Luristan – Antike Bronzen aus dem Iran

Autor/en: Gisela Zahlhaas
Verlag: Archäologische Staatssammlung und I.P. Verlagsgesellschaft
Erschienen: München 2002
Seiten: 128
Ausgabe: illustriert, Hardcover
Preis: EUR 19,80
ISBN: 3-927806-27-7
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Von prähistorischen Völkern, von ihrem Leben, ihren Überzeugungen, ihrer Religion und vor allem von ihrer materiellen Kultur erzählen uns nur die wenigen Artefakte und Fundgegenstände, die Archäologen an frühen Siedlungsplätzen und besonders aus Gräbern ans Licht der Neuzeit gebracht haben. Grabungen sind aber nicht allein den Archäologen vorbehalten. Es gibt daneben die Zufallsfunde, die etwa der Bauer beim Pflügen macht und es gibt die professionelle Zunft der Raubgräber, denen nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern allein am eigenen Profit gelegen ist. Ein bekanntes Beispiel sind die Etrusker. Bei fast allen Fundstätten blieben die Archäologen zweiter Sieger und fanden nur noch die ausgeräumten Grabkammern vor, vielleicht noch die Sarkophage, die den Räubern zu schwer und zu unhandlich waren. Ein noch besseres Beispiel sind die Luristanbronzen, bizarre bis groteske Bronzegegenstände, oft mit gegenständigen Tieren wie Steinbock, Löwe, Greif und Stier. Bereits im 19. Jahrhundert erregten diese geheimnisvollen Kultobjekte das Interesse von Sammlern, die bereit waren, hohe Preise zu bezahlen. Es entstand ein Markt, eine Nachfrage, die ausschließlich vom Kunsthandel befriedigt wurde, von einer Kette von Händlern, an deren anderen Ende über Jahrzehnte berufsmäßige Grabräuber tätig waren. Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde überhaupt bekannt, dass diese Bronzen nicht aus Kappodokien oder aus dem Kaukasus, wie man zunächst unter anderen vermutet hatte, stammen, sondern aus Luristan, einer von Nomaden bewohnten Region im persischen Zagrosgebirge. Und noch einmal Jahrzehnte, nämlich bis 1965 dauerte es, bis systematische Grabungen durch belgische Archäologen vor Ort begannen. So stehen heute den nur etwa 50 Luristanbronzen aus gesicherten Fundzusammenhängen viele Tausende von Einzelobjekten aus dem Kunsthandel gegenüber, die aus undokumentierten Grabungen – eine elegante Bezeichnung für die Raubgräberei – herrühren. 264 solcher Luristanbronzen aus undokumentierten Grabungen, die Bestände der Münchner Prähistorischen Staatssammlung, des Bayerischen Nationalmuseums und des Staatlichen Museums für Völkerkunde in München, sind in dem Katalog einer derzeit gezeigten Ausstellung versammelt, systematisch beschrieben, in eine zeitliche und gegenständliche Ordnung gebracht und farbig abgebildet. Sie belegen, daß auch Exponate ohne Fundort ihren kulturhistorischen Wert haben, dass bereits Material, Form und Dekor viele Fragen beantworten. Wenn dann wie bei den Luristanbronzen die Archäologie noch den historischen und regionalen Hintergrund auszuleuchten vermag, dann entsteht, wenngleich noch schemenhaft, ein Bild von Menschen und ihrer Kultur. Es war sicher – das ist heute noch die Lebensform der Menschen im Zagros-Gebirge – eine nomadische Kultur und das Pferd spielte eine herausragende Rolle. So gehören Teile vom Pferdegeschirr, Trensen vor allem und Trensenknebel sowie Pferdeanhänger, zu den besonders reich und phantasievoll verzierten Bronzen. Daneben zeigt der Katalog tiergestaltige Aufsätze, Nadeln mit tier- oder figürlich verzierten Scheibenknöpfen, Wetzsteingriffe, Waffen, Äxte, Schmuck – hier sind die Armreifen mit Tierköpfen hervorzuheben -, kleine Statuetten, Gürtelschließen und Gefäße, allesamt eindrucksvolle Zeugnisse einer frühen Bronzekunst. Die Bronzen aus Luristan belegen über einen Zeitraum von etwa 2600 bis 600 v. Chr. ein hohes technisches Können der Metallhandwerker und eine bemerkenswerte Kreativität in der künstlerischen Gestaltung. Vor allem gilt dies für die so genannten Standarten, jene bereits erwähnten geheimnisvollen Gegenstände mit einander zugewandten, aufrecht stehenden Tieren, oft bekrönt mit dem Kopf eines Menschen oder eines Gottes. Die Funktion dieser Standarten ist bis heute nicht bekannt. Ein sorgfältig gestalteter und geschriebener Katalog, der den aktuellen Stand der Forschung zusammenfasst. (- mb -)

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