Qin Shihuangdi und die Terrakotta-Armee – 2 neue Bücher über den ersten Kaiser Chinas

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Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2007

Besprechung:
Roberto Ciarla (Hrsg), Krieger für die Ewigkeit – Die Terrakotta-Armee des ersten Kaisers von China, White Star Verlag, Wiesbaden 2007, 288 Seiten, Leinen mit Schutzumschlag im Schmuckschuber, € 48.–, ISBN 978-3-939128-50-2.

Jane Portal (Hrsg), The First Emperor – China´s Terracotta Army, The British Museum Press, London 2007, 240 Seiten, broschiert oder gebunden, 25.– engl.Pfund (broschierte Ausgabe), ISBN 978-07141-2451-3 (gebunden), 978-07141-2447-6 (broschiert).

Der „Zufallsfund“ im März 1974, als ein chinesischer Bauer beim Brunnenbau Kopf und Körperteile eines tönernen Kriegers ausgrub, gilt als ein historisches Ereignis der Archäologie. Tatsächlich war es der erste Schritt für die Entdeckung der bis dahin völlig unbekannten Terrakotta-Armee mit 7000 überlebensgroßen Soldaten, 600 Pferden, 100 hölzernen Streitwagen und unzähligen Original-Bronzewaffen, in der Tat ein Fund von einer zuvor unbekannten archäologischen Dimension. Schon immer bekannt war allerdings der gewaltige Grabhügel des kaiserlichen Grabes, und schon 1972 und 1973 hatten Probegrabungen die Nachbildung von kaiserlichen Stallungen mit Pferdeskeletten, Grabbeigaben und tönernen Pferdeknechten ans Tageslicht gebracht. Seither gehört die gewaltige Nekropole des ersten Kaisers von China zu einer der bedeutendsten Ausgrabungsstätten der Erde, die noch für Generationen von Archäologen Arbeit und Überraschungen bereit hält. Fast jährlich kommen neue, nicht selten sensationelle Entdeckungen hinzu, etwa 1978 die Ausgrabung der unvergleichlichen Bronzewagen des Erhabenen Kaisers, Meisterwerke frühen chinesischen Metallhandwerks aus Bronze, Gold und Silber, wie man sie nicht für möglich gehalten hatte. 1978 wurden in einem Graben 150 Schuppenpanzer mit dazu gehörigen Helmen aus kleinen sorgsam bearbeiteten und nummerierten Kalksteinplättchen gefunden und erst 2001 wurden lebensgroße, elegante Bronzevögel, Enten, Gänse, Schwäne und Kraniche, die komplette unterirdische Nachbildung eines Sumpfgebietes mit seiner vielfältigen Vogelwelt entdeckt. Nach fast 40 Jahren archäologischer Arbeit beginnt sich so nicht nur ein Bild des gewiss größten Grabmonuments der Menschheitsgeschichte zu formen, sondern es ist nun auch möglich, den von der chinesischen Geschichtsschreibung als grausamen und selbstsüchtigen Tyrannen überlieferten ersten Kaiser von China historisch korrekt zu erfassen und darzustellen. So ist es kaum Zufall, dass sich gleich zwei kürzlich erschienene Bücher nicht nur mit den archäologischen Artefakten, sondern vor allem mit der Person des Qin Shihuangdi, mit seiner Rolle in der chinesischen Geschichte, und mit der materiellen und geistigen Welt jener fernen Zeit befassen. Das ist einmal der Katalog der Ausstellung im British Museum (bis Sept. 2007) mit der größten Anzahl von Exponaten zu diesem Thema, die jemals außerhalb Chinas zu sehen war, und zum anderen der großformatige Band mit hervorragenden Fotos nicht nur der Krieger, sondern aller bedeutenden Objekte und Figuren, die bis heute gefunden wurden. Erstmals wurden die berühmten Bronzewagen, die Pferde und Wasservögel, Waffen und Ausstattungsdetails und vor allem die Soldaten und Offiziere, Musikanten und Akrobaten, Ringer und Gewichtheber, Beamten und Funktionäre, von einem Meister seines Fachs, dem italienischen Fotografen Araldo de Luca, mit hochprofessioneller Ausrüstung und Beleuchtung fotografiert. Die Fotos erschliessen eine frühe, fast industrielle Massenproduktion. Eine kleine Anzahl vereinheitlichter Körperteile wurde in immer wieder neuen Kombinationen, Positionen und Haltungen zusammengesetzt