7000 Jahre persische Kunst – Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran

Autor/en: Wilfried Seipel (Hrsg.)
Verlag: Skira editore
Erschienen: Bonn Mailand Wien 2001
Seiten: 344
Ausgabe: illustrierte Broschur
Preis: DM 49.– an der Museumskasse in Bonn
Kommentar: Michael Buddeberg

Besprechung:
Von Herodot bis Karl May reicht die Faszination jenes geheimnisvollen orientalischen Reiches mit mächtigen Königen und reichen, sagenhaften Städten. Marco Polo hat davon berichtet und Goethe ließ sich vom Exotischen und Geheimnisvollen einer fremden, nie geschauten Welt zum „West-östlichen Diwan“ inspirieren. Das „Reich des Silbernen Löwen“, so der Titel von Karl Mays symbolhaft-surrealistischem Roman, war immer Fixpunkt europäischer Phantasien, Träume aber auch von Fehlvorstellungen. Das heute im Bewußtsein der westlichen Öffentlichkeit vorhandene Bild eines islamischen Gottesstaates im Iran ist nicht weniger klischeehaft und falsch wie das Bild Persiens in den vergangenen Jahrhunderten. Die gefeierte und außerordentlich erfolgreiche Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien, die nun bis zum 6. Januar 2002 im der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu sehen ist, ebenso wie der vorzügliche Katalog, sind daher ein ungemein wichtiger Beitrag zum Verständnis der Rolle des Iran bei der kultur- und kunsthistorischen Entwicklung dieser für die Menschheitsgeschichte so wichtigen Region. Trotz der ungünstigen klimatischen Verhältnisse, ariden Hochflächen, kargen Gebirgszügen und wüstenhaften Landstrichen im Wechsel mit wenigen Oasen, war der Iran dank seiner geographischen Lage seit Menschengedenken Kreuzungspunkt und Schmelztiegel verschiedener Kulturen und Einflüsse. 7000 Jahre persische Kunst spannen den Bogen von frühen Siedlungsformen der Steinzeit bis zum Ende des ersten Jahrtausends der neuen Zeitrechnung, als mit der Islamisierung Persiens ein gänzlich neuer Abschnitt – dem ein künftiges Ausstellungsprojekt gewidmet sein soll – beginnt. 7000 Jahre sind immer noch ein gewaltiger Zeitraum, dem eine Ausstellung, ein einziger Katalog eigentlich kaum gerecht werden kann. So meint man jedenfalls. Doch der Versuch einer komprimierten Zivilisationsgeschichte des frühen Iran ist durchaus gelungen. Wesentlichen Anteil daran haben die 178 Exponate, allesamt kostbare archäologische Objekte aus dem Iranischen Nationalmuseum und dem Reza Abbasi Museum in Teheran, viele davon noch niemals außerhalb des Iran gezeigt und bisher unveröffentlicht. Nicht weniger wichtig und unentbehrlich ist das Katalogbuch, in dem nicht nur alle Ausstellungsstücke vorzüglich abgebildet und beschrieben sind – letzteres vielleicht manchmal allzu nüchtern -, sondern das mit einleitenden Beiträgen knapp, prägnant und lebendig die religiösen, sprachlichen und natürlich die historischen Grundlagen dieser Region abhandelt und nahebringt. Es ist hier nicht die Stelle, die wechselvolle Geschichte Persiens nachzuzeichnen. Genügen muß der Hinweis auf das erste Weltreich dieser Erde, das die Dynastie der Achaimeniden (558 – 330 v.Chr.) errichtete und das die Sasaniden, nach einem hellenistischen Zwischenspiel (Alexander der Große, Partherreich) ein Jahrtausend später (224 – 651 n.Chr.) glanzvoll erneuerten. Bilder aus Persepolis, vor allem von den einzigartigen Reliefs der Treppenanlage, oder Aufnahmen des sasanidisch zaroastrischen Feuerheiligtums von Takh-i Suleiman ergänzen die Texte und die Schau der eindrucksvollen archäologischen Fundstücke aus Ton, Elfenbein, Glas, Gold und Silber. Bei diesen Fundstücken fällt auf, wie ein ständig wiederkehrendes Motiv sich wie ein roter Faden von prähistorischen Artefakten bis hin zum Dekor frühislamischer Kunstfertigkeit durch die Ausstellung zieht, und es bleibt ein Geheimnis, ob dies Absicht oder Zufall ist. Wie dem auch sei, das Motiv der Widders (Ziegenbock, Steinbock) mit dem überdimensionierten Geweih dürfte seine Wurzeln in den frühen Steppenkulturen Zentralasiens haben. Hier finden wir es auf einer prähistorischen Tonschale aus dem 3. Jahrtausend v.Chr., als vollplastischen Dekor bei Gefäßen und Möbelfragmenten der Achaimenidenzeit, bei einem Rhyton mit Widderprotome der Parther und schließlich auf einem frühislamischen Keramikteller Nishapur. Dieser gehörnte Widder mag damit als Symbol einer vieltausendjährigen Kulturgeschichte stehen, als Symbol für die integrative Kraft einer Kulturregion, Einflüsse von außen zu einer eigenständigen iranischen Bildsprache umzuformen. Die Objekte gehen zurück nach Teheran, doch das empfehlenswerte Buch bleibt zur steten Bewunderung einzigartiger Kunstwerke. (- mb -)

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