Ceramics from Islamic Lands – The al-Sabah Collection

Autor/en: Oliver Watson
Verlag: Thames & Hudson
Erschienen: London 2004
Seiten: 512
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag im Schuber
Preis: 50.- englische Pfund
ISBN: 0-500-97629-5
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2004

Besprechung:

Der Rezensent hat hier leichtes Spiel. Vor drei Jahren hat Stefano Carboni mit „Glass from the Islamic Lands“ einen großartigen Katalog der Glassammlung des Scheich Nasser al Sabah vorgelegt und damit eine umfassende Gesamtdarstellung des islamischen Glases. In Sekundenschnelle findet der Leser im Archiv der Buchbesprechungen der Preetorius Stiftung unter „Islam“ die Rezension. Was damals zum Umfang und zur Qualität der Sammlung und zur Sorgfalt und Vollständigkeit der wissenschaftlichen Bearbeitung durch den Autor gesagt worden ist, gilt in gleicher Weise für das Buch von Oliver Watson. Hier wie dort werden alle Herstellungs- und Dekortechniken abgedeckt, alle Herkunftsregionen und eine Zeitspanne von mehr als tausend Jahren. Hier wie dort findet der Leser einzigartige und kostbare Prunkstücke neben undekorierter Gebrauchsware bis hin zu einer Vielzahl kleiner aber wichtiger Fragmente, die erst die Vielfalt islamischer angewandter Kunst so richtig erschließen. Die damalige Besprechung endete mit der Anmerkung, daß das Buch über islamisches Glas das erste einer Serie von Katalogen ist, die die gesamte al-Sabah Collection abdecken werden und daß man sich nach dem gelungen Beginn auf die weiteren Bände über Juwelen, Metallarbeiten, Münzen, Manuskripte, Miniaturen, Textilien und Keramik freuen darf. Und in der Tat, das Buch über islamische Keramik macht uneingeschränkt Freude und es erschließt von der arabischen und osmanischen Welt über den Iran bis nach Zentralasien einen der verborgenen Schätze der Weltkeramik. Es ist hier ähnlich wie beim Glas. Einigen wohlbekannten, von Sammlern und Museen seit jeher gesuchten Typen und Provenienzen stehen eine Vielzahl kaum weniger schöner und wichtiger Produkte gegenüber, die erst in ihrer Gesamtheit ein vollständiges Bild islamischer Keramik, ihrer technischen Innovation, ihrer Vielfalt und ihrer Schönheit vermitteln. Waren es dort die emaillierten und vergoldeten Prunkgläser und Moscheeampeln aus Syrien und Ägypten aus dem 13. und 14. Jahrhundert, so sind es hier abbasidische und iranische Lüsterwaren, Teller und Schalen mit kalligraphischem Dekor aus Nishapur und natürlich osmanische Keramiken aus Iznik und aus Kutahya, die immer schon Sammler und Liebhaber begeistert haben. Weit weniger bekannt und Gegenstand des umfangreichsten der zwei Dutzend vom Autor gebildeten Kategorien islamischer Keramik sind unglasierte Gefäße, Teller, Stempel und Fragmente, entstanden vor oder nur wenig nach der Jahrtausendwende, die durch ihren archaischen, kraftvollen Dekor besonders beeindrucken. Und wo hat man schon je Dutzende sogenannter Filter gesehen, unglasierte, durchbrochene Tonscheiben mit phantasievollen ornamentalen, kalligraphischen oder figürlichen Mustern, dazu bestimmt, Fliegen und andere Verunreinigungen in Getränkekrügen zurückzuhalten? Dieser nach heutigem Wissen wohl vollständige Überblick über keramische Produkte aus der islamischen Welt macht den besonderen Wert dieses Buches aus und macht es zum Standardwerk schlechthin. Oliver Watson konnte in der im Nationalmuseum von Kuwait verwahrten Sammlung al-Sabah, in einer der größten Sammlungen islamischer Kunst weltweit, aber auch aus dem Vollen schöpfen. Die noch immer wachsende Keramik-Kollektion umfaßt heute mehr als 6000 Objekte, von denen für das Buch 400 ausgewählt, sorgfältig beschrieben und auf über 900 Farbabbildungen gezeigt werden. Die Einleitung enthält Kapitel über die Wichtigkeit archäologischer Wissenschaft und Feldarbeit und über die Bedeutung, die private und öffentliche Sammeltätigkeit seit dem 19. Jahrhundert für die Akzeptanz und das Bewahren islamischer Keramik gespielt hat. Die Entwicklung islamischer Keramik, ihre Wurzeln, ihre lokalen Besonderheiten und die Einflüsse, die sie geprägt haben, bis zu den negativen Entwicklungen durch die Übernahme industrieller Methoden aus Westeuropa im 19. Jahrhundert werden in drei umfänglichen Kapiteln (vor dem Jahr 1000, von 1000 bis 1400 und nach 1400) sorgfältig untersucht und beschrieben. Das letzte Kapitel des Textteils widmet sich einem nur selten behandelten und doch hochaktuellen Thema: Restauration und Fälschung. Daß dieses Thema an Objekten der Sammlung al-Sabah in Wort und Bild dargestellt wird, verdient besonders hervorgehoben zu werden und ist Ausdruck sowohl des Selbstbewußtseins des Sammlers wie der Objektivität des Autors. Im Vordergrund dieser Untersuchung stehen nicht vollständig zum Zwecke der Täuschung neu hergestellte und als alt ausgegebene Stücke (englisch: forgery), sondern die sogenannten „fakes“, bei denen ein altes, schon vorhandenes Objekt durch neue Bemalung, durch Hinzufügung von Datierungen oder Inschriften, durch Vergoldungen, durch Ersetzen fehlender Teile oder durch Einsetzen anderer alter Fragmente verschönert oder vervollständigt und damit gefälscht wird. Interessanterweise ist dies bei islamischer Keramik ein sehr altes, bis ins 19. Jahrhundert zurückreichendes Phänomen. Anders als im alten Griechenland oder in China kennt der Islam keine Grabbeigaben und es fehlen daher entsprechende Funde. Da es auch einen internationalen Luxushandel mit islamischer Keramik, vergleichbar etwa dem mit chinesischem Porzellan, nie gegeben hat, sind seit alter Zeit in westlichen Schatzkammern wohlverwahrte und gut erhaltene Stücke extrem selten. Die Masse des vorhandenen Materials stammt aus archäologischen Fundstätten, ist fragmentarisch und restauriert. Skrupellose Fälscher haben das schon früh erkannt und Sammler und Museen mit kompletten Stücken versorgt. Objekte, die anläßlich der weltweiten Wanderausstellung der al-Sabah Collection etwa 1996 im Museum für Kunsthandwerk in Frankfurt ausgestellt waren, wurden mittlerweile als fakes erkannt und werden sorgfälig beschrieben und dokumentiert. Am Ende dieses Kapitels bringt der Autor ein bezeichnendes Gleichnis: Seit jeher bewirkt die Jagd, daß mit der wachsenden List der Jäger auch die Vorsicht des Wildes wächst. Entsprechend nehmen mit der Verfeinerung von Analyse und Technik auch die Sorgfalt und das Können der Fälscher zu, ein Problem, das nicht nur die islamische Keramik betrifft. Auch auf die folgenden Bände der al-Sabah Collection darf man sich freuen.

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