Islamische Kunst in Berliner Sammlungen

Autor/en: Jens Kröger, Désirée Heiden (Hrsg)
Verlag: Parthas Verlag
Erschienen: Berlin 2004
Seiten: 270
Ausgabe: Hardcover illustriert
Preis: € 28.–
ISBN: 3-86601-435-X
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2005

Besprechung:
Öffentliche Sammlungen und Präsentationen außereuropäischer Kunst sind ins Gerede gekommen. Der Vorwurf der Plünderung von Kulturgut ist unüberhörbar, wenn von den reichen exotischen Schätzen in den Museen der Kolonialmächte England, Frankreich und Russland die Rede ist. Deutsche sind hier eher in der Minderheit, doch unter den frühen Forschern aber auch Dilettanten, die sich mit Gerissenheit und Begeisterung im Orient und im fernen Osten auf die Suche nach seltenen und spektakulären Artefakten machten, waren sie auch dabei. So hat Albert von Le Coq, der Leiter der deutschen Turfan-Expeditionen am Anfang des 20. Jahrhunderts, den Erfolg seiner Missionen nach der Anzahl und dem Gewicht der von der Expedition mitgebrachten Kisten bemessen (A.v.Le Coq, Auf Hellas Spuren, Leipzig 1926, S.8 u. 9). Wer im Berliner Museum für islamische Kunst vor der gewaltigen, 33 Meter langen und 5 Meter hohen Fassade einer islamischen Wüstenfestung aus dem 8. Jahrhundert steht, mag an diese Diskussion erinnert sein. Doch die berühmte und eindrucksvolle Fassade des nie vollendeten jordanischen Wüstenschlosses von Mschatta ist beileibe keine „Raubkunst“, sondern ein Geschenk des osmanischen Sultans Abdülhamid II an den Deutschen Kaiser Wilhelm II. Eingefädelt hat dieses Geschenk der Kunsthistoriker und Jurist Geheimrat Wilhelm von Bode und dieses Geschenk war das auslösende Moment für die Gründung der Abteilung für ältere islamische Kunst des Kaiser-Friedrich-Museums am 18. Oktober 1904. Als weiteres Gründunggeschenk ist noch die reiche Sammlung altpersischer und kleinasiatischer Teppiche Wilhelm von Bodes zu erwähnen, die er mit ungewöhnlicher Kennerschaft schon im späten 19. Jahrhundert zusammengetragen hatte und die heute den Weltruhm der Berliner Teppichsammlung ausmacht. Bodes „gutes Auge“ hat es ihm ermöglicht, Teppiche zu erwerben, die bis heute zu den Unikaten der Teppichgeschichte zählen. Kaum weniger wichtig für die Präsenz und Bedeutung islamischer Kunst in Berliner Museen war Bodes Nachfolger Friedrich Sarre, der ebenfalls bedeutende Stücke seiner Sammlung dem Museum übereignete. Beide hatten es aber auch glänzend verstanden, das Interesse an islamischer Kunst in höchsten gesellschaftlichen Kreisen zu vermitteln und Mäzene und Spender zu finden. Diese nunmehr einhundertjährige Geschichte islamischer Kunst in Berliner Sammlungen war Gegenstand einer Ausstellung im Museum für Islamische Kunst und kann in dem dazu erschienenen Katalogbuch nachgelesen werden. Fast drei Dutzend Beiträge berichten nicht nur über frühes Mäzenatentum, sondern auch über einzelne Sammler, über spektakuläre Erwerbungen, etwa das berühmte Aleppo-Zimmer, ein einzigartige Zeugnis syrischer Wohnkultur aus der Zeit um 1600, über die Ausgrabungstätigkeit des Museums im 20. Jahrhundert, über Kriegsverluste, Restaurierungsprobleme, Ausstellungen, museumspädagogische Projekte und über die nicht immer ganz einfache Zusammenführung und Neupräsentation von Sammlungen nach der Wiedervereinigung. Wir erfahren über den Reichtum islamischer Kunst in anderen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kunstbesitz, etwa im Museum für indische Kunst, in der Orientabteilung der Staatsbibliothek, des Ägyptischen, des Ethnologischen und des Kunstgewerbemuseums und sogar der Nationalgalerie und des Münzkabinetts. Garniert ist dieses lesenswerte Kaleidoskop lebendiger Museumsgeschichte mit historischen Portraits, mit vielen Fotos früher musealer Präsentationen, mit der bildlichen Dokumentation von Ausgrabungsstätten und Funden und vor allem mit den Höhepunkten islamischer Kunst in Berlin. Hier dominieren neben hochrangigen Objekten islamischen Kunstgewerbes aus Glas, Keramik, Holz, Elfenbein und Metall die frühen Teppiche – zu erwähnen sind hier 4 wenig bekannte Fragmente des 16. und 17. Jahrhunderts aus der Sammlung Bode – und die großartigen Kalligraphien und Miniaturen aus Persien und vor allem Indien. Mit insgesamt 465 indischen Albumblättern, deren schönste in dem Buch wiedergegeben sind, ist Berlin eine der weltweit ersten Adressen für die Malerei der Moghulzeit. Dies alles und das im Laufe von hundert Jahren entstandene einzigartige Ensemble von herausragenden Architekturdenkmälern aus unterschiedlichen Bereichen der islamischen Welt – das Wüstenschloß von Mschatta, geflieste Gebetsnischen aus Konya und Kaschan und das Aleppo-Zimmer – macht das besondere Wesen und die Attraktivität der Berliner Sammlung islamischer Kunst aus. Das Buch vermittelt dies hervorragend, ist spannend zu lesen, wunderbar illustiert und eine ausgezeichnete Anregung für den nächsten Berlinbesuch.

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