Die Abenteuer des Hamza – Die schönsten Bilder des Hamzanama

Autor/en: Mit Kurztexten von John Seyller
Verlag: Museum Rietberg
Erschienen: Zürich 2003
Seiten: 136
Ausgabe: broschiert
Preis: CHF 38.–
ISBN: 3-907077-10-5
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Akbar, der erste der drei großen Moghul-Kaiser, war wohl eine der erstaunlichsten Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte. Als Dreizehnjähriger (1556) bestieg er nach dem tödlichen Treppensturz seines Vaters Humayun den Thron eines kleinen, von seinem mongolischen Großvater Babur 30 Jahre zuvor eroberten Königreiches im nördlichen Indien. Krieg, Rebellion und Intrigen bestimmten die ersten Regierungsjahre des Knaben, der all diese Anfechtungen mit Bravour meisterte und mit militärischem und diplomatischem Geschick sein Königreich vergrößerte. Am Ende seiner Regierungszeit (1605) hatte Akbar das mächtige Moghulreich geschaffen, das Teile des Pakistan und Afghanistan umfaßte, Kaschmir und das ganze nördliche Indien bis zum Go9lf von Bengalen und bis Deccan im Süden. Doch Akbar war nicht nur Eroberer und Kriegsherr, sondern auch ein weitblickender Staatsmann, der es verstand, in seinem Reich mit religiöser Toleranz und Förderung von Handel und Wirtschaft politische Stabi8lität und Wohlstand zu sichern. Nicht genug dieser Qualitäten war Akbar auch der Kunst und Literatur, der Architektur und den Wissenschaften zugetan und galt als großer Kenner der Philisophie. Seine Bibliothek umfaßte alle Wissensgebiete seiner Zeit. Nur Lesen und Schreiben konnte Akbar nicht. Dennoch aber vielleicht gerade deshalb galt seine größte Passion der Kunst des Buches. Die von muslimischen Geschichtenerzählern im ganzen Orient vorgetragenen Abenteuer des Hamza hatten die Vorstellungskraft des jugendlichen Akbar so gefesselt, daß er, vierzehnjährig, einen der größten Illustrationsaufträge aller Zeiten vergab. Die besten Künstler seiner Zeit, Hindus vor allem, aber auch Meister aus Persien, arbeiteten 15 Jahre an diesem Projekt, das schließlich auf 1400 Bilder in dem für die damalige Zeit erstaunlichen Format von 80 x 60 cm angewachsen war. Das Hamzanama erzählt von den märchenhaften Taten eines Helden namens Hamza, des legendären Onkels des Propheten Muhammad. Die lose aneinander gefügten Episoden berichten von Dämonen und Feen, von Helden und Bösewichtern, von der Verbreitung der Lehren des Islam und von Abenteuern mit heidnischen Fürsten. Knapp 200 Blätter des Hamzanama haben sich bis heute erhalten, und daß es heute keine zusammenfassende Publikation gegeben hat liegt wohl daran, daß diese Blätter über die ganze Welt vertreut, in Dutzenden von Museen und Sammlungen sich befinden. Das Buch von John Seyller, das 68 der schönsten und besterhaltenen Blätter zeigt und eine Ausstellung von Washington über New York und London bis Zürich (Rietberg-Museum, bis 19.10.2003) begleitet, ist die erste umfassende kunsthistorische Untersuchung aller Bilder. Es ist – wie das Hamzanama selbst – ein Schlüsselwerk für die persische Malerei der Moghulzeit. Das Hamzanama begründete eine beispiellose Mal- und Miniaturtradition am Hofe der Moghulkaiser. Akbar und seine Nachfolger Jahangir (1605-1627) und Schah Jahan (1628-1658) verfügten über die größten Malateliers, die weltweit je existierten, mit zeitweise weit über 100 beschäftigten Künstlern, von dem dazugehörenden Apparat an Beamten und Helfern gar nicht zu reden. Eine arbeitsteilige Herstellung der Bilder ist überliefert. Junge und weniger erfahrene Künstler waren mit der Vorzeichnung und weniger wichtigen Details befaßt, während ältere und namhafte Künstler für die Bildkomposition, für Figuren und Gesichter verantwortlich waren. Das Hamzanama hat vor allem aber eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung des einzigartigen Stil der höfischen Moghul-Malerei. Beginnend mit dem Hamzanama entstand etwas ganz Neuartiges, indem die Maler Elemente aus der indischen und zentralasiatischen Tradition mit kraftvollen persischen Kompositionsvorlagen kombinierten. Die realistische Darstellung von Einzelheiten läßt darüber hinaus Einflüsse europäischer Renaissancekunst erkennen. Die expressive, detaillierte und klare Bildersprache des Hamzanama setzte im ganzen Orient neue künstlerische Maßstäbe. Zur Ausstellung in Zürich erschien eine deutsche Kurzfassung des Katalogbuches mit den 55 schönsten Blättern und Kommentaren, die sowohl die im Hamzanama erzählte Geschichte wiedergeben, sich aber auch mit der Bildgestaltung und malerischen Details befassen. Der weltweit bedeutendste und besterhaltene Bestand von Bildern aus dem Hamzanama ist in beiden Publikationen wiedergegeben. Es sind 28 Blätter – von insgesamt 60 – aus dem Wiener Museum für angewandte Kunst, das das vormalige K.K. Österreichische Museum für Kunst und Industrie auf der Wiener Weltausstellung 1873 erwarb. Gleichgültig, für welche Publikation man sich entscheidet, für das Katalogbuch von John Seyller mit der ausführlichen historischen und kunstwissenschaftlichen Würdigung einschließlich technischer Details und eines vollständigen Katalogs aller bekannten Hamzanama-Bilder (in schwarz/weiß), oder für die zusammenfassende deutsche Ausgabe – in jedem Falle erhält man einen Einblick in eine faszinierende, fantastische, mittelalterlich orientalische Welt, dargestellt in einzigartigen, detailreich erzählenden Kunstwerken. (- mb -)

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