Ming – Porcelain for a Globalised Trade

Autor/en: Eva Ströber
Verlag: Arnoldsche Art Publishers
Erschienen: Stuttgart 2013
Seiten: 240
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 58,00
ISBN: 978-3-89790-389-0
Kommentar: Michael Buddeberg, November 2013

Besprechung:
Das 17. Jahrhundert gilt als das „Goldene Zeitalter“ der Niederlande. Es ist vor allem die Blüte der niederländischen Malerei, die diesen Begriff geprägt hat, denn die Produktion qualitätvoller Bilder in den Niederlanden zu jener Zeit ist in der gesamten Kunstgeschichte beispiellos. Etwa um 1650 waren in den Niederlanden mehr als 700 Maler tätig, die jährlich um die 70.000 Bilder malten und davon in der Regel auch ganz gut leben konnten. Reichtum und Luxus prägten das bürgerliche Leben; die Niederlande waren in der Mitte des 17. Jahrhunderts die größte Wirtschaftmacht der Welt. Wie konnte es dazu kommen, dass ein kleiner Staatenbund mit nicht einmal 2 Millionen Einwohnern, ohne Rohstoffvorkommen und einer eher unbedeutenden Landwirtschaft eine solche Position erringen konnte? Es war ein ganzes Bündel von Gründen, von denen religiöse Toleranz, ein funktionierendes Bankensystem, ein dauerhafter innenpolitischer Frieden und die Kriegshändel der Nachbarländer nur einige sind. Vor allem war es der Überseehandel, der Reichtum, Macht und Ansehen brachte. Etwa 15.000 niederländische Schiffe, das war das 5-fache der damaligen englischen Flotte, sicherten den Niederländern das Handelsmonopol auf den Weltmeeren. Die südostasiatischen kolonialen Besitzungen und vor allem der Handel mit China sorgten für einen steten Nachschub an Gewürzen, Textilien und, last not least, dem begehrten chinesischen Porzellan. So passt es gut zusammen, dass die bedeutende Sammlung chinesischen Porzellans des holländischen Sammlers Nanne Ottema (1874-1955) in einem Gebäude aus dem Goldenen Zeitalter, dem ehemaligen Wohnsitz der Prinzessin Marie-Louise von Hessen-Kassel in Leeuwarden, untergebracht ist. Eva Ströber, Kuratorin an diesem Princessehof National Museum für Keramik hat anlässlich einer Ausstellung von Porzellan aus der Ming-Zeit ein Buch geschrieben, das nicht nur, wie es der Titel verspricht, das Ming-Porzellan als Objekt eines globalen Handels vorstellt, sondern darüber hinaus in überaus lebendiger und bewusst porzellanlastiger Art und Weise die wechselvolle Geschichte der Ming-Dynastie und ihrer wichtigsten Kaiser beschreibt. Weit mehr als die vorangehende Dynastie mongolischer Herrscher (Yuan, von 1279 bis 1368) oder die der Mandschuren (Qing, 1644 – 1911) steht die Ming-Zeit für authentische Han-chinesische Kultur. Das gilt für alle Bereiche, für Architektur und für die Gestaltung von Gärten, für Möbel und Textilien, für Malerei und Kalligraphie und ganz besonders für Porzellan. Es begann mit dem Begründer der Dynastie, Kaiser Hongwu (1368-1398), der den wegen seiner Kaolin-Vorkommen und die praktischen Transportwege auf dem Wasser begünstigten Ort Jingdezhen in der Südprovinz Jiangxi durch die Errichtung kaiserlicher Brennöfen und die Etablierung einer Massenproduktion auf hohem Niveau zu dem damals vielleicht größten Industriezentrum der Welt ausbaute. In Gegensatz zum fast durchweg blau-weißen Dekor der Yuan-Zeit findet man auf kaiserlichem Porzellan der Hongwu-Zeit häufig eine Malerei in Kupferrot. Unter Kaiser Yongle (1403-1424) kam dann eine fast weiße Glasur in Mode, die dem Porzellan einen Jade-Effekt verlieh und den fast unsichtbaren Dekor nur erahnen ließ. Vor allem aber war es eine Zeit der Weltoffenheit Chinas, denn der muslimische Eunuch und Admiral Zheng He (1371-1432) erreichte mit seinen Flotten