Glass of the Sultans

Autor/en: Stefano Carboni, David Whitehouse
Verlag: Yale University Press and Metropolitan Museum of Art
Erschienen: New Haven and New York 2001
Seiten: 330
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 50.– engl.Pfund
ISBN: 0-87099-986-9 (MET) and 0-300-08851-5 (Yale)
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2001

Besprechung:
Nachdem nahezu siebzig Jahre keine umfassende wissenschaftliche Publikation über islamisches Glas veröffentlicht worden ist, erschienen nun nahezu zeitgleich zwei Bücher, die – jedes für sich – diesem Mangel abhelfen. Stefano Carbonis Katalog der Sammlung al-Sabah im Nationalmuseum Kuwait wurde an dieser Stelle (Ausgabe Juni 2001) bereits besprochen und als wertvolle Bereicherung jeder Bibliothek islamischer Kunst beurteilt. Umfang (mehr als 700 Glasobjekte) und Qualität der Sammlung al-Sabah ebenso wie Sorgfalt und Qualifikation des Autors (Carboni ist Kurator für islamische Kunst am Metropolitan Museum) machen „Glass from Islamic Lands“ zu einem Standardwerk. So stellt sich die Frage, ob daneben noch Platz und Notwendigkeit für ein zweites Buch zum selben Thema ist? Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Die beiden Bücher ergänzen sich ideal. Neben dem erwähnten wissenschaftlichen Standardwerk ist Glass of the Sultans der Katalog einer Ausstellung, der 157 Höhepunkte islamischer Glaskunst zeigt, wie sie in dieser Fülle, Qualität und Zusammenstellung noch niemals zu sehen waren. Kein Wunder, denn für diese epochale Ausstellung wurde aus Museen, Sammlungen und Kirchenschätzen der ganzen Welt nur das wirklich Beste und Herausragendste zusammengetragen. Die Sammlungen Gulbenkian und David, das British und das Metropolitan Museum, San Marco in Venedig und der Wiener Stephansdom, seien hier beispielhaft als namhafte Leihgeber genannt. Natürlich muß eine solche Ausstellung außer dem durchweg hohen Niveau der Exponate auch Höhepunkte setzen, und beim islamischen Glas sind das zweifellos die emaillierten und vergoldeten Glasobjekte, die im 13. und 14. Jahrhundert in Syrien und in Ägypten entstanden sind. Ausstellung und Katalog präsentieren nicht weniger als 23 dieser prachtvollen Glaskunstwerke, Becher und Flaschen, Vasen und vor allem die berühmten Moscheelampen, die die ganze Pracht und Vielfalt mamlukischer und ayubischer Dekoration zeigen: Kalligraphie, komplexe florale Muster und – bei Stücken aus dem 13. Jahrhundert – auch Darstellungen von Menschen und Tieren. Daneben sind natürlich auch alle anderen Zeiten, Techniken und wichtigen Herkunftsgebiete islamischen Glases durch herausragende, vielfach bisher nicht publizierte Objekte vertreten, die alle sorgfältig beschrieben und in vorzüglicher Qualität farbig abgebildet sind. Einführende Essays befassen sich mit der Geschichte der Glasherstellung in der islamischen Welt, mit der Bedeutung der Archäologie für diesen Bereich islamischer Kunst, mit den Besonderheiten der Chemie und Technologie islamischen Glases und – in Wort und Bild – mit den grundlegenden Techniken. Besonders bemerkenswert aber ist der Essay von David Whitehouse über das erwachende Interesse Europas an islamischer Glaskunst im 19. Jahrhundert und über die sichtbaren Folgen dieses Interesses. Es sind dies die zwischen Orientalismus und Historismus anzusiedelnden, großartigen Nachschöpfungen islamischer Glasobjekte durch den Pariser Glaskünstler Philippe-Joseph Brocard, durch Émile Gallé aus Nancy und durch die Firma Lobmayr in Wien. Natürlich haben vereinzelt islamische Glasobjekte Europa schon sehr früh erreicht, sei es als begehrte Handelsware oder als diplomatisches Geschenk. So ist bei der zauberhaften türkisfarbigen Schale aus dem Kirchenschatz von San Marco bekannt, daß sie als Geschenk des turkmenischen Sultans Uzun Hassan an die Signoria von Venedig schon in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in die Lagunenstadt gelangte. Doch blieben diese Stücke bloße exotische Objekte, denn eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der islamischen Kunst begann nicht vor dem Ende des 18. Jahrhunderts. Reisen und Reiseberichte, das politische Näherrücken des Nahen Ostens, der aufkeimende Orientalismus in der Malerei und nicht zuletzt das Abenteuer Napoleons in Ägypten sorgten für eine rasche Zunahme des Interesses an islamischer Kunst. Ein Meilenstein war hier sicher die 24-bändige „Description de l’Égypt“, die die französische Staatsdruckerei von 1809 bis 1822 veröffentlichte. Die unbestrittenen Höhepunkte der Zuwendung zum Orient und seiner Kunst waren aber dann die Pariser Weltausstellungen von 1867 und 1878 und es erstaunt, zu lesen, daß es das islamische Glas war, das hier im Mittelpunkt der Bewunderung stand. So ist von der Weltausstellung 1867 beispielsweise bekannt, daß nicht weniger als sechs gläserne Moscheelampen ausgestellt waren. Diese Daten markieren auch die Zeit als die ersten großen Privat- und Museumssammlumngen islamischer Kunst entstanden. Sie bereiteten den Boden für den Beginn wissenschaftlicher Beschäftigung mit islamischer Glaskunst und gaben Anregung für die bedeutensten Glaskünstler jener Zeit. So ist es nur konsequent, daß Austellung und Katalog mit den großartigen Nachschöpfungenen islamischer Glasobjekte aus dem späten 19. Jahrhundert schließen. Neben der unbedingten Kaufempfehlung hier noch die aktuellen Daten der bemerkenswerten Ausstellung Glass of the Sultans, die bis September 2001 im Corning Museum of Glass (NY) zu sehen war: Vom 02.10.2001 bis zum 13.01.2002 wird die Ausstellung im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen sein und dann vom 20.02. bis zum 15.05.2002 auch in Europa, im Benaki Museum in Athen. (- mb -)

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