und dann mit einer nahezu unendlichen Vielfalt unterschiedlicher Kostüme, Frisuren, Accessoires und Gesichtszüge zu einer Heerschar von Individuen vervollständigt, in der keine Figur der anderen gleicht. Es ist kaum zu glauben, dass diese unterirdische Metropole und ihre Bewohner, eine Nachbilddung der existierenden, realen Welt, in einem Zeitraum von nur drei dutzend Jahren geschaffen wurde. Mit über 56 Quadratkilometern übertrifft der Umfang der Grabanlagen die mit 25 Quadratkilometern geschätzte Größe der nahe gelegenen Kaiserstadt um mehr als das Doppelte. 700.000 Arbeiter haben an diesem Grab und seiner Ausstattung gearbeitet und dass seine wahre Größe und sein Inhalt, etwa die Existenz der Terrakotta-Armee, bis zu ihrer Entdeckung unbekannt blieben, ist wohl nur einem grausamen Detail der Entstehungsgeschichte zuzuschreiben: Keiner der Männer dürfte die Bauarbeiten überlebt haben. Beide Bücher befassen sich neben der archäologischen Situation eingehend mit der Frage, wie aus einer Region, die Rede ist von dem riesigen Gebiet zwischen dem Huanghe im Norden, dem Jangtse im Süden, dem Sichuanbecken im Westen und der Pazifikküste im Osten, in der über hunderte von Jahren verschiedene Staaten und Königreiche gegeneinander Kriege führten, in nur einer Generation ein einheitliches, zentral regiertes Reich entstand, das über alle Dynastien der weiteren chinesischen Geschichte letztlich bis heute Bestand hat. Die Antwort, dass der König des kleinen Herzogtums der Qin, der im Jahre 246 v.Chr. den lokalen Thron bestieg und 36 Jahre später als der erste Kaiser von China starb, vergleichbar vielleicht mit Alexander, Caesar oder Napoleon, als einer der größten militärischen Führer der Weltgeschichte bezeichnet werden kann, ist ohne weiteres einleuchtend. So waren denn auch Krieg und Kriegstechnik, Organisation und Ausrüstung des Militärs die wichtigste Staatsgrundlage von Qin Shihuangdi, wie es die Terrakotta-Armee und ihre Ausrüstung eindrucksvoll bis heute demonstriert. Darüber hinaus entstanden in jener Zeit nicht nur die philosophischen Systeme Ostasiens, sondern es war auch die Zeit der ersten großen Gesetzgebungen. Qin Shihuangdi vereinfachte die Schrift, vereinheitlichte Maße und Gewichte, schuf ein Zahlungssystem, und errichtete ein effizientes, zentrales Verwaltungssystem. Er ließ im ganzen Reich Strassen bauen, begann mit dem Bau der Großen Mauer, schenkte der Landwirtschaft Bewässerungseinrichtungen, gründete Städte und riesige Palastanlagen – und die unterirdische Welt seines Grabes. Shihuangdi sah sich nicht nur als Herrscher über ein großes Reich, sondern als kosmischen König, als legitimer Nachfolger mythischer Könige. Als solcher suchte er die Unsterblichkeit und glaubte – als eine reale Alternative – an eine parallele Welt, die ein genauer Spiegel der diesseitigen war. Wenn schon der Tod nicht zu vermeiden war, so musste Vorsorge für diese parallele Welt getroffen werden. Luxus und soziale Strukturen aber auch Macht und militärische Stärke waren in diesen unterirdischen Mikrokosmos zu transportieren. Von dem, was er geschaffen hat, ist bis heute nur die Peripherie erforscht. In das eigentliche Grab des Kaisers, das unter einem gewaltigen, aufgeschütteten Hügel liegt, hat bisher kein Archäologe einen Blick geworfen. Es soll einen Bronzehimmel haben, an dem Edelsteine die Sterne darstellen, soll mit einzigartigen Schätzen gefüllt und mit phantastischen Nachbildungen angefüllt sein, darunter Flüssen und Meeren aus purem Quecksilber. Eine ungewöhnlich hohe Quecksilberkonzentration in der Umgebung der Grabanlagen wurde kürzlich festgestellt. Was immer man noch finden wird, die Unsterblichkeit ist Shihuangdi sicher, wenn auch ganz anders als er sich das vorgestellt hat.

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