Chinese Export Ceramics

Autor/en: Rose Kerr, Luisa E. Mengoni
Verlag: V&A Publishing
Erschienen: London 2011
Seiten: 144
Ausgabe: Leinen mit Schutzumschlag
Preis: 30,00 englische Pfund
ISBN: 978-1-85177-632-0
Kommentar: Michael Buddeberg, Juli 2012

Besprechung:
„Armorial Porcelain“, dieses mit europäischen Adelswappen versehene Porzellan aus China ist ein besonders spannendes Kapitel der chinesischen Exportkeramik. Es ist mit der British East India Company eng verbunden, einer der machtvollsten Handelsorganisationen, die je existiert hat. Vom späten 17. bis ins 19. Jahrhundert befand sich fast der gesamte China-Handel monopolartig in den Händen dieser Ehrenwerten Gesellschaft. Ihre Handelsgüter waren Luxus- und Genussmittel, Seide, Tee, Gewürze und natürlich Porzellan, jenes „weiße Gold“ aus China, Inbegriff des Luxus und begehrt von den Reichen und Mächtigen jener Zeit. Eine organisatorische Besonderheit führte zur Blüte des Armorial Porcelain: Die Kapitäne, Offiziere und Supercargos der Handelsschiffe erhielten von der Gesellschaft eher bescheidene Saläre, hatten aber das Recht und hierfür auch speziell reservierten Frachtraum, privaten Handel zu betreiben. Wer nun als erster auf die, wie sich zeigen sollte, geniale Idee kam, im Auftrage englischer oder schottischer Familien von Manufakturen und Porzellanmalern im fernen China Wappenservice herstellen zu lassen, ist nicht bekannt. Jedenfalls begründete dieser clevere Kapitän oder Supercargo im späten 17. Jahrhundert eine Mode, die bis weit ins 19. Jahrhundert aktuell bleiben sollte und der insgesamt wohl an die 6000 kompletter derartiger Speiseservice, davon etwa die Hälfte allein für den britischen Markt, zu verdanken sind. Etwa zwei Jahre lagen zwischen Bestellung und Lieferung und eine 12000 Seemeilen lange Reise voller tückischer, unberechenbarer Gefahren natürlicher, menschlicher und politischer Art. Familienporzellan aus China zu besitzen war seinerzeit in besseren Kreisen nicht nur Mode, sondern transportierte sozialen Status und demonstrierte mit dem Hauch von Abenteuer und dem Flair von Exotik die Weltläufigkeit der aristokratischen Aufraggeber.

Dieses Armorial Porcelain bildet den Hauptbestandteil der bis vor kurzem noch niemals publizierten Sammlung chinesischen Export Porzellans im Victoria & Albert Museum, einer der weltweit bedeutendsten Kollektion dieser reizvollen west-östlichen Porzellanspezialität. Mit dem nun vorliegenden Buch wird diese Lücke aufs Beste geschlossen, wobei dem Armorial Porcelain nur eines der zahlreichen Kapitel gewidmet ist. Die gezielte Produktion von Porzellan für den europäischen Markt vor allem in den Öfen von Jingdezhen begann im späten 16. Jahrhundert und bediente sich der traditionellen chinesischen Dekortechniken. Den Löwenanteil machte dabei stets die blau-weiße, das heißt mit Kobalt unter der Glasur dekorierte Ware aus, hier vor allem die für den Mittleren Osten und Europa in der späten Ming-Zeit bestimmte so genannte Kraak-Ware. Etwas später kamen die aufwändiger mit zusätzlichen Emaillefarben dekorierten Porzellane im Imari-Stil und der mit der jeweils dominierenden Farbpalette bezeichneten „Familien“ Vert und Rose aber auch Jaune und Noir hinzu. Der europäische Einfluss auf Form und Dekor ist fast immer ablesbar und doch sind die Stücke unverkennbar chinesisches Porzellan. Die mit chinesischem Pinsel für europäischen Geschmack dekorierten Teller, Platten, Kannen, Krüge, Vasen, Terrinen und andere Gefäße machen den ungebrochenen Reiz dieser Export-Ware aus. Ein weiteres Kapitel widmet sich Arbeiten, bei denen der europäische Einfluss auf Form und Dekor noch stärker war. Ab etwa 1700 wurden von den europäischen Händlern und Bestellern mehr und mehr spezifische Produkte und deren Dekoration nach europäischen Mustern gefordert. Allegorische Szenen, historische Ereignisse, Szenen aus Jagd, Schifffahrt und Alltag oder religiöse Motive wurden nach Drucken und Buchillustrationen in Auftrag gegeben. Auch hier, wenngleich schwerer zu erkennen, sind es malerische Details und die Qualität des Materials, die diese Stücke von solchen europäischer Manufakturen unterscheidet. Nicht selten wurde die Kostbarkeit chinesischer Porzellanobjekte noch dadurch erhöht und besonders betont, dass man sie in Europa mit Metallmontierungen versah. Dieser Brauch, die Besonderheit des exotischen Stückes hervorzuheben und zugleich den eigenen europäischen Zeitgeschmack zu demonstrieren, hat seine Wurzeln in den Kunstkammerobjekten der Renaissance, als man etwa aus Muscheln, Strausseneiern oder Kokosnüssen prunkvolle Pokale komponierte. Mit solchen, meist mit vergoldeten Montierungen aus Kupfer, Bronze oder Silber geschmückten, figürlichen und anderen chinesischen Porzellanen befasst sich ebenfalls ein separates Kapitel. Hinzu kommt die weitere Spielart, chinesisches Porzellan erst in Europa zu vervollständigen: Undekoriertes oder nur mit sparsamen blau-weiss-Dekor nach Europa gelangtes Porzellan wurde dann von europäischen Porzellanmalern oder Vergoldern meist im chinoisen Stil veredelt. Hier wird es dann oft wirklich schwer, diese Teile von den von so genannten Hausmalern der frühen europäischen Porzellanmanufakturen bemalten Teilen zu unterscheiden. In einem weiteren Kapitel wird schließlich mit dem Export chinesischer Keramik nach Japan, in den Mittleren Osten, nach Indien und in die südostasiatischen Länder ein wenig bekanntes aber für die chinesischen Keramikmanufakturen spätestens seit der Tang-Zeit wirtschaftlich wichtiges Thema behandelt. Mit Export-Ware aus Swatow, Dehua und Yixing schließt das Buch, das damit einen vollständigen Überblick über chinesische Export-Keramik bietet. Es versteht sich, dass die zahlreichen Illustrationen angesichts der Bedeutung und des Umfangs der Sammlung des Victoria & Albert Museums nur das Beste, Schönste und Seltenste zeigen, was diese frühen globalen Handelsbeziehungen hervorgebracht haben. Mit der Schönheit und Vielfalt des abgebildeten Porzellans, der Darstellung der Geschichte des Exports von Chinesischem Steinzeug und Porzellan in fast die gesamte damals bekannte Welt und mit der Tiefe der wissenschaftlichen und auf dem neuesten Stand gebrachten Bearbeitung des Themas, ist das Buch ein Standardwerk zur chinesischen Exportkeramik.

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