Silk (1) – Ivory (2) – Treasures from the Museum of Islamic Art, Qatar

Autor/en: Jon Thompson (1), Mariam Rosser-Owen (2)
Verlag: The National Council for Culture, Arts and Heritage
Erschienen: Doha 2004
Seiten: 96 (1) bzw. 72 (2)
Ausgabe: Hardbound
Preis: je 20.– englische Pfund zzgl. Versandkosten
ISBN: 99921-58-10-7 (1), 99921-58-12-3 (2)
Kommentar: Michael Buddeberg, August 2004

Besprechung:
Bei den klassischen Kulturnationen des nahen, mittleren und fernen Osten sind westliche Industrie- und Luxusgüter hochbegehrt. Oft wurde und wird darüber das eigene kulturelle Erbe vernachlässigt und vergessen. Der Prozeß der Rückbesinnung beginnt dann erst mit dem Erreichen einer gewissen Sättigungsgrenze. Beispiele hierfür gibt es genug. So hat Japan Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts für wirkliche oder vermeintliche Ikonen westlicher Kultur wie Ferrari, Stradivari, Patek Philippe oder van Gogh Milliardenbeträge ausgegeben, bevor man erkannte, daß für weniger Geld einzigartige Zeugnisse der eigenen Vergangenheit, etwa Skulpturen und Malerei aus der Muromachi-Epoche zu haben waren. Und seit Chinas Wirtschaft boomt gehen die besten Stücke von internationalen Ostasiatika-Auktionen fast schon regelmäßig zurück in das Land, aus dem sie einst kamen. Ein weiteres Beispiel sind die arabischen Ölstaaten. Der Ölmagnaten Hang zu westlichem Luxus ist beinahe sprichwörtlich, doch dank sprudelnder Ölquellen ist die Rückbesinnung auf die eigenen kulturellen Wurzeln so manchem Scheich zur kostspieligen Liebhaberei geworden. Kein Wunder also, daß man heute nicht mehr nach London oder New York sondern nach Arabien oder in die Emirate reisen muß, um die schönsten Beispiele islamischen Kunsthandwerks zu sehen. Kuwait und sein Nationalmuseum mit der großartigen Sammlung islamischer Kunst von Scheich al Sabah galt hier bislang als die erste Adresse. Der kleine Staat Qatar hat nun im Frühjahr dieses Jahres mit einer Ausstellung erlesener Objekte islamischen Kunsthandwerks aus Seide und aus Elfenbein einen neuen Akzent gesetzt. Für die beiden begleitenden Kataloge zeichnet der international bekannte Londoner Kunsthändler, Autor und Verleger Michael Franses verantwortlich. Dies und die absolute Spitzenqualität der vorgestellten Objekte macht die beiden Kataloge zu herausragenden Dokumenten islamischer Kunst. Nur 20 Textilien, Samit- und Lampasgewebe, Samte, Wirkarbeiten und Knüpfteppiche, und 12 frühe Elfenbeinobjekte werden vorgestellt, dies aber mit Detailwiedergaben in einer Druck- und Farbqualität, die nicht zu übertreffen ist. Natürlich können Abbildungen nicht das Original ersetzen, doch was der gekonnte Einsatz moderner Foto- und Drucktechnik zu leisten vermag, ist schon erstaunlich. Die Möglichkeit, mit präzisen Ausschnittvergrößerungen in die Struktur raffinierter Textilien oder in fein geschnitztes Elfenbein mit edler Patina hineinzusehen, ist einzigartig und übertrifft die Möglichkeiten noch so raffinierter Ausstellungstechnik bei weitem. Einzigartig sind aber vor allem die Objekte. Es sind schlicht die besten Stücke, die im vergangenen Jahrzehnt auf dem Markt erschienen oder diesen gar nicht erst erreichten. Die kostbarsten Gewebe aus dem islamischen Spanien, aus dem osmanischen Reich, vor allem aber aus der Blütezeit persischer Textilkunst in großen, repräsentativen und superb