Famille Verte – Chinese Porcelains in Green Enemals

Autor/en: Christiaan J. A. Jörg
Verlag: BAI und Groningen Museum
Erschienen: Schoten und Groningen 2011
Seiten: 192
Ausgabe: Hardcover
Preis: ca. € 35,00
ISBN: 978-90-8586-589-6
Kommentar: Michael Buddeberg, Februar 2013

Besprechung:
Chinesisches Porzellan aus Jingdezhen ist ein treffliches Beispiel dafür, dass Krise, Revolution und Chaos stets auch ein Nährboden für Innovation und für einen Aufbruch zu neuen Ufern sind. Spätestens seit den Dynastien der Song wurde in den Öfen dieser chinesischen Keramikhochburg Porzellan für den kaiserlichen Hof hergestellt. Die immer mehr ausufernde Hofhaltung der Kaiser der Yuan- und der nachfolgenden Ming-Dynastie hatte eine gewaltige und stetig steigende Nachfrage zur Folge. Die großen Manufakturen arbeiteten letztendlich fast ausschließlich in kaiserlichem Auftrag und brachten es zu Höchstleistungen in Qualität, Form und künstlerischem Dekor, aber wirklich Neues entstand nicht. Mit dem Tod des Ming-Kaisers Wanli (reg. 1573-1620) war diese Epoche wirtschaftlicher Prosperität zu Ende. Unter dem militärischen Druck der Japaner und der Manchu schwand die kaiserliche Macht mit bedeutenden Folgen für die Porzellan-Herstellung in Jingdezhen. Die vormals unermesslichen kaiserlichen Aufträge entfielen jäh und Revolution und Aufstand im Lande taten ein Übriges um die Feuer in den zahlreichen kaiserlichen Öfen zum Erlöschen zu bringen. Der beginnende europäische Ostasien-Handel durch zunächst portugiesische und später niederländische Kapitäne und Handelsherren brachte die Erlösung und einen gänzlich neuen, für den Export entwickelten Dekorationsstil. Das Ende der Ming-Dynastie wurde zur Blütezeit für Kraak-Porzellan. Noch stärkeren Wandel aber bewirkten Wegfall kaiserlicher Nachfrage und Chaos im Inneren des Landes. Der Rückzug kaiserlicher Beamter in die innere Immigration, die Bewegung der „Literati“ und eine neue Freiheit des Denkens brachten eine Innovation von Formen und Malstilen: Mit erzählenden Szenen, romantischen Geschichten und poetischen Landschaften revolutionierte das „transitionale“ Porzellan (ca. 1620-1680) den Dekor auf Platten, Schalen und Vasen. Das alles aber geschah im Rahmen des traditionellen Blau-Weiß. Die farbliche Innovation kam danach und sie kam aus Japan. Vorbild waren Arita, Imari und Kakiemon und deren Erfolg bei europäischen Abnehmern. Jingdezhen entdeckte die auf der Glasur aufgebrachten und bei niedrigerer Temperatur gebrannten Emaillefarben. Den Anfang machte die unter dem Qing-Kaiser Kangxi (reg. 1662-1722) zwischen 1680 und 1725 vorherrschende Dekoration mit verschiedenen Schattierungen von grünen Emaillefarben in Verbindung mit Blau, Gelb, Rot, Schwarz und gelegentlich auch Gold, von dem französischen Keramiksammler Albert Jacquemart im Jahre 1862 als famille verte getauft, bis heute so bezeichnet und als außerordentlich feines, qualitätvolles und schönes Porzellan damals wie heute bewundert und hoch geschätzt.

Das von Christiaan C.J. Jörg, dem international bekannten holländischen Experten für chinesisches und japanisches Export-Porzellan, geschriebene Buch über chinesisches Porzellan der famille verte (Katalog einer Ausstellung im Groninger Museum im Jahre 2011) ist die erste wissenschaftliche Monographie zu diesem Thema und damit ein unverzichtbarer Bestandteil der Bibliothek jedes Liebhabers und Sammlers von chinesischem Porzellan. Es zeigt und beschreibt mehr als 175 der schönsten und wichtigsten Objekte aus dem Rijksmuseum in Amsterdam, dem Municipal Museum in den Haag, dem Princessehof Museum in Leeuwarden, dem Groninger Museum und zwei weiteren bedeutenden Sammlungen in Rotterdam und Slochteren. Zu verdanken sind diese in niederländischen Museen und Sammlungen befindlichen Porzellane der famille verte, die an Zahl und Qualität kaum zu übertreffen sind, der herausragenden, monopolartigen Stellung der niederländischen Vereinigten Ostindischen Compagnie (VOC) im gesamten Ostasienhandel im 17. und bis weit ins 18 Jahrhundert. Von den niederländischen Häfen und Handelszentren fanden diese schon damals als kostbare Statussymbole angesehenen Stücke in die Porzellan-Kabinette und auf die reich gedeckten Tafeln von Landhäusern, Schlössern und Residenzen. In zwölf Kapiteln beschreibt der Autor die Geschichte dieses ersten chinesischen polychromen Porzellans, die Herstellung der nur mit spärlichem Unterglasurblau versehenen Rohlinge in den ehemals kaiserlichen Öfen und die weitere Bemalung mit Emaillefarben nebst zweiten Brand in kleinen, spezialisierten Werkstätten. Seltene Vorläufer aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts finden sich ebenso wie speziell für den asiatischen Markt gefertigte Exemplare. Die Bemalung entspricht chinesischem Dekorationsstil, Blumen, Schmetterlinge, mythische Tiere und figürliche chinesische Szenen sind sorgfältig und detailgenau dargestellt. Erst spät werden auch europäische Gefäßformen wie Bierkrüge, Flaschen- und Glaskühler bis hin zum Nachttopf Gegenstand des Dekors der famille verte. Dem Teeporzellan mit Kannen und Koppchen und anderen Sondergruppen wie etwa den mit Emaillefarben bemalten, unglasierten, meist figürlichen Stücken der so genannten Bisquit-Ware und den seltenen Vasen und Gefäßen mit flächigem Unterglasurblau und ausgesparten Kartuschen für die famille verte Malerei sind gesonderte Kapitel gewidmet. Ein Höhepunkt ist gewiss die im Groninger Museum bewahrte Kombination einer großen flachen, mehr als einen halben Meter im Durchmesser messenden Schale mit zugehöriger großer Schüssel, dekoriert mit 24 Szenen aus der „Romanze der westlichen Kammer“, einer Ende des 12. Jahrhundert niedergeschriebenen und in China äußerst populären Lovestory aus der Zeit der Tang-Dynastie (618-907). Abbildung und Beschreibung aller Szenen einschließlich einiger ihrer Vorbilder in Form von Holzschnitten aus einer Ausgabe des Jahres 1468 sind Ausdruck für die qualitätvolle und umfassende Behandlung des Themas durch Christiaan Jörg.

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