Durch die Wüste Taklamakan – Auf den Spuren von Sven Hedin und Sir Aurel Stein

Autor/en: Christoph Baumer, Aurel Schmidt, Therese Weber
Verlag: Nünnerich Asmus Verlag & Media
Erschienen: Mainz 2013
Seiten: 96
Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Preis: € 34,90
ISBN: 978-3-943904-09-3
Kommentar: Michael Buddeberg, Oktober 2013

Besprechung:
Die in der Uighurisch-Autonomen Region Xinjiang liegende Sandwüste Taklamakan repräsentiert wohl den Höhepunkt an Lebensfeindlichkeit auf diesem Planeten. Hochgebirge im Norden, Süden und Westen und weitere, ausgedehnte Wüstengebiete im Osten machen das Zentrum des Tarim Beckens zu einer hyperariden Zone mit Sommertemperaturen von mehr als 50 Grad im nicht vorhandenen Schatten. Eisige Winter, in denen das Thermometer -45 Grad anzeigen kann, bewirken, dass dort nicht einmal mehr die sonst in allen Wüsten vorhandenen Kleinlebewesen existieren. Es ist ein Sandreich aus Schweigen und Tod, in dem gewaltige Sandstürme bis zu 200 Meter hohe Dünen auftürmen. Doch das war einmal anders. Vor 2000 Jahren gab es dort blühende Oasen, wohlhabende Städte, blaue Seen, einen florierenden Handel und eine Begegnung von Völkern, Kulturen und Religionen wie kaum irgendwo sonst auf dieser Welt. Ausreichend Wasser und ausgeklügelte Bewässerungssysteme sorgten für eine sesshafte Agrarwirtschaft und ein Geflecht von Handelswegen, später als Seidenstrasse bezeichnet, sorgte nicht nur für einen Austausch von Handelsgütern zwischen Ost und West, sondern auch für die Verbreitung von Ideen, Religionen, künstlerischen Stilen und Kulturen. Der Handel brachte Reichtum und machte die Region zum Ziel der Eroberungsgelüste machtgieriger Stämme und Völker. Eine äußerst komplexe und wechselhafte Geschichte, das Entstehen und der Untergang von Reichen und Städten und ein Neben- und Nacheinander von Usurpatoren, Völkern, Religionen und Kulturen kennzeichnen die Region. Erst ein etwa in der Mitte des ersten Jahrtausends einsetzender, allmählicher Klimawandel brachte tiefgreifende Änderungen. Früher fruchtbare Gebiete verödeten, Sandstürme bedrohten die Oasenstädte, bis sie schließlich aufgegeben werden mussten, der Ackerbau verschwand zugunsten einer halbnomadischen Viehwirtschaft und der Weg für die Handelskarawanen wurde immer schwieriger und gefährlicher. Spätestens seit dem 9. Jahrhundert versanken die einst reichen und lebendigen Oasen unter der unaufhörlichen Brandung der anstürmenden Sandwellen und der aufkommende Seehandel ließ die Seidenstrasse schließlich in die Bedeutungslosigkeit zurückfallen. Ein Jahrtausend später geriet die vergessene Region in den Brennpunkt europäisch-kolonialer Interessen. Forscher und Abenteurer, Archäologen und Geographen machten erstaunliche Entdeckungen. Die zweitgrößte Sandwüste der Welt wurde zu einem archäologischen Eldorado, da sich Holz, Textilien und sogar menschliche Mumien im trockenen Sand perfekt erhalten hatten. Der Wettlauf europäischer Wissenschaftler, die Entdeckungsreisen von Sven Hedin, Aurel Stein, Paul Pelliot, Albert von LeCoq, Albert Grünwedel und der Russen Przewalski und Kozlov ist Legende und ihre Berichte gehören zur Pflichtlektüre der Abenteuer- und frühen Archäologieliteratur. Wieder einhundert Jahre später unternahm der Schweizer Christoph Baumer in den Jahren 1994 bis 2009 insgesamt 5 archäologische Expeditionen auf den Spuren dieser frühen Entdecker. In mehreren schönen Büchern hat Baumer bereits über diese Expeditionen, seine ergänzenden Entdeckungen und über das Abenteuer Taklamakan an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert berichtet (2002: „Inseln im Sandmeer“; 2008: „Entdeckungen in Innerasien“). Das nun vorliegende Buch bezeichnet der Verlag als Bildband und darin liegen Vorzug und Schwäche zugleich. Die Aufnahmen des Autors von der Wüste Taklamakan, dem Meer von Sand, von den Resten ehemaliger Siedlungen, von Stürmen freigelegt und zu skurrilen Gebilden sandgestrahlt und von den Mühen des Reisens in dieser lebensfeindlichen Umwelt, auch heute noch vorzugsweise mit Kamelen, sind faszinierende Dokumente aus einer Welt, die sich seit den Zeiten eines Sven Hedin und Aurel Stein kaum verändert hat. Die ausführlichen Bildlegenden des Autors erzählen von der vielfältigen Siedlungsgeschichte und wie sich verschiedene Turkvölker, zentralasiatische Reiternomaden, iranische Dynastien und schließlich Tibeter und Chinesen in der Kontrolle über das Tarim Becken ablösen. Wir lesen von naturreligiösen Bräuchen und Kulten, von Christen und Buddhisten, von den religiösen Mischformen der Manichäer und Nestorianer und schließlich von den Erlebnissen und Entdeckungen früher Forscher und von den kulturellen Schätzen, die der Sand hergegeben hat. Da die Bilder aber keiner historischen oder geographischen Ordnung folgen, vermitteln die Texte stets nur kleine und beliebig erscheinende Ausschnitte, die es nicht vermögen, ein Gesamtbild von der politischen, religiösen und kulturellen Entwicklung dieser Region zu formen. Das schaffen auch der knappe historische Überblick und die beigefügte Zeittafel nicht. Beeindruckt von den schönen Bildern und mit dem Wunsch nach einer vollständigen Geschichte des Tarim Beckens legt man den Bildband aus der Hand.

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