Myanmar – Das Goldene Land

Autor/en: Georg Noack, Inés de Castro (Hrsg)
Verlag: Linden Museum, Philip von Zabern
Erschienen: Stuttgart und Darmstadt 2014
Seiten: 256
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 29,95
ISBN: 978-3-8053-4823-2
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2014

Besprechung:
Wenn zwei bedeutende ethnologische Museen in Deutschland kurz hintereinander – das Museum Fünf Kontinenten in München am 19. September und das Stuttgarter Linden-Museum am 18. Oktober 2014 – Ausstellungen zu einem identischen Thema eröffnen und dazu je einen Katalog publizieren, dann muss das einen Grund haben. Myanmar, das Goldene Land am Irrawady, ist das Thema und der Grund ist wohl der, dass dieses Land erst vor kurzer Zeit aus einer Art Dornröschenschlaf erwachte und sich nun als neues, kaum bekanntes Ziel für Touristen und Investoren anbietet. Und für eine Katalogbesprechung bietet es sich natürlich an, Vergleiche zu ziehen und die naheliegende Frage zu beantworten, wer es denn nun besser gemacht hat, welchen der Kataloge man erwerben muss und welche der Ausstellungen man auf keinen Fall versäumen darf. Die Antwort soll hier gleich vorweg genommen werden: Die von den Ausstellungsmachern und Herausgebern der Kataloge gewählten Schwerpunkte sind so unterschiedlich, dass beide Kataloge und Ausstellungen aus sich heraus und auch nebeneinander ihre volle Berechtigung haben und es von den Interessen der Besucher und Leser abhängt, welche der Präsentationen ihm mehr Nutzen und Information bietet. Wie der erst vor wenigen Wochen an dieser Stelle publizierten Besprechung des Münchner Kataloges („Myanmar – von Pagoden, Longyis und Nat-Geistern“) zu entnehmen ist, steht in ihm das Myanmar von heute im Vordergrund, seine aktuellen politischen, religiösen, ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Probleme sowie die Chancen und Risiken des von langjähriger Militärdiktatur leidgeprüften Landes für eine bessere Zukunft. Die reichen Rohstoffvorkommen, Öl, Teakholz, Edelsteine und anderes mehr, und die Ressourcen für einen boomenden Tourismus, tropische Strände und bedeutende Kultur- und Kunstdenkmäler, bilden den Rahmen für die Frage, ob Myanmar zum neuen Tigerstaat Südostasiens werden könnte. Auch das Linden-Museum beleuchtet das Myanmar von jetzt, aber hier steht die auch heute noch alle Lebensbereiche durchdringende, tiefe Religiosität im Mittelpunkt, einer Gesellschaft also, die zutiefst durch den Buddhismus geprägt ist, in der der Glaube an die Macht der Götter und Geister wohl lebendiger ist als in allen anderen Ländern Asiens. Das Mönchsein in Myanmar, vor allem aber die Bedeutung der Gemeinschaft der Mönche, der sangha, im gesellschaftlichen, sozialen und sogar politischen Leben ist einer der zentralen Essays im Katalog. Ob es die Vorstellung der Handwerkskünste ist, hier allen voran die berühmten Silber- und Lackarbeiten, das Kapitel über Wandmalerei und Gemälde, über Literatur, Bücher und Handschriften oder über Musik und Theater, alle stehen sie im Dienste des Buddhismus, der sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche hindurch zieht. Auch Astrologie, Okkultismus und Wahrsagerei ebenso wie der Kult der in den so genannten Nat-Figuren repräsentierten Geisterverehrung ist in den Rahmen buddhistischer Rituale und Vorstellungen eingebettet. Wie in allen buddhistisch geprägten Ländern ist auch in Myanmar Buddha selbst in Form von kleinsten bis riesengroßen Statuen, sitzend, liegend oder stehend und in allen nur denkbaren Materialien ausgeführt, das wichtigste Objekt darstellender Künste. So bilden denn auch Dutzende von Buddhafiguren den Schwerpunkt der Ausstellung und des Katalogteils und gewähren einen Einblick in die vielfältige Ikonographie des Buddhabildes und die Entwicklung der Stile in zwölf Jahrhunderten. Eine reiche Vielfalt von Textilien und Bekleidung, Musikinstrumenten, Schmuck und allerlei Gebrauchsgegenständen lassen kaum einen Bereich myanmarischer Kultur in Geschichte und Gegenwart unbehandelt. Anzumerken ist hier, dass die Ausstellung des Lindenmuseums im Gegensatz zu München, das weitgehend auf die auf einer einzigen Reise im Jahre 1910/11 zusammengetragene Sammlung Scherman zurückgreifen konnte, Exponate von zahlreichen privaten und öffentlichen Leihgebern mit eigenen Beständen kombiniert hat, was der stilistischen und geographischen Vielfalt der Objekte aus unterschiedlichen Epochen und Regionen des Landes zugute kommt. Trotz der unterschiedlichen Schwerpunkte beider Ausstellungen und Kataloge – das ist als Résumé festzuhalten – wird das Thema von beiden Häusern erschöpfend und anregend präsentiert.

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