10.000 Times Happiness – Symbols on Chinese Porcelain

Autor/en: Eva Ströber
Verlag: Arnoldsche Art Publishers
Erschienen: Suttgart 2011
Seiten: 240
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 58.–
ISBN: 978-3-89790-350-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Dezember 2011

Besprechung:
Emil Preetorius (1883-1973), der große Kenner und Sammler chinesischer Malerei und Graphik schrieb 1958 im Katalog seiner Sammlung: „Alle Malereien des Ostens sind sinnbildlich gemeint, und ihre charakteristischen Themen wie Felsen, Gewässer, Wolken, Tiere, Bäume, Gräser sagen nicht nur sich selber, sondern noch ein weiteres aus: sie bedeuten etwas. Es gibt im Osten schlechthin kein Ding der gesamten Natur, der belebten und unbelebten, ja nahezu auch kein Artefakt, das nicht zugleich Symbolwert hätte, sofern es sich darstellen und in dem einen oder anderen Sinne deuten lässt.“ Dieser der Bildwelt innewohnende Symbolgehalt ist natürlich nicht auf die Malerei beschränkt; er ist Bestandteil der gesamten dekorativen Kunst Chinas. Ob es sich um eine feine Plastik aus Jade handelt, einen geschnitzten Pinselbecher aus Huanghuali, eine Dose aus Lack oder um einen reich bestickten Stoff, immer transportiert die Darstellung über ihre dekorative Wirkung hinaus auch einen symbolischen Gehalt, der, vergleichbar mit chinesischen Schriftzeichen, entschlüsselt werden will. Das gilt ausnahmslos auch für chinesische Keramik, für frühes Steinzeug ebenso wie für Porzellan aus den berühmten Öfen von Jingdezhen, Dehua oder Zhangzhou. Dies ist nun keineswegs eine neue Erkenntnis. Neu und zugleich eine ausgezeichnete Idee ist es indessen, eine berühmte Sammlung chinesischer Keramik nicht, wie das sonst üblich ist, chronologisch nach Material, der Zeit ihrer Entstehung oder dem Stil vorzustellen, sondern geordnet nach dem Symbolgehalt ihrer Dekoration, quasi wie ein Lexikon für die Sprache der Zeichen und Symbole. Die Rede ist von der Sammlung des Keramikmuseums Princessehof in Leeuwarden, der Hauptstadt der niederländischen Provinz Friesland. Die Keimzelle dieses seit 1917 bestehenden, wichtigsten Museums für asiatische Keramik in Holland, das mit der ehemaligen, im 18. Jahrhundert erbauten Residenz der deutschen Prinzessin Marie-Louise von Hessen-Kassel einen würdigen Rahmen erhalten hat, ist die Sammlung des Leeuwardener Notars Nanne Ottema, der auch der erste Direktor dieses Museums wurde. Seine Kollektion von etwa 4000 Stücken asiatischer Keramik mit dem Schwerpunkt auf dem Porzellan der Ming-Dynastie ist seither durch die von ihm gegründete Stiftung und weitere private Sammlungen, hier vor allem die Sammlung von Zhangzhou-Waren von Reinier Dirk Verbeek weiter ausgebaut worden. Der Schwerpunkt des Buches, das knapp einhundert der schönsten und wichtigsten Stücke der Kollektion vorstellt, liegt denn auch bei Jingdezhen-Porzellan aus der Ming-Dynastie. Neben diesem klassischen Blau/Weiss sehen wir frühes Steinzeug im geheimnisvollen Grün der Seladon-Glasuren, kaiserlich gelbes Porzellan, solches mit der lebendigen Farbfülle der famille vert oder bemalt im feminin eleganten Stil der famille rose und schließlich rein weisse Exemplare, das so genannte blanc de chine aus den Brennöfen von Dehua. Auch wenn es sich durchweg um ausgesucht schöne und seltene Stücke handelt – etwa um eine große, nach Art des Kraak-Porzellans aber nicht in Kobalt-Blau, sondern als weltweit einzig bekannt gewordenes Exemplar in roter und grüner Emaillefarbe auf der Glasur bemalte Platte -, so steht hier nicht der ästhetische Eindruck, sondern die Symbolik der Darstellung im Vordergrund der Betrachtung, Beschreibung und der Kommentare. Eva Ströber, die zu den ersten Experten für chinesisches Porzellan gehört, heute Konservatorin am Keramikmuseum Princessehof, gibt einen ebenso faszinierenden wie tiefen Einblick in die komplexe Bildsprache und die Bedeutungen chinesischer Dekore. Die im figürlichen oder ornamentalen Dekor sichtbaren Zeichen dieser für uns so geheimnisvollen Sprache reichen von Symbolen für den Kosmos – hier finden wir die vielfältige Bedeutung des Yin-Yang-Motivs erklärt – über den Drachen als das wohl bekannteste Symbol chinesischer Kultur, über mythologische und göttliche Kreaturen, Tiere und Pflanzen sowie die Suche nach der Unsterblichkeit bis hin zu den Idealen der konfuzianischen Gesellschaft. Eine ausführliche Einleitung und den acht nach Symbolgruppen geordneten Kapiteln jeweils vorangestellte Erläuterungen machen mit dem visuellen Vokabular, mit dieser für die gesamte chinesische Kunst und Kultur so wichtigen Sprache der Symbole und Zeichen vertraut. Der Schlüssel ist hier die chinesische Sprache ebenso wie die chinesische Schrift. Chinesische Schriftzeichen sind Bilder und nicht Töne, sie sprechen das Auge an und nicht das Ohr. Chinesen sind Augenmenschen und weit mehr als die Menschen des Westens gewohnt, Zeichen und Bilder auch als Symbole zu lesen und so zu erfassen, was auf den ersten Blick unverständlich erscheint. So ist es dem westlichen Betrachter nur schwer zu vermitteln, warum ausgerechnet die Darstellung einer Fledermaus auch eine Verheißung von Glück ist. Der Chinese erkennt das sofort denn die Schriftzeichen für die Fledermaus und den Wunschzustand sind identisch und beides nur durch andere Betonung unterschieden. Und rotten sich gleich fünf Fledermäuse, noch dazu in der Farbe Rot zusammen, so gesellen sich zur Verheißung von Glück auch noch die Wünsche nach Gesundheit, einem langen Leben, nach Reichtum und einem natürlichen Tod. Konzentrisch angeordnet um ein Shou-Zeichen, ein weiteres Symbol für langes Leben, ist dieser Fledermaus-Dekor auf einem reinweißen Teller aus den Jingdezhen-Öfen der frühen Qing-Dynastie nicht nur von symbolischer Bedeutung, sondern auch ästhetisch ein Meisterwerk. Andere Zeichen und Symbole stehen für reichen Kindersegen, für Wohlstand und Reichtum, für das Streben nach Unsterblichkeit oder auch ganz profan für reiche Ernte und Erfolg bei der beruflichen Karriere. Mit den ganzseitigen Abbildungen hochwertigen chinesischen Porzellans aus dieser bedeutenden Sammlung und der parallelen handbuchartigen Erläuterung der Bildersprache chinesischer Symbole ist das „zehntausendfache Glück“ ein zugleich nützliches und kurzweiliges Buch, das man gerne und immer wieder zur Hand nimmt.

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