From Object to Concept – Global Consumption and the Transformation of Ming Porcelain

Autor/en: Stacey Pierson
Verlag: Hong Kong University Press
Erschienen: Hong Kong 2013
Seiten: 226
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: USD 50,00
ISBN: 978-9888139-83-5
Kommentar: Michael Buddeberg, April 2014

Besprechung:
Spätestens seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. war chinesische Seide im Alten Rom ein begehrter Luxusartikel. Auch die sittlichen Bedenken gegen diesen hauchdünnen und fast durchsichtigen Stoff konnten nicht verhindern, dass diese exotische Ware mit Gold aufgewogen wurde. Doch woher dieses Produkt kam, woraus es gefertigt wurde und wer es vermochte, diesen Hauch von einem Nichts zu weben, blieb ungewiss. Da die komplizierten Handelswege der alten Seidenstraße und die vielfach eingeschalteten Zwischenhändler so gut wie keine konkreten Informationen durchließen, wusste man nur, dass die Serer, unter diesem Namen waren die Chinesen damals bekannt, weit jenseits der damals bekannten Welt lebten. Das blieb so über Jahrhunderte und vielleicht war der venezianische Händler Marco Polo, der Ende des 13. Jahrhunderts von einer abenteuerlichen Chinareise zurückkehrte, der erste, der authentische Nachrichten aus dem Reich der Mitte, das er Cathay nannte, nach Europa brachte. Doch seine Erzählungen fanden weit überwiegend keinen Glauben und noch heute streiten sich die Gelehrten, ob Marco Polo das alles wirklich selbst erlebt hat. So haben seine Berichte auch keine neuen Wege nach China eröffnet und wurden in erster Linie ein Gegenstand der Literaturgeschichte. Erst die Entdeckung des Seeweges nach China durch den portugiesischen Seefahrer Vasco da Gama, der Weg um das Kap der Guten Hoffnung, die so genannte Seidenstrasse der Meere, rückte China wirklich in den Gesichtskreis Europas. Die chinesische Ming-Dynastie (1368-1644) stand in voller Blüte als die Portugiesen Anfang des 15. Jahrhunderts erstmals China erreichten und die Menschen in Europa die Größe und Bedeutung Chinas und seine vielfältige und alte Kultur und damit auch eine ihrer bedeutendsten Erfindungen, das Porzellan, aus erster Hand wahrzunehmen begannen. Dies mag ein ganz wesentlicher Grund dafür sein, warum gerade die „Ming-Vase“ zum geflügelten Wort wurde, zu einer Metapher für alles Schöne, Kostbare und zugleich Zerbrechliche und Vergängliche. Diesem erstaunlichen Sprachgebrauch und Bedeutungsinhalt ist das zentrale Kapitel in dem Buch von Stacey Pierson über die globale Verbreitung von Ming-Porzellan und die Metamorphose des Begriffs „Ming-Vase“ gewidmet. Der Autor gelangt in diesem literaturhistorisch und gesellschaftspolitisch geprägten Teil seines Buches zu dem Ergebnis, dass sich diese Wandlung des Begriffs „Ming-Vase“ von der Bezeichnung eines konkreten Gegenstandes zum umgangssprachlichen Stereotyp für etwas Seltenes, Wertvolles, Elegantes, oft Exotisches und eben auch Zerbrechliches erst im späten 19. Jahrhundert entwickelt, aber dann umfassend diese Bedeutung erlangt hat. Dies gilt für den allgemeinen Sprachgebrauch ebenso wie für die hohe und auch die profane Literatur, für Kriminalroman und Kinderbuch, für Film und Comic Strip. Schöne und erstaunliche Beispiele für die Anwendung dieser Metapher wie etwa Walt Disneys „The Secret of the Ming Vase“ (1954) oder ihr Gebrauch als Deckname für die von den USA 1968/69 in der Wüste von Nevada durchgeführten Nukleartests belegen die vielfältige Nutzung dieses Synonyms. Diese etymologische Untersuchung ist aber nur ein kleiner, wenn auch äußerst unterhaltsamer Teil dieses Buches, das darüber hinaus die Geschichte und Entwicklung des Ming-Porzellans in China vom 14. bis zum 17. Jahrhundert beschreibt, seine Bedeutung im Welthandel seit dem 15. Jahrhundert und schließlich seine Akzeptanz und Wertschätzung als Kunstobjekt im 19. Jahrhundert und bis heute. Eher sparsam illustriert – die ca. 40 Bilder beschränken sich auf die Abbildung von Beispielen zum Text – ist Piersons Buch ein interessantes und kurzweiliges Lesebuch zu einem der schönsten kulturellen Schätze der Weltkultur mit einer grandiosen Fülle von Informationen. Wir erfahren, wie sich Jingdezhen mit seinen ungezählten Brennöfen zu einem der ersten Industriestandorte der Welt entwickelte, welche Dekorationsformen es neben dem bevorzugten und dauerhaften blau-weiß gegeben hat und wie das Porzellan vom kaiserlichen Haushalt bis zu Architektur, Ritual, Gartengestaltung und Begräbniskultur viele Bereiche des chinesischen Lebens geprägt hat. Der Weg des Ming-Porzellans in die Welt, seine Wertschätzung an persischen, osmanischen und indischen Höfen und seine Verbreitung in Europa und sogar in Amerika werden mit großer Detailkenntnis beschrieben, so etwa auch der Gebrauch von Porzellanscherben, die in Mexico von gestrandeten Schiffen an Land gespült worden waren, als Geld und Parallelwährung zum mexikanischen Peso. Das Schlusskapitel schließlich widmet sich der Wandlung des chinesischen Porzellans vom Gebrauchs- und Exportartikel zum hochgeschätzten Kunstobjekt, beschreibt frühe Sammler wie Robert Lockhart Hobson (1873-1941) und berühmte Sammlungen wie die Sir Percival David Collection und andere mehr. Der im Herbst 2011 in Hong Kong erzielte Rekordpreis von 21,6 Millionen US-Dollar für einen blau-weißen Schultertopf vom Typ „Meiping“ aus der Zeit des Kaisers Yongle (1399-1402) ist dann nur noch eine Bestätigung sowohl für den Kunst- wie auch für den Symbolwert der „Ming-Vase.“

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