This Snuff Bottle Monkey Business – The Mullin Collection and Its Story

Autor/en: Hugh Moss, Stuart Sargent
Verlag: CA Design
Erschienen: Hong Kong 2012
Seiten: 436
Ausgabe: Leinen
Preis: HKD 2.184
ISBN: 978-962-7502-84-5
Link: www.cadesignbookclub.hk
Kommentar: Michael Buddeberg, September 2013

Besprechung:
Die Chinesen haben nicht nur das Schiesspulver erfunden, sie waren auch die ersten, die Porzellan oder Papier herstellen und mit Hilfe des Kompass um die halbe Welt segeln konnten. Das alles ist gut bekannt und hat China den Rang einer der ältesten Kulturnationen der Welt eingebracht. Dass China darüber hinaus schon zu Zeiten des Mittelalters über eine technische Hochkultur verfügte, von der man damals in Europa nicht einmal geträumt hat, ist weit weniger bekannt. So haben fernöstliche Konstrukteure etwa bei landwirtschaftlichen Geräten und Techniken, im Bronze- und Eisenguss, beim Schiffs- und Brückenbau und bei der Konstruktion von Webstühlen richtungweisende Erfindungen gemacht. Selbst bei den Genussmitteln hatten die Chinesen die Nase vorn, denn sie waren es, die den Genuss von grünem Tee aber auch von Opium kultivierten und Xi Di, die Ehefrau des Gründers der bronzezeitlichen Xia-Dynastie (um 2000 v.Chr.) gilt nach einer chinesischen Legende gar als die Erfinderin der Braukunst. Weiß man dann, dass China heute der weltgrößte Tabakanbauer ist, liegt es nahe, die Chinesen auch als die Geburtshelfer aller nikotinhaltigen Laster anzusehen. Weit gefehlt, aber wieder waren es nicht die Europäer, die hier den Anfang machten, sondern die Indianer Amerikas. Europäer indessen, ganz konkret portugiesische Kapitäne und Matrosen waren es dann, die den Tabakgenuss, damals vor allem in Form von Schnupftabak, nicht nur nach Europa sondern sehr rasch auch nach China brachten. Der mahlfein zerriebene, nass vergorene und mit allerlei Spezereien versehene Tabak von eigenartigem Geruch und Geschmack machte im Reich der Mitte Furore und wurde seit etwa der Mitte des 17. Jahrhunderts, zunächst am Hofe der mandschurischen Kaiser und rasch auch innerhalb der wohlhabenden und gebildeten Kreise Chinas zum modischen und beliebten Genussmittel. Dieser Siegeszug des Schnupftabaks in China, die Neigung der Chinesen, sich an schönen Dingen leidenschaftlich zu erfreuen und die grandiosen Fähigkeiten chinesischer Kunsthandwerker ließen mit den Schnupftabakfläschchen, den Snuff-Bottles, eine einzigartige Kleinkunst entstehen. Vor allem die legendären kaiserlichen Kunstwerkstätten in den Palästen der Kaiser Kangxi (1662-1722) und Qianlong (1736-1796) markierten die Geburt eines Sammelobjektes, das seinerzeit in China, dann im Westen und heute wieder im finanzstarken China Sammlerherzen höher schlagen lässt. Ausstellungen, Auktionen und sensationelle Preise für außergewöhnliche Stücke, vor allen, wenn sie den kaiserlichen Werkstätten zugeschrieben werden können, zeigen die außerordentliche Wertschätzung von Snuff-Bottles. Bedeutende Sammlungen wurden bereits publiziert, doch keines dieser Bücher kann sich mit dem der Mullin-Collection messen. Russell Mullin trug von den 40er bis in die frühen 70er Jahre des 20. Jahrhunderts eine der bedeutenden US-amerikanischen Sammlungen chinesischer Snuff-Bottles zusammen. Es war eine Zeit, in der die Kenntnis über dieses Sammelgebiet auch bei Händlern und Auktionatoren noch rudimentär war, als seltene und ungewöhnliche Stücke noch unerkannt und preiswert zu finden waren und als das Gespür des Sammlers für Qualität und ästhetische Schönheit besonders gefragt war. Es ist dem Sammler Russell Mullin nicht nur zu danken, dass er (fast) durchgehend penible Aufzeichnung über Zeitpunkt, Ort und Herkunft seiner Erwerbungen geführt hat, sondern es ist darüber hinaus ein wahrer Glücksfall, dass er seine Gedanken, Zweifel und Erkenntnisse über erworbene Snuff-Bottles, von ihm selbst als schierer Blödsinn („monkeys business“) bezeichnet, in einer umfangreichen Korrespondenz mit Sammlerkollegen und Händlern zu Papier gebracht hat. Geordnet nach der Chronologie des Erwerbs und mit der Wiedergabe des originalen Wortlautes von Briefen haben wir so teil an dem Prozess des Lernens, der wachsenden Erfahrung, des zunehmenden Wissens und der in den meisten Fällen bis heute zutreffenden Einschätzung der erworbenen Stücke. Das Buch ist damit eine Hommage an das Sammeln an sich, ein Buch, das offenbart, dass das beständige Lernen und die Suche nach Wissen und Erkenntnis den wahren Wert des Sammelns ausmacht, dass es also nicht auf das meist nicht erkennbare oder auch nur definierbare Ziel ankommt, sondern um die Reise dorthin, nicht um die Sammlung als solche, sondern um deren Werden und Wachsen, ihre stete Veränderung und – im besten Falle – die unaufhaltsame Verbesserung ihrer Qualität. Dank der vielen kleinen Geschichten und Anekdoten, die im Hintergrund jeder Sammlung vorhanden sind – welcher Sammler wüsste nicht zu fast jedem Stück eine Geschichte zu erzählen – und der zahlreichen Originalbriefe liest sich das spannend und unterhaltend und ist zugleich eine Einführung in die komplexe Welt der Snuff-Bottles, in die Entwicklung dieser Kleinkunst, die verwendeten Materialien und die handwerklichen und künstlerischen Kriterien, mit der der Sammler die Spreu vom Weizen sondert und die das durchschnittliche Fläschchen vom Kleinod unterscheiden. Dies alles aber ist nur ein Teil dieses Buches, wenn auch sein umfangreichster. Der andere Teil ist ein nach den Materialien, nämlich Jade, Quartz und anderes Gestein, Porzellan und Emaille, Glas, organische Stoffe und Metall und schließlich der Gruppe „inside painted“ geordneter, wissenschaftlicher Katalog aller 314 Snuff-Bottles der Sammlung Mullin, der nicht nur Maße, Marken, Alter und Provenienz beinhaltet, sondern auch die in den Darstellungen oft versteckte Symbolik erklärt. Schriftliche Portraits einer ganzen Anzahl von Sammlern und Händlern, die wir aus der Korrespondenz von Russell Mullin schon kennen, beschließen das opulent mit Abbildungen ausgestattete Buch. Möglich wurde dieses so ganz andere Buch über eine Sammlung von Snuff Bottles durch den Sohn des Sammlers, Terry Mullin, der – ein seltener Glücksfall – die väterliche Sammlung fortführt. Dass ihn dies mit ähnlicher Leidenschaft und Freude erfüllt, wie das bei seinem Vater der Fall war, dafür ist dieses schöne Buch der beste Beweis.

Das Buch kann bestellt werden bei www.cadesignbookclub.hk

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