Early Persian Painting – Kalila and Dimna Manuscripts of the Late Fourteenth Century

Autor/en: Bernard O´Kane
Verlag: I.B.Tauris
Erschienen: London New York 2003
Seiten: 336
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 49.50 engl. Pfund
ISBN: 1-86064-852-5
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2003

Besprechung:
Die Darstellung des Löwen, der einen Stier anfällt ist ein bedeutendes Motiv altpersischer Kunst. Am bekanntesten sind hier wohl die großartigen Reliefs an den Treppen zum Palast des Daraios und zur Apadana der achaimenidischen Palaststadt Persepolis aus dem 6. bis 5. Jahrhundert v.Chr. Der Löwe, der den Stier schlägt ist dort ein Sinnbild der Religion Zara-thustras, die bestimmt wird durch den Kampf und den schließlichen Triumph des Guten über das Böse. Ausgehend von der Religion um Ahura Mazda hat das Motiv von Löwe und Stier im Orient eine weite Verbreitung gefunden, dabei aber auch manchen Bedeutungswandel erlebt. Wir finden es etwa ein Jahrtausend später wieder, diesmal in einem indischen Fürstenspiegel aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert nach der Zeitenwende. Die Geschichte vom Löwen und dem Stier ist hier die zentrale Geschichte einer Sammlung von Fabeln, die den jungen indischen Fürsten rechtes Verhalten und politische Klugheit lehren sollte. Aus einer etwa in der Mitte des 8. Jahrhunderts von dem Muslim Ibn al-Muqaffa besorgten ersten arabischen Übersetzung dieser Fabelsammlung wurde schließlich einer der Schätze der literarischen Weltkultur, vergleichbar mit den Werken von Aesop und Lafontaine. Die Geschichte vom Löwen und Stier hat sich allerdings gegenüber dem antiken Vorbild vollkommen gewandelt. Sie erzählt nun von der Freundschaft zwischen dem Löwenkönig und dem Stier, die durch Verrat, Intrige und Eifersucht zweier Schakale, Kalila und Dimna mit Namen, umschlägt in Haß und Agression und die dann im dramatischen Kampf der beiden gipfelt. In der arabischen Welt und in den mannigfachen Übersetzungen in westliche Sprachen wird das Werk nach diesen intriganten Schakalen Kalila und Dimna benannt. Richtiger wären sie wohl mit dem traditionellen Untertitel „Fabeln des Bidpai“ bezeichnet. In der Rahmenhandlung stellt ein indischer König Fragen an seinen weisen Ratgeber Bidpai, die dieser mit Geschichten beantwortet, in der Tiere die Rolle von Menschen spielen. Kalila und Dimna ist der wohl am weitesten verbreitete Text des islamischen Mittelalters, ein Volksbuch, das, geschrieben oder erzählt, alle Bereiche der Gesellschaft erreicht hat. Die lehrreichen, moralischen aber auch durchaus spannenden Fabeln haben nicht nur Fürsten und Prinzen sondern auch das gemeine Volk unterhalten und belehrt. Kein Wunder daher, daß Kalila und Dimna – auch darin ist die Parallele zu den Fabeln des Aesop und Lafontaine unübersehbar – immer und immer wieder zum Objekt orientalischer Buchkunst wurde, einer Kunstform, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Persien eine frühe Blüte erreichte. Der Autor von Kalila und Dimna, Professor für islamische Kunst und Architektur an der Universität Kairo, zeigt an sieben bedeutenden illustrierten persischen Manuskripten jener Zeit die Entwicklung eines Illustrationsstils, der für die nachfolgenden Jahrhunderte persischer Miniaturmalerei richtungsweisend bleiben sollte. Es war eine Zeit des Umbruchs und des Experiments, in der sich aus einer realitätsnahen, noch von den Mongolen beeinflussten Malerei ein theatralischer Stil entwickelte, der dann vor allem die safawidische Miniaturmalerei bestimmte. Die Gegenüberstellung früherer und späterer Illustrationen zum selben Thema macht diese Entwicklung anschaulich. Doch nicht nur das: Die Illustrationen zu Kalila und Dimna enthalten einige der schönsten Meisterwerke der persischen Malerei jener Zeit, delikat gemalt, mit reicher Symbolik und voller Humor. Wie bei den illustrierten europäischen Fabelsammlungen des Aesop oder des Lafontaine aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind es auch bei Kalila und Dimna die Bilder, die den Einfluß und die Kraft der Fabeln vermitteln, die Freude und das Vergnügen, die sie ihrem Leser und Betrachter gaben, und sie helfen uns, den über die Jahrhunderte anhaltenden Einfluß dieses Werkes zu verstehen. Das Buch konzentriert sich auf sieben persische Manuskripte aus der Zeit von 1370 bis 1395, enthält aber darüber hinaus auch Vergleichsbeispiele aus den knapp zwei Dutzend heute bekannten und über die ganze Welt verstreuten arabischen und persischen illustrierten Manuskripten dieser Fabelsammlung vom frühen 13. bis zum späten 14. Jahrhundert. So finden wir das Motiv des Kampfes vom Löwen mit dem Stier, beobachtet von den Schakalen Kalila und Dimna in 10 verschiedenen Ansichten, die von kongenialer, textbegleitender Illustration (Ägypten, Syrien oder Anatolien, wohl 1389, heute in Cambridge) bis zur miniaturhaften Malerei in illusionärer Landschaft (Täbris, 1370-74, heute in Istanbul) reichen. Es versteht sich, daß neben den hunderten von Illustrationen nicht nur die Fabeln selbst wiedergegeben werden, daß der historische Hintergrund und die kunsthistorische Bedeutung der Bilder erörtert werden, sondern daß darüber hinaus auch über die einzelnen Manuskripte, ihre Besonderheiten, ihren Inhalt und ihr Schicksal zu lesen ist. Kalila und Dimna ist eine durch ihre Spezialisierung auf ein Thema und einen sehr engen Zeitrahmen äußerst wichtige Arbeit zur frühen persischen Miniaturmalerei.

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