Auf Grünwedels Spuren – Restaurierung und Forschung an zentralasiatischen Wandmalereien

Autor/en: Toralf Grabsch (Hrsg)
Verlag: Staatliche Museen zu Berlin, Koehler & Amelung
Erschienen: Berlin und Leipzig 2012
Seiten: 208
Ausgabe: Klappenbroschur
Preis: € 35,00
ISBN: 978-3-7338-0385-8
Kommentar: Michael Buddeberg, Januar 2013

Besprechung
Während der Blüte des Buddhismus in Zentralasien vom 4. bis zum 13. Jahrhundert entwickelte sich dort eine einzigartige Kunstform: In den weichen Sandstein gearbeitete Höhlen wurden über und über mit feinen, farbenfreudigen Wandmalereien ausgestattet. Götter und andere Himmelswesen, Könige, fremde Gesandte und einfaches Volk bilden einen bunten Reigen und erzählen von fernen Zeiten, von der gläubigen Verehrung des buddhistischen Pantheon und von längst vergessenen Sitten und Gebräuchen. Mit dem Aufkommen des Islam und dem Bedeutungsverlust der Seidenstrasse gerieten diese Zeugnisse früher zentralasiatischer Kunst in Vergessenheit. Wenn nicht durch Erdbeben verschüttet oder eingestürzt dienten die Höhlen allenfalls Hirten zum Schutz vor Nässe und Kälte. Feuer zum Kochen und Heizen schwärzten die bunten Bilder, vieles wurde darüber hinaus Opfer eines andersgläubigen Vandalismus. Erst Ende des 19. Jahrhunderts geriet Zentralasien in den Fokus westlicher Forscher und Abenteurer. Sven Hedin, Aurel Stein und die Russen Przewalsky und Kozlow gehörten zu den ersten, die Kunde von zentralasiatischen Kunstschätzen und von den Höhlenmalereien in den Westen brachten. Sie lösten in der von Imperialismus und Kolonialismus geprägten Zeit einen Wettlauf um die Bergung dieser fremden Kultur aus. Auch Deutschland war mit dabei und vier so genannte Turfan-Expeditionen von 1902 bis 1914 unter dem Indologen Albert Grünwedel (1856-19315) und dem Turkologen Albert von Le Coq (1860-1930) brachten reiche Beute. Sie bescherten den Berliner Museen die weltweit bedeutendste Sammlung zentralasiatischer Kunst von der Seidenstrasse. Zu danken war das vor allem dem langjährigen Seemann und genialen Museumstechniker Theodor Bartus (1858-1841), der alle vier Expeditionen begleitete und als erster eine einigermaßen brauchbare Methode zur Ablösung der Wandgemälde entwickelt hatte. Die schon dabei zwangsläufig entstandenen Schäden, unsachgemäße Lagerung und Präsentation, Zerstörungen durch die Bomben des zweiten Weltkrieges und frühe Restaurierungsmaßnahmen mit unerprobten Kunststoffen haben den Bestand dieses Berliner Schatzes erheblich gefährdet und eine außergewöhnliche, durch die Kulturstiftungen des Bundes und der Länder finanzierte Konservierungs- und Restaurierungsaktion hervorgerufen. Ein Zwischenergebnis wird nun vom Berliner Museum für Asiatische Kunst mit dem bemerkenswerten Katalogbuch „Auf Grünwedels Spuren“ präsentiert. Der Band behandelt in 14 Essays die mittlerweile über 100-jährige Expeditions- und Museumsgeschichte dieser Sammlung und die von Kuratoren, Restauratoren und Technikern erarbeiteten, wegweisenden Strategien zur Erhaltung, Restaurierung und zur neuen Präsentation der Malereien. Das Buch ist zunächst eine Hommage an Albert Grünwedel, der in Anspruch und Herangehen seiner Zeit weit voraus war und dem im Gegensatz zu manchen seiner Zeitgenossen die Forschung an Ort und Stelle und die Dokumentation von Fundort, Fundzusammenhang und Zustand wichtiger war als die Ausstattung der Berliner Museen. Es war dann Le Coq, der den Erfolg der Expeditionen in erster Linie an