The Woolf Collection of Chinese Jade

Autor/en: Angela McAteer (Hrsg)
Verlag: Sotheby´s
Erschienen: London 2013
Seiten: 272
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 60,00 engl. Pfund
ISBN: 978-0-9553651-2-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2014

Besprechung:
1969 wurde dem britischen Filmproduzenten John Woolf (1913-1999) der Oscar für den „Besten Film des Jahres“ – es war seine Produktion „Oliver“ – verliehen. Das war, nach mehreren Nominierungen, allerhöchste Zeit, denn schon 1951 hatte Woolf mit „African Queen“ einen Welterfolg produziert, den noch heute manche Cineasten zu dem 100 besten Filmen aller Zeiten zählen. Mit Humphrey Bogart und Katherine Hepburn in den Hauptrollen wird hier die Geschichte erzählt, wie auf einem entlegenen afrikanischen Kriegschauplatz eine tugendhafte Krankenschwester und ein lasterhafter Kapitän nicht nur zueinander finden, sondern nach allerlei Abenteuern auch ein feindliches Kriegsschiff zur Strecke bringen. Weil es ein deutsches Kriegsschiff war, kam dieser Film in Deutschland erst viele Jahre später in die Kinos und wurde nur wenig bekannt. Dem Produzenten John Woolf verhalf dieser Erfolg aber zu stetig sprudelnden Tantiemen, mit denen er seine ersten Einkäufe chinesischer Jade tätigte. Der Erfolg als Filmproduzent blieb ihm ebenso treu – er wurde 1975 hierfür sogar in den Adelsstand erhoben – wie die Sammelleidenschaft und so zählt seine Sammlung chinesischer Jade heute zu den bedeutendsten derartigen Kollektionen im Westen. Dies freilich mit einer Einschränkung: Von der fast 8000 Jahre alten chinesischen Jadekultur beschränkt sich die Sammlung Woolf auf einen recht kleinen zeitlichen Ausschnitt. Die ca. 130 in dem Katalog vorgestellten Objekte stammen fast ausschließlich aus der Zeit der mandschurischen Qin-Dynastie und hier überwiegend aus der Regierungszeit des Kaisers Qianlong und seines Nachfolgers Jiaqing, also aus dem 18. bis ins frühe 19. Jahrhundert. Handwerklich erlebte die Kunst der Jadebearbeitung in dieser Zeit einen Höhepunkt, denn die Objekte, die in den kaiserlichen aber auch in anderen Werkstätten, oft in jahrelanger Arbeit entstanden, hatten in der Kunstfertigkeit der Bearbeitung, in der Vielfalt ihrer Formen und figürlichen Motive, oft auch in ihrer schieren Größe, kein Vorbild in der vieltausendjährigen Geschichte chinesischer Jadekunst. Die Gründe hierfür waren nicht nur der hohe handwerkliche Standard jener Zeit, sondern auch politischer Natur. 1759 hatte Kaiser Qianlong die Herrschaft über das ostturkestanische Xinjiang erlangt und damit Zugang zu den klassischen Fundstätten chinesischer Jade. Es waren die in der Region Khotan aus dem Kunlun-Gebirge strömenden und sich dann in der Sandwüste Taklamakan verlierenden Flüsse, in deren Betten man die wertvollen Kiesel barg. Mehrere Tonnen dieses begehrten Materials erreichten seither jährlich als Tribut das chinesische Kernland. Etwa zeitgleich hatte China auch den Zugang zu den birmesischen Jadeitvorkommen erobert, einem der Jade sehr ähnlichen Mineral mit einer diese sogar noch übertreffenden Farbskala. Mit diesem nie zuvor vorhandenen Überschuss an Rohstoff erreichte die Jadeproduktion in China unter Kaiser Qianlong ihren Zenith.

Der sehr edel aufgemachte und nur in einer kleinen Auflage produzierte Katalog einer Ausstellung der Sammlung Woolf anlässlich der Asian Art Week in London in den Räumen von Sotheby´s im November 2013 beschränkt sich nicht auf die äußerst repräsentative und mit vielen Detailaufnahmen versehene Abbildung und Beschreibung der Jadeobjekte der Sammlung, sondern behandelt in mehreren Essays ausgewiesener Experten den bis ins chinesische Neolithikum zurückreichenden Kult um dieses Mineral. Auch in anderen Kulturkreisen, etwa bei den präkolumbianischen Völkern Südamerikas oder in Indien, war Jade bekannt und geschätzt, doch nur in China glaubte man an seine mystischen und geheimnisvollen Eigenschaften, die nicht nur mit den ehrenvollen Tugenden von Weisheit, Mut, Nächstenliebe, Redlichkeit und Gerechtigkeit assoziiert wurden, sondern sogar vermeintlich die Kraft hatten, unsterblich zu machen. Grabbeigaben wie die bis heute Rätsel aufgebenden Cong-Objekte und Bi-Scheiben der Hongshan-Kultur (4700-2900) oder die aus tausenden kleiner Jadeplättchen gefertigten Jadepanzer der Han-Dynastie (206 v. bis 210 n.Chr.) sind hierfür beste Beispiele. Freilich war Jade aufgrund seiner Seltenheit und Kostbarkeit ebenso wie wegen der schwierigen und äußerst zeitaufwändigen Bearbeitung – Jade kann nicht „geschnitzt“ werden, wie man dem gebräuchlichen Begriff „Jadeschnitzerei“ irrtümlich entnehmen könnte, sondern wird mit Sand unterschiedlichster Härte und Körnung geschliffen und schließlich poliert – stets nur den Eliten vorbehalten, die es für rituelle Handlungen, zur Schaustellung von Ansehen und Reichtum und schließlich für den Weg ins Jenseits nutzten und weit höher einschätzten als Bronze, Silber und Gold.

Ein Beitrag über Jade im Westen, konkret über das Sammeln von Jade in England und zugleich über die Entstehung der bedeutenden Jade-Sammlung des British Museum, ist neben der Vorstellung namhafter Sammlerpersönlichkeiten auch ein Blick in die neuere Geschichte Chinas, die durch militärische Niederlagen und das Ende der letzten kaiserlichen Dynastie im Jahre 1911 geprägt ist. Erst durch die Tätigkeiten der ostindischen Kompagnien, durch die Opium-Kriege mit der legendären Plünderung des Sommerpalastes, den Boxeraufstand des Jahres 1900 und schließlich durch den Ausverkauf kaiserlicher Inventare in den Zeiten der Republik gelangten chinesische, vor allem kaiserliche Jaden und damit die Kenntnis von Jadekunst und Jadekult nach Europa und USA. Bemerkenswert ist in der Sammlung Woolf, neben den durch die Beimengung verschiedener Metalloxyde von seladon- über spinatgrün bis gelbbraun gefärbten Exemplaren der hohe Anteil rein weißer Jade, in China aber auch im Westen stets die kostbarsten und begehrtesten Stücke. Die zarte Transparenz der Jade kommt hier am besten zum Ausdruck und möglicherweise spielt hier die Liebe des Filmproduzenten zu seinem transparenten Rohstoff, dem Zelluloid, eine gewisse Rolle, wie sein Sohn Jonathan Woolf in der einleitenden Laudatio vermutet. Beide Medien aber haben eines gemeinsam: Sie erzählen Geschichten, die einen aus Hollywood und die anderen aus dem alten China, und so wird gut verständlich, dass der erfolgreiche Filmproduzent zeit seines Lebens immer auch von chinesischer Jade fasziniert war.

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