die ganze damals bekannte Welt. Seine insgesamt sieben Seeexpeditionen im Auftrage von Yongle hatten kaum vorstellbare Dimension; die chinesische Schiffsbautechnologie war weltweit einzigartig; die größten Schiffe hatten eine Länge von 140 Metern – zum Vergleich: Colombus Caravelle Santa Maria maß gerade mal 18 Meter. Chinesische Porzellane im gesamten südostasiatischen Archipel und an den Ostküsten Afrikas sind ein Zeugnis dieser großen Zeit Chinas. Unter der Regierung von Kaiser Xuande (1424-1435) hatte Jingdezhen und der Blau-Weiß-Dekor seine große Blüte. 1433 etwa wurden in den kaiserlichen Öfen auf Bestellung des Hofes 443.500 Stücke Porzellan gefertigt. In dieser Zeit wurde mit dem Kobaltblau der Grundstein für die bis heute erfolgreichsten Porzellandekore gelegt, für die das seit dem 18. Jahrhundert inMeissen hergestellte und viel kopierte Zwiebelmuster ein europäisches Beispiel ist. Am Hofe von Kaiser Chenghua (1465-1487) kamen neben dem nach wie vor dominierenden Blau-Weiß auch kleinere, elegante und mit Emaillefarben gehöhte Stücke in Mode. Im 16. Jahrhundert, dominiert durch die langen Regierungszeiten von Jiajing (1522-1522) und Wanli (1573-1620), mehrten sich politische und ökonomische Krisen, der Porzellanbedarf des Hofes sank rapide und im Jahre 1608 verfügte Kaiser Wanli die Schließung der kaiserlichen Öfen in Jingdezhen. Dutzende privater Öfen aber waren clever genug, sich mit dem frei gewordenen Potential an hoch qualifizierten Künstlern und Handwerkern auf einen ganz neuen Boom nämlich die beginnende Nachfrage aus Europa umzustellen. Neue Formen und ein ganz neuer Dekor, die so genannte Kraak-Ware bestimmen das Ende der Mingzeit, die 1644 mit dem Selbstmord des letzten Ming-Kaisers Chongzhen ihr Ende fand. Neben dieser Geschichte der Ming-Dynastie und der Entwicklung vor allem des kaiserlichen Porzellans in dieser Zeit werden weitere wichtige Themen behandelt. Zum Beispiel das Markenwesen: Während in Europa Kunsthandwerker, gleichgültig in welchem Bereich, ihre Werke sehr häufig zu signieren pflegten, war künstlerisches und handwerkliches Schaffen in China stets anonym. Die etwa seit Yongle gebräuchlichen Regierungs- oder auch kaiserlichen Marken bezeichneten nie den Künstler, sondern stets den auftraggebenden Hof. Da diese Marken jedoch schon seit dem 15. Jahrhundert gerne gefälscht wurden, sind sie das unzuverlässigste aller Authentizitätsmerkmale. Ein weiteres wichtiges Thema ist der chinesische Porzellanhandel mit Südostasien, der schon lange vor der Ankunft der Europäer florierte. Seide und Keramik wurde hier im Austausch für Schildpatt, Perlen, Elfenbein, Vogelnester und Haifischflossen nach Indonesien, Sumatra und Malaysia geliefert, allesamt spätere niederländische Kolonien. Solches für die Residenzen muslimischer Höfe im südostasiatischen Archipel bestimmte Export-Porzellan aus allerlei südchinesischen Öfen erreichte zwar nie die hohe Qualität der Waren aus Jingdezhen, ist jedoch, wie etwa die spontan und oft rustikal dekorierte Swatow-Ware aus Zhangzhu, von eindrucksvoller ästhetischer Qualität. Es versteht sich, dass alle die vielen Kapitel über kaiserliches Porzellan, über die verwendeten Farben und ihre Bedeutung, über Funde in geborgenen Schiffswracks, über die sich auch im Porzellan wiederspiegelnde Tulpomania und schließlich über die 1602 gegründete Dutch East India Company, die das Goldene Zeitalter in den Niederlanden erst möglich gemacht hat, vorzüglich mit insgesamt 102 ausgesuchten und sorgfältig beschriebenen Exemplaren aus der Sammlung des Museums, illustriert sind.

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