der Zahl und dem Gewicht der nach Berlin geschickten Kisten gemessen hat und dem zusammen mit Bartus die Berliner Museen den Zugang vollständiger Malereikomplexe verdankt. Der zweite Weltkrieg hat dies dann relativiert denn etwa 50% der zentralasiatischen Wandmalereien, darunter die Pfauenhöhle aus Kizil und die berühmten großen Stifterbilder, die wegen vermeintlicher technischer Probleme nicht ausgebaut waren, fielen im April 1944 den Bomben zum Opfer. Zwar gab es bereits 1934 (!) Aufforderungen und genaue Anweisungen, Museumsinhalte gegen Luftangriffe zu sichern, die im vorliegenden Fall wegen museumsinterner Intrigen und im übrigen durch Sandsäcke und Sandkästen höchst unvollkommen umgesetzt wurden, zumal das Museum in unmittelbarer Nähe des Führerhauptquartiers und der Reichskanzlei gelegen und deshalb akut gefährdet war. Sieht man von den noch heute in St. Petersburg als Beutekunst lagernden Wandmalereien aus dem Museum für Völkerkunde in Berlin ab, so sind immerhin etwa 700 qm erhalten, ein immer noch respektabler Bestand und eine gewaltige Aufgabe für die moderne Konservierungs- und Restaurierungstechnik. Am Beispiel der aus dem 5./6. Jahrhundert stammenden „Höhle der ringtragenden Tauben“ aus Kizil, heute der Höhepunkt der zentralasiatischen Sammlung des Museums für Asiatische Kunst und weltweit die einzige Gelegenheit, buddhistische Wandmalereien in einem Museum in einer dem ursprünglichen Kontext angenäherten Form zu erleben, kann man Umfang und Schwierigkeit dieser Aufgabe ermessen. Beginnend mit der „Entrestaurierung“ der 1926 und 1971 getroffenen Maßnahmen und einem behutsamen Neuaufbau der Höhle, wobei nicht nur zahlreiche speziell entwickelte Verfahren zur Anwendung kamen, sondern auch die Erkenntnisse von Forschungsreisen vor Ort Eingang fanden, wird ein länger als 10 Jahre währender Prozess minutiös beschrieben. Zu den zentralen Herausforderungen gehörte dabei die Ergänzung und Rekonstruktion der schon bei der Abnahme und vor allem aber der im Kriege zerstörten Bildpartien. Wenn dann am Ende gegenüber dem Vorzustand eine konservatorisch, restauratorisch, wissenschaftlich und ästhetisch entscheidende Verbesserung konstatiert wird, so erscheint das gemessen an der Schwierigkeit der Aufgabe und dem betriebenen Aufwand eher bescheiden. Die Beiträge über neue technische Methoden, der Einsatz von Lasertechnik zur Reinigung, die Sichtbarmachung von Untermalungen und Vorzeichnungen mithilfe der Neutronen-Autoradiographie und die Untersuchung des Einflusses vom Schimmelpilzen auf Pigmente sind im gegebenen Zusammenhang nicht nur für Restauratoren, sondern auch für den Laien spannend und lesenswert ebenso wie die Hinweise auf antike römische Quellen, aus denen sich erschließt, dass die maltechnischen Grundlagen dieser Leim- und Temperamalerei auf Lehmputz als westliches Importgut die aufblühenden buddhistischen Königreiche Zentralasiens erreichten. Der „Re-Import“ der abgelösten Wandbilder durch Grünwedel, Le Coq und Bartus, dessen politische, gesellschaftliche und rechtliche Grundlagen sowie Fragen der Restitution kommen nicht zur Sprache. Wenn man aber liest, dass chinesische und deutsche Wissenschaftler gemeinsam und wechselseitig vor Ort und in den Museen die Kunstschätze von Kizil und anderen Stätten in Xinjiang erforschen und bewahren, so ist das gewiss die beste aller Lösungen und ein Schulbeispiel für vergleichbare Fälle.

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