast) alles. Die fast schon legendäre Khalili Collection oder die Sammlung von Scheich Nasser Sabah al-Ahmad al-Sabah im National-Museum von Kuwait sind hier herausragende Beispiele für solcherart entstandene Kunstsammlungen. Relativ jung und längst nicht so umfassend wie die Genannten aber kaum weniger spektakulär ist die Sammlung des Emirat-Staates Qatar im Museum islamischer Kunst in der Haupstadt Doha. Für diese Sammlung wird zur Zeit durch Jeoh Ming Pei, den Architekten der Glaspyramide des Grand Louvre in Paris, auf einer künstlichen Insel ein neues Museum gebaut, eine ideale Gelegenheit also für die Kunstwerke, auf Tournee zu gehen. So waren die bedeutendsten Objekte dieser exquisiten Sammlung bis Juni 2006 im Pariser Louvre zu sehen, begleitet von einem wundervollen Katalog. Im Gegensatz zu den umfassenden Kollektionen Khalili und al Sabah beschränkt sich Qatar auf absolute Spitzenstücke, auf außergewöhnliche und einzigartige Objekte und hat versucht, den ganzen Bereich islamischer Kunst von Cordoba bis Samarkand, vom 9. bis zum 17 Jahrhundert, durch das jeweils Beste in seiner Art abzudecken. So sehen wir in dem Katalog wirklich herausragende Objekte islamischer Kunst und es fällt schwer, auf Kosten vieler hier nur einige herauszugreifen: Eine Keramikschale aus Basra, 9. Jahrundert, kann mit ihrer minimalistischen Inschrift problemlos mit den besten der kalligraphischen Nishapur-Keramiken mithalten. Das Jade-Amulett von Schah Jahan aus dem Jahre 1632 steht für einen wichtigen Lebensabschnitt dieses Moghul-Kaisers, als er um seine geliebte, früh verstorbene Frau Mumtaz Mahal trauerte. Eine grandiose Elfenbein-Kasette, gearbeitet in Sizilien im 11./12. Jahrhundert, zeigt mit ihren in runden Medaillons dargestellten Tieren islamische Kunst, die gleichermaßen von Zentralasien wie von Europa beeinflusst ist. Die berühmte „Carvour-Vase“, ein mit Emaille und Gold überreich verzierte, große Glasgefäß, das bislang vielfach als zu schön angesehen wurde, um echt zu sein, wird als authentisch und als einzigartiges Belegstück syrischer Glaskunst des 13. Jahrhunderts vorgestellt. Stilisierte Vögel auf einem Samit-Gewebe, in Form und Farbe von zeitloser Ästhetik, entziehen sich bisher einer exakten örtlichen und zeitlichen Zuordnung. Das Gewebe aus Indien oder Zentralasien gehört aber zweifellos zu den schönsten bekannten Textilien des späten Mittelalters. Und schließlich ist auch Jeremy Pine´s Schachbrett-Teppich in die Qatar-Sammlung gelangt, der einzige, noch dazu gut erhaltene timuridische Knüpfteppich aus Seide, von dem wegen des eingeknüpften Schachbretts angenommen wird, dass Timur selbst auf diesem Teppich Schach gespielt hat. All diese herausragenden Kunstwerke sind in dem Katalogbuch hervorragend, meist zusätzlich mit bestechenden Detailaufnahmen abgebildet und sorgfältig beschrieben. Der einleitende Essay gibt einen lesenswerten Überblick über die Grundlagen und die Entwicklung islamischer Kunst und über die herausragende Bedeutung von Wort und Schrift in der materiellen Kultur des Islam. Über die Kalligraphie und die meist narrativen Inhalte der Dekoration wird der literarische Reichtum dieser Kunst hervorgehoben und damit eine besondere Sichtweise auf die schönen Objekte eröffnet. Interviews mit den Architekten des neuen Museums (Museographie von Jean-Michel Wilmotte) machen klar, dass diese in den Schoß des Islam zurückgekehrten Meisterwerke islamischer Kunst in Doha einen ihrer Einzigartigkeit und Schönheit entsprechenden Rahmen haben werden.

Print Friendly, PDF & Email