Türkisch-osmanische Keramik

Autor/en: Martina Müller-Wiener
Verlag: Arts Kulturfördervereinigung e.V.
Erschienen: Traunstein 2004
Seiten: 104
Ausgabe: illustrierte Broschur
Preis: EURO 12.–
ISBN: 3-00014467-6
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2004

Besprechung:
Es ist beeindruckend, was private Initiative, Organisationsvermögen, Sammlerfleiß und uneigennütziger persönlicher Einsatz zu leisten vermögen. Wenn solche Kräfte dann noch durch die Idee eines Visionärs gebündelt werden, kann Einmaliges und Unvergeßliches zustande kommen. Max Leonhard und dem rührigen Traunsteiner Kulturverein ARTS ist das gelungen. Schon das dritte Mal nach 1996 und 2000 ist Anatolien ganz nahe in die kleine bayerische Kreisstadt Traunstein gerückt. Und diesmal sind es gleich zwei Ausstellungen, die zu einem Ausflug oder zu einer kleinen Reise in den Chiemgau verlocken (vom 18.September bis zum 1. November 2004). Aus zwölf privaten deutschen und internationalen Sammlungen kommen die Exponate der von Harald Böhmer konzipierten Ausstellung „Zelte, Kelims und Kamele“, die die materielle Kultur anatolischer Nomaden zeigt. Komplett eingerichtete Zelte der Yürüken, Kurden und Turkmenen, Gebrauchstextilien, prächtige Kelims und allerhand Gerät geben einen Einblick in eine heute selten gewordene nomadische Lebensweise und in die hinreißende Ästhetik der nomadischen Textilien. Das anläßlich der Ausstellung vorgestellte Buch von Harald Böhmer „Nomaden in Anatolien“ wird hier in Kürze besprochen. In eine ganz andere Welt, in die höfischen Zentren des osmanischen Reiches, entführt die Ausstellung „Ein Blick in den Paradiesgarten – türkisch-osmanische Keramik“. Hier haben die Organisatoren nicht nur kostbare Exponate aus deutschen Museen, Firmenarchiven und Privatsammlungen nach Traunstein gebracht, sondern auch einen begleitenden Katalog aufgelegt. Wer die restriktive Ausleihpraxis deutscher Museen, die Sicherheitsanforderungen und die Höhe von Versicherungsprämien kennt und wer um die Mühen und Kosten der Herstellung eines Kataloges weiß, der muß Max Leonhard und seinen Helfern und der Autorin höchsten Respekt und Anerkennung zollen. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. „Türkisch-osmanische Keramik“ ist ein Kompendium, ein Handbuch, vom Bestand osmanischer Keramik aus Iznik und Kütahya in Deutschland. Vor allem Iznik: Was hier an Tellern, Schalen, Krügen, Kannen, Vasen und natürlich Fliesen aus Berlin (Museum für Islamische Kunst), Hannover (Kestner Museum), Frankfurt (Museum für angewandte Kunst), Düsseldorf (Deutsches Keramikmuseum), Merzig (Firmenarchiv von Villeroy & Boch), Bamberg (Museum für Frühislamische Kunst) und einigen privaten Sammlungen gezeigt wird, gibt einen vollständigen Überblick über die Schönheit und den Zauber und über die wichtigsten Phasen und Stile der Keramik aus Iznik. Die bekannten naturalistischen Pflanzen- und Blütenkompositionen, bezaubernde Blumenmotive, aber auch ungewöhnliche Darstellungen, etwa eine Tierkampfszene, Segelschiffe oder seltene Vögel zeigen sich in den leuchtenden Farben, wie sie für Iznik typisch sind und deren Rezepturen lange Zeit ein Geheimnis blieben. Farbaufnahmen von der keramischen Ausstattung von Moscheen, Medresen und Palästen vervollständigen den Eindruck. Der umfängliche Katalogtext von Martina Müller-Wiener, Orientalistin und Kunsthistorikerin an der Universität Bonn, gibt zunächst einen Überblick über die Geschichte des osmanischen Reiches und beschreibt dann detailliert Entwicklung, Herstellungstechniken, Stile und Dekore der berühmten Keramikwerkstätten. Anhand der eingehend vorgestellten Exponate entsteht ein anschauliches Bild türkisch-osmanischer Keramik in ihrer Blütezeit vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Ein Beitrag von Annette Hagedorn über den Einfluß dieser Keramik auf europäische Manufakturen im 19. Jahrhundert rundet das Bild. Die durchweg farbigen Abbildungen, der kompetente Text, Glossar und Literturverzeichnis machen den kleinen Katalog zu einem aktuellen Standardwerk zur türkisch-osmanischen Keramik aus Iznik und Kütahya.

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