Treasures from Korea – Arts and Culture of the Joseon Dynasty, 1392-1910

utor/en: Hyunsoo Woo (Hrsg)
Verlag: Yale University Press
Erschienen: New Haven and London 2014
Seiten: 348
Ausgabe: Hardcover
Preis: USD 65,00
ISBN: 978-0-300-20412-4
Kommentar: Michael Buddeberg, Juni 2014

Besprechung:
Korea, das ist vor allem die rasante industrielle und wirtschaftliche Entwicklung in den letzten beiden Jahrzehnten, der Wandel von einen vormals fast ausschließlich agrarisch ausgerichteten Land zu einem der ost- und südostasiatischen „Tigerstaaten“, dem – betrachtet man etwa die Automobilindustrie – der Sprung in die Arena der Wirtschaftsgiganten geglückt scheint. Korea – das ist auch die immer absurder wirkende Trennung in einen am Staatsbankrott dahintaumelnden aber dennoch säbelrasselnden Nordstaat und eben jenem Tiger im Süden, der sich davon durchaus nicht beeindrucken lässt. Weit weniger bekannt ist, dass Korea ungeachtet seiner beiden kulturmächtigen Nachbarn Japan und China auf eine vergleichbar alte und vor allem eigenständige Hochkultur zurückblicken kann, die im Konzert der ostasiatischen Kunst-, Religions- und Geistesgeschichte bemerkenswerte Höhepunkte aufzuweisen hat. Gewiss, die Einflüsse Chinas und Japans, Einflüsse positiver Art durch den Austausch von Ideen, Kenntnissen und Techniken aber auch negative durch Kriege und Zerstörungen, sind unübersehbar und fügen die koreanische Halbinsel zwingend in den ostasiatischen Kulturraum ein. Es ist vor allem die religions- und geistesgeschichtliche Entwicklung, die die eigenständige Kultur Koreas bis heute prägt. Schon recht früh, zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert war der Buddhismus über Indien und China nach Korea gelangt und hatte rasch die animistisch-schamanistischen Urreligionen in den Hintergrund gedrängt. Vom 6. Jahrhundert, der späten Periode der Drei-Reiche, während der Shilla-Dynastie (668-918) und bis zum Ende der Koryŏ-Dynastie im Jahre 1392 war der Buddhismus unangefochten Staatsreligion in Korea. Mit Beginn der nachfolgenden Ära, der Chosŏn-Dynastie sollte dann ein Neo-Konfuzianismus für mehr als 500 Jahre als geistige und moralische Richtlinie das Herrscherhaus, die Gesellschaft und die Kultur prägen. Chosŏn, das „Land der Morgenstille“, galt als „Der Konfuzianische Staat“ in Ostasien. Neben dem Königshaus trug vor allem die Schicht der Literaten zur Blüte der Malerei, der Kalligraphie, der Musik und der Dichtung bei. Dieser Chosŏn-Dynastie ist nun eine von den Kunstmuseen in Philidelphia, Los Angeles und Houston in Zusammenarbeit mit dem koreanischen Nationalmuseum in Seoul veranstaltete Ausstellung und ihr schöner Katalog gewidmet. Präsentiert wird eine Kunst, die sich, der Idee des Konfuzianismus verpflichtet, durch Einfachheit, ästhetische Klarheit und Materialgerechtigkeit auszeichnet. Zu sehen sind Malerei, Kalligraphie, Lackarbeiten, Metall, Skulpturen sowie Textilien und Kostüme aus allen Bereichen der koreanischen Gesellschaft, vom königlichen Hof über die Literatenszene bis zum normalen Bürgertum. Ausgestattet mit zahlreichen „Nationalschätzen“ aus dem National- und anderen koreanischen Museen, die vielfach noch niemals zuvor das Land verlassen haben und ergänzt mit Objekten aus den drei US-Museen, ist es die bisher umfassendste Ausstellung koreanischer Kunst der Chosŏn-Dynastie im Westen. Essays koreanischer Wissenschaftler über die geschichtlichen und geistigen Grundlagen dieser Zeit und über ausgewählte Bereiche von Kunst und Kunsthandwerk, etwa über bemalte Stellschirme, über Literatenobjekte, buddhistische Malerei und Skulptur oder über die Keramik im königlichen Haushalt begleiten die etwa 200 gezeigten Exponate. Bleiben wir bei der Keramik, die vielleicht am deutlichsten die neue Ästhetik der Chosŏn-Dynastie und den Umbruch von der buddhistischen zur konfuzianischen Ära aufzeigt. Die buddhistische Koryŏ-Dynastie galt zuletzt als dekadent und vergnügungssüchtig. Die damit einhergehende politische und militärische Schwäche tat indessen der verfeinerten Eleganz ihrer Keramik, dem unvergleichlichen Schmelz ihrer Seladon-Glasuren und vor allem der einzigartigen Einlagetechnik, einer bedeutenden Erfindung koreanischer Keramikmeister, keinen Abbruch. Bei dieser „sanggam“-Technik wurde die Oberfläche des unglasierten Scherben ausgeschnitten und mit kaolin- bzw. eisenhaltigen rotbraunem Schlicker eingelegt und erzielte so einen hell-dunklen Dekor unter dem Seladon. Nach der Machtübernahme durch die Chosŏn war dieser von den Handwerkern immer weiter bis hin zu zarten Blüten und elegant fliegenden Kranichen entwickelte Dekor nicht mehr gefragt. Die kraftvoll-robuste, manchmal fast monumentale und oft rein weiß glasierte Keramik der frühen Chosŏn-Zeit spiegelt den Umbruch der Kulturen und die Tendenz der neuen Herrscher nach einfacher, ursprünglicher und undekorierter Form. Diese neue Ästhetik war nicht auf den königlichen Hof beschränkt, sondern setzte sich auch in der Aristokratie durch, die durchweg die puritanische konfuzianische Beamtenschaft bildete und aus der sich die Literaten und Beamtengelehrten rekrutierten. Deren Studio und seine Einrichtung, schlichte Möbel, Malutensilien, Kalligraphie und Malerei bilden einen weiteren Schwerpunkt von Ausstellung und Katalog. Hier sind es die Möbel, Bücherschränke, Präsentierregale, Schatullen und andere mehr, die faszinieren, die an chinesisches Mobiliar aus transitionaler Zeit erinnern und doch einen eigenen koreanischen, mehr der Natur verhafteten Stil aufweisen. Und wenn auch die konfuzianische Ethik Staat und Kultur in Korea ein halbes Jahrtausend überwiegend prägten, so blieb doch der Buddhismus die religiös bestimmende Kraft, und seine komplexen Inhalte konnten sich vor allem in der Malerei und Skulptur erhalten und behaupten. Trotz der anfänglichen Bemühungen der Chosŏn-Herrscher, den alten Glauben zu unterdrücken, wurden die seit Jahrhunderten gepflegten Rituale und Vorstellungen mehr und mehr geduldet und auch das Mönchstum ist nie ganz verschwunden. So galten Buddha und sein Pantheon – wenn auch nicht offiziell – weiterhin als Beschützer des koreanischen Staates und selbst die Königsfamilie unterstützte Tempel und Klöster und beauftragte Künstler mit deren malerischer und skulpturaler Ausstattung. Dieses Nebeneinander von bedeutungsvoller buddhistischer Kunst und betonter Schlichtheit in der Alltagskultur macht den besonderen Reiz der Schätze aus Koreas Chosŏn-Dynastie aus.

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