erhaltenen Stücken, vermitteln ein Bild vom Luxus und der Pracht orientalischer Hofhaltung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Eine vollständige mongolische Robe aus golddurchwirktem Stoff und eine Serie von zentralasiatischen Zeltpaneelen aus dem 13. Jahrhundert belegen nicht nur das Repräsentationsbedürfnis dieser nomadischen Eroberer sondern auch deren Adaptionskraft, mit der sie sich neben der Religion auch traditionelle Techniken und Muster der eroberten Völker zu eigen machten. Höhepunkt bei den Textilien ist gewiß der in Seide geknüpfte „Schachbrett“-Teppich aus dem 14./15. Jahrhundert, der seit seiner Entdeckung vor etwa 10 Jahren zu mancherlei Spekulationen Anlaß gegeben hat. Daß dieser Teppich eine Auftragsarbeit für Timur den Eroberer (ca. 1328-1405) war, ist eine dieser Mutmaßungen und sie mag der Wahrheit recht nahe kommen. Das im Anschluß an ein zentrales Medaillon eingeknüpfte Schachbrett und die überlieferte Leidenschaft Timurs für dieses königliche Spiel sind jedenfalls eine plausible Erklärung. Höhepunkt der Elfenbeinobjekte ist ein rechteckiges Kästchen mit geschnitzten Elfenbein-Paneelen auf einem Holzkern aus dem südlichen Italien, 11. oder 12. Jahrhundert. Der Dekor dieser Elfenbeinschnitzereien, Tiere in runden Medaillons, ist ein Motiv, das sich im sasanidischen Iran im 6. Jahrhundert n.Chr. entwickelt hat und das sich vor allem über den Handel mit Textilien rasch über die gesamte islamische Welt und noch darüber hinaus verbreitete. Es ist ein Motiv, das Jahrhunderte „in Mode“ blieb. Der Dekor nicht nur einiger Elfenbeinobjekte, sondern vor allem die Muster zahlreicher Textilien belegen die Beliebtheit und Aktualität dieses sasanidischen Stils über viele Jahrhunderte. Jon Thompson gibt in seiner Einführung zu „Silk“ nicht nur einen Abriß über die historische Entwicklung der Seidenweberei in China, berichtet nicht nur über die jahrhundertelang erfolgreichen Bemühungen, die Details der Seidenproduktion geheim zu halten und über die Legenden, wie dieses Geheimnis schließlich doch nach Japan, in den Iran und von dort in den Nahen Osten und nach Europa gelangte, sondern konzentriert sich, ebenso wie Mariam Rosser-Owen auch auf die Besonderheiten der vorgestellten Stücke. Der schon erwähnte sasanidische Tierstil, der bei den Textilien dominiert, und der mehr vom südeuropäischen Mittelalter beeinflußte Dekor der Elfenbeinobjekte offenbart Gegensätze und überraschende Gemeinsamkeiten. Die naheliegende Frage, wie sich die tierischen und vor allem menschlichen Darstellungen auf diesen islamischen Kunstwerken, etwa auf persischen Seidensamten des 16. und 17. Jahrhunderts, mit Mohammeds Bilderverbot vertragen, beantwortet Thompson damit, daß all diese Objekte schon zu ihrer Entstehungszeit unendlich kostbar und daher ausschließlich für den privaten und von grenzenlosen Luxus geprägten Bereich der herrschenden Klasse bestimmt waren. Dort aber galten andere Gesetze. „Silk“ und „Ivory“ sind zwei Kataloge, die sich durch die Sorgfalt und hohe Qualität von Layout und Druck, vor allem aber durch die Schönheit und Seltenheit der gezeigten Seiden- und Elfenbeinobjekte auszeichnen. Unbedingt empfehlenswert! (Bezug über: Textile and Art Publications, 12 Queen Street Mayfair, London W1J 5PG, email post@textile-art.